Es sind Geschichten aus dem Leben, dem ganz normalen. Geschichten von
Menschen, die mit einander leben ohne einander wahrzunehmen. Dabei
erzählt Lemke eher beiläufig. Und vielleicht macht gerade dieser fast
schon lapidare Stil, der so ganz ohne große Gefühle auskommt, diese
kleinen Geschichten so eindringlich. Denn trotz aller Reduziertheit aufs
Wesentliche gelingen der Autorin Bilder, die den Abgrund andeuten, der
hinter der scheinbaren Banalität steckt: „Ich lief über den dunklen Hof,
als wäre ich nur ein vorauseilender Schatten, und jemand Eigentliches
käme erst hinter mir her.“
Man bekommt Angst um die Menschen in diesen Geschichten, die ziellos in
ihrem Leben umher irren und die sich mit Mittelmäßigkeit zu begnügen
scheinen – auch in Liebesdingen übrigens. Lemke beobachtet diese
Großstadtnomaden genau, allerdings nur im Hier und Jetzt. Ihre
Geschichten kommen ganz ohne psychologischen Hintergrund aus.
So wird der Leser zum Voyeur, ein Bruder im Geist vielleicht von Boris
in der gleichnamigen Geschichte. Der ist Außenseiter in der Clique und
hat immer etwas „Prolliges“ an sich, so dass man ihm „wenig zutraute“.
Aber dieser Boris ist auch einer, der „jederzeit alles wahrzunehmen“
scheint und dem das, was er sieht, nicht gefällt. Für die coolen
Statisten eines Spiels, das sich Leben nennt, hat er nur Verachtung.
Die teilt Hanna Lemke nicht. Trotz der Ziellosigkeit ihrer
Protagonisten, die oft in Mutlosigkeit mündet, begegnet sie ihnen mit
Sympathie, in der allerdings ein Rest Unbehagen mitschwingt.
Info: Hanna Lemke, Gesichertes, Kunstmann, 188 S., 17,90 Euro
20Jul. 2010
Geschichten aus dem Leben
Es gilt, eine Entdeckung zu feiern, eine noch junge Autorin (Jahrgang 1981), die so souverän mit der literarischen Form der Kurzgeschichte umgeht, dass die Kritik ins Staunen gerät. Hanna Lemkes 18 Stories unter dem Titel „Gesichertes“ erzählen von einem Leben voller Unsicherheiten. Das betrifft nicht nur die finanziellen Grundlagen wie scheinbar in der titelgebenden Geschichte, sondern vor allem auch um Beziehungen, die unklar bleiben, um Unausgesprochenes und Unaussprechliches.