Lange Zeit haben die Tourismusexperten Kayak, TripAdvisor & Co gar nicht wahrgenommen. Das hat sich inzwischen geändert, denn die Metasuchmaschinen machen ihnen zunehmend Konkurrenz – und sie werden immer größer. TripAdvisor Inc, seit 15 Jahren am Markt, betreibt Reise-Webseiten unter 24 weiteren Markennamen, neuester Zuwachs ist das Portal für Tagesausflüge und Kurztrips Viator. Und Kayak, seit zwei Jahren eine Tochter von Priceline, wozu auch Booking.com gehört, hat sich auf dem amerikanischen Markt als Reisesuchmaschine für Flüge, Hotels, Mietwagen und Pauschalurlaube etabliert. Mit der Flugsuchmaschine Swoodoo, die Kayak 2010 übernahm, soll die Präsenz im deutschen Markt weiter ausgebaut werden. Man sieht: Die digitale Welt ist schnelllebig. Mit der Beschleunigung halten viele etablierte Unternehmen nicht Schritt. Wie aber sieht das im Tourismus aus, wollte die Touristische Runde wissen. Prof. Robert Goecke, der an der Fakultät für Tourismus an der Hochschule München IT lehrt, moderierte die Diskussion, zu der Tom Breckwoldt, Territory Manager Deutschland, Österreich und Schweiz bei TripAdvisor, Jan Valentin, Managing Director Kayak Europe, und Ullrich Kastner CEO & Gründer von MyHotelShop nach München angereist waren. So manchem Veranstalter müssten bei den Ausführungen der jungen, ambitionierten Manager die Ohren geklingelt haben.
Mit 315 Millionen Besuchern, so Tom Breckwoldt, ist TripAdvisor die größte Reisewebsite der Welt. 115 neue User-Beiträge würden pro Minute eingestellt. Im Vordergrund stünden die Erfahrungsberichte der Reisenden. 190 Millionen solcher Texte sollten Touristen dabei helfen, „die perfekte Reise zu planen“, wobei nicht immer der Preis ausschlaggebend sei, sondern „das Passende zum günstigen Preis“. TripAdvisor gehe es aber nicht nur um Inspiration, den besten Preis und Information – auch die Buchung auf der eigenen Seite, ob über einen der vielen Buchungspartner oder die Unterkunft direkt, bietet TripAdvisor künftig. Damit würde die Metasuchmaschine zur direkten Konkurrenz etablierter Veranstalter.
Als eine Art „Putzerfisch in den Flossen der großen Haie“ definiert Ullrich Kastner sein Unternehmen myhotelshop.de Kastner, der eigentlich Hotelier ist und auch bei TripAdvisor und trivago Erfahrungen gesammelt hat, will kleinen Privathotels, die sich keine Metasuche leisten können, eine Online-Oberfläche für ihren Hotelverkauf bieten, um das komplexe Umfeld der metasuchen und deren CPC Modelle einfach managen zu können Der Jungunternehmer ist davon überzeugt, dass es dem Endkunden „egal ist, worüber er bucht“. Kayak, TripAdvisor oder trivago schaffen es aber seiner Erfahrung nach, „ohne google traffic zu bekommen“. Im Tourismus sei doch eine gewisse Kernkompetenz nötig und über die verfüge google bisher nicht.
„Man kann sehen, dass google nicht unbedingt gewinnt“, assistiert Jan Valentin. Die Öffentlichkeit tendiere dazu, google zu überschätzen. Valentin sieht booking.com und TripAdvisor im Wettstreit mit unterschiedlichen Modellen – aber beide auf der Erfolgsspur. Im Tourismus sei doch eine gewisse Kernkompetenz nötig und über die verfüge google bisher nicht, meint Ullrich Kastner.
Für TripAdvisor sei die Glaubwürdigkeit das höchste Gut, betont Manager Breckwoldt. Sie schaffe eine starke Community. Und was ist mit gekauften Bewertungen? Kein Problem, meint der Manager: Jede Bewertung durchlaufe ein Prüfungssystem, das sicherstellt, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Das sei schon deshalb wichtig, weil der Kunde „nur dann wiederkommt, wenn er vertraut“.
Mit der Transparenz hat Jan Valentin bei Flügen ein Problem. So sei es nicht möglich, die Gepäckgebühren von vornherein mitzuliefern. Die finale Gebühr werde erst mit der Buchungsanfrage geliefert. Bei der Flugsuchmaschine swoodoo werde die Buchungsgebühr von vornherein auf den Preis draufgeschlagen. Dieser Transparenzrechner komme gut an. Beim Gepäckrechner komme man allerdings nicht über 90 Prozent Genauigkeit. „Ein Wahnsinn“, ärgert sich der Kayak-Mann. „Das ist doch, wie wenn man Kunden eine Wurst mit Senf anbieten muss und hofft, dass er den Senf dazukauft.“
Und wie finanzieren sich die Suchmaschinen? „Sichtbarkeit gegen Kohle“, sagt Kastner von myhotelshop knapp. TripAdvisor arbeite unter anderem mit dem „pay-per-click-Modell“ erklärt Breckwoldt. Erst wenn der Kunde auf die Partnerseite weiter geleitet werde, werde Geld fällig. Die Preistransparenz auf den Suchmaschinen sieht Kastner als Problem für die Hoteliers, die in ihrer Preisgestaltung nicht mehr frei seien. Dabei müssten die Durchschnittspreise eigentlich wieder nach oben gehen, damit die Suchmaschinen auch Geld verdienen.
Und der nächste Schritt? Ist die Individualisierung, da sind sich alle einig. TripAdvisor hat kürzlich „Passend für Sie“ eingeführt, eine Funktion, die dem Kunden vorschlägt, was ihm gefallen könnte. Dass das auch die etablierten Veranstalter machen, kümmert Breckwoldt wenig. „Wir wollen mit den Veranstaltern mehr zusammenarbeiten“, betont er. Er könne sich Veranstalter auf den eigenen Seiten vorstellen oder aber auch TripAdvisor-Bewertungen auf den Veranstalter-Seiten. Grundsätzlich aber glauben die Referenten, dass die Zeit der großen Reiseveranstalter vorbei sei. Sie hätten den Trend verschlafen, seien technologisch falsch aufgestellt und liefen Gefahr, auf der Strecke zu bleiben. „Viele haben in den letzten Jahren viel Geld verbrannt, weil sie in veraltete Buchungsmaschinen investierten“, so Jan Valentin. Und Ulrich Kastner ist sicher, dass booking.com schon jetzt über ein größeres Buchungsvolumen verfügt „als etwa Thomas Cook“. Ganz so schwarz sieht Breckwoldt die Zukunft der Veranstalter nicht. Es werde immer Leute geben, die Qualität mit der Marke kaufen und solche, die Rundum-Sorglos-Pakete begehren. Dass auch die Metasuchmaschinen dazu in der Lage sind, solche Pakete anzubieten, verhehlt er aber nicht.
Für den Megatrend unserer Zeit halten die drei Manager die mobile Erfahrung. Smartphones lösten zunehmend den Desktop ab. Schon im nächsten Jahr könnte der Großteil der Suche über mobile Endgeräte stattfinden. Darauf richten die Metasuchmaschinen sich ein und auch darauf, dass künftig Planung, Buchung, Aufenthalt, Erlebnisse und Sharing aus einer Hand zu haben sind. In zehn Jahren, prophezeit Ulli Kastner, könnte booking.com zu 90 Prozent den Markt beherrschen – wenn nicht ein neuer Player auftaucht.
Zum Beispiel Alibaba. Erst vor kurzem wurde bekannt, dass der chinesische Internetgigant ein Reiseportal startet. So können auf der Plattform alitrip.com Flüge, Hotels und Paketreisen gebucht und Visa-Services genutzt werden – bisher allerdings nur in China. Und dann noch dies: Das Branchenportal Skift berichtete eine Woche später, dass
Amazon zum 1. Januar den Einstieg in das „Boom-Segment“ Reise verkünden wolle, in dem derzeit Priceline (Booking.com) und Expedia den Markt dominieren.
Info: Wer mehr darüber wissen will, wie das Geschäftsmodell Suchmaschinen funktioniert, kann sich in dem Buch „Suchmaschinenmarketing im Tourismus“ von Eric Horster informieren, das auch neue Entwicklungen und Trends aufzeigt (170 S., 14,99 Euro,
ISBN 978-3-8252-4208-4)
Im Netz:
http://www.tripadvisor.de/
http://www.booking.com/
http://www.kayak.de/
https://www.myhotelshop.de/
Dezember 4, 2014
Hallo Frau Solcher,
vielen Dank für die Erwähnung meines Buches. Und: Spannender Artikel!
Beste Grüße von
Eric Horster