Wir treffen uns im Münchner Hauptbahnhof und ich erkenne ihn sofort: Das schmale, leicht gebräunte Gesicht, das Bärtchen, die braunen Augen. Das ist Danny Beuerbach, der Münchner Vorleser-Friseur. Eine graue Mütze mit zwei Puscheln überdeckt die krause Haarpracht. Im nahe gelegenen Café zeigt sich, dass dieser Friseur auch Mode mag. Die schwarz-weißen Socken passen exakt zum gestreiften schwarz-weißen Hemd.
Alles andere als ein normaler Friseur
Danny mit den Scherenhänden nennen sie ihn, den „magischen Friseur“ oder den Vorleser-Friseur. Danny Beuerbach ist auf alle Fälle alles andere als ein normaler Friseur. Obwohl er das Handwerk von der Pike auf gelernt hat – in Frankfurt. „Das war immer schon mein Traumberuf“, sagt der Mann, dem die krausen Haare buchstäblich zu Berge stehen. Dass Danny Beuerbach inzwischen eine Berühmtheit ist, über die Radio, Fernsehen und Zeitungen berichten, hat aber nur teilweise mit dem Friseur-Handwerk zu tun und auch nur teilweise mit Dannys Globetrotter-Leben, das ihn in Diensten einer britischen Friseur-Firma bis nach China und Mittelamerika geführt hatte.
Ein Friseur für Künstler und Obdachlose
Die britische Firma sei für ihn der Türöffner gewesen, sagt Danny heute. Durch sie habe er weltweit andere Schneidetechniken und andere Haarstrukturen kennengelernt. „Das hat mich interessiert. Das ist wie bei einem Koch, der zuerst auch weltweit Rezepte ausprobiert und dann sein eigenes Süppchen kocht.“ Jetzt also kocht Danny sein eigenes Süppchen, er hat eine eigene Schneidetechnik entwickelt, hat Künstlern, Fußballern und Obdachlosen die Haare schön gemacht, den Pianisten Lang Lang optisch in ein Playmobil-Männchen verwandelt und auf einer Pegida-Demonstration unter dem Motto „Make hair not war“ zum Haareschneiden aufgerufen.
Waschen, schneiden, lesen
Aber nicht genug damit, der umtriebige Haarkünstler hat sich vor allem als Vorleser- Friseur einen Namen gemacht. „BOOK A LOOK – and read a book“ heißt sein Projekt: Haareschneiden und Lesen. Auf die Idee, sich von seinen Kunden aus einem Buch vorlesen zu lassen, kam der Wahl-Münchner vor ein paar Jahren – weil er selbst kaum Zeit hatte, ein Buch zu lesen. So nahm er einfach ein Buch, das ihn interessierte, mit in den Salon und bat die Kunden, ihm vor zu lesen. Das erste Buch war „Der Alchimist“ von Paulo Coelho, erinnert sich Danny. Das passte. Schließlich haben für ihn auch Haare „etwas Magisches“.
Lesen kann cool sein
Und weil der Friseur nicht nur Haare und Bücher liebt, sondern auch Kinder, wurde aus Idee eine Leseförderung für den Nachwuchs. Kinder, die ihm im Salon vorlesen, zahlen die Hälfte. Doch Danny will mehr. Deshalb verlässt er auch immer wieder die Komfortzone Salon und geht auf die Straße. In Viertel, „wo man schon von weitem merkt, dass hier nicht gelesen wird“. Hier schneidet er den Kindern die Haare für lau, wenn sie ein Buch in die Hand nehmen. „Ich will ihnen zeigen, dass Lesen alles andere als uncool ist“, sagt er. „Ich war ja auch mal so ein Kind, habe spät erst Lesen gelernt, das aber gut verstecken können.“
Der bunte Teppich wird zur Bühne
Den vorlesenden Kindern gibt er das Gefühl, wichtig zu sein, auch wenn sie Probleme beim Lesen haben. „Ich würde sie niemals korrigieren“, betont Danny, „das wäre doch der komplett falsche Ansatz.“ Die Kids sind für ihn die echten Stars, und damit sie eine Bühne haben, bringt er seinen Teppich mit. Ein bisschen ist dann so ein Haarschnitt wie ein Märchen. Auch wenn der bunte Teppich nicht fliegt, die Fantasie trägt die Kinder fort aus ihrem Alltag in fantastische Welten. Wie Danny sich das vorstellt, das hat er in seinem Buch geschrieben. Es heißt – natürlich – „Der magische Frisör“ und ist bei Ravensburger erschienen. Jetzt können die kleinen Kunden ihrem Friseur auch aus seinem eigenen Buch vorlesen.
Danny hat den Kopf voller Ideen
So ist der Mann, der gern von sich sagt, er sei so alt wie Peter Pan, also auch unter die Autoren gegangen. Aktionskünstler, Leseförderer, Autor – das Multitalent sprudelt geradezu vor Ideen. Eine Kinderfriseur-Kette würde er gern ins Leben rufen, die Kindern beweist, dass es Spaß machen kann, zum Friseur zu gehen. Auch einen Nachfolger für sein Buch kann er sich vorstellen. „Viele sagen, ich hätte eine blühende Fantasie.“ Das hat dieser schlaksige Kerl mit den schlanken Pianistenhänden und dem Krauskopf tatsächlich. Seine vielen Projekte sieht er heute als Bausteine, „die sich inzwischen zu einem erkennbaren Mosaik fügen“.
„Man kann alles erreichen, wenn man will“
Aber trotz all seiner Träumereien hätte er nie gedacht, dass seine Visionen so großen Erfolg haben könnten. Heute fragen Bibliotheken und Buchgeschäfte bis aus Zürich bei ihm an. Als er vor Jahren bei Büchereien mit seiner Idee vorstellig wurde, hagelte es Absagen. Aber eine Bücherei lud ihn ein, das Börsenblatt berichtete über die Aktion – und von da ging‘s steil bergauf. Auch auf der Spielwarenmesse in Nürnberg wird Danny Beuerbach diesmal ein Gastspiel geben und zeigen, was ein guter Friseur so drauf hat.
Aber vor allem will er Kindern beweisen, das Träume wahr werden können, „dass man alles werden kann, wenn man will“. Allerdings warnt er auch vor falschen Schlüssen: „Geschenkt bekommt man nichts.“ Man muss wohl für sein Ziel brennen – wie dieser Tausendsassa aus München.
Zurück zu den Wurzeln
Einen ganz besonderen Traum will er in nächster Zukunft verwirklichen: Durch die Welt reisen und Friseure kennen lernen, die keinen Salon und keine Hightech-Ausrüstung haben, sondern nur das Nötigste. Back to the roots also, zurück zu den Wurzeln. In Indien etwa oder in afrikanischen Ländern. Da, meint er, könnte er noch was lernen und darüber auch berichten – auf seiner eigenen Internet-Plattform. Dann geht das Multitalent womöglich auch noch unter die Filmer…
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