Deutschland ist noch zu haben- In Dubai ist alles möglich

„Wir leben im Paradies“, sagt Leyla. Die 44-jährige Emirati hat gut reden. Sie lebt in einer großen Villa im Nobelviertel Jumeirah, wo die Häuser den alteingesessenen Familien vorbehalten sind und der Burj al Arab, das teuerste Hotel der Welt und Wahrzeichen von Dubai, wie ein Segel in den Himmel ragt.
Leyla hat zum Lunch gebeten, serviert werden Häppchen, die der Koch
zubereitet hat und Lehren aus dem Islam. Die Mutter von vier Kindern
will den Ausländern zeigen, „dass nicht jeder Muslim ein Terrorist
ist“. Sie trägt eine aufwändige Abaya, das bodenlange Ausgehkleid, das
die weiblichen Formen nur ahnen lässt und das Kopftuch, die Sheila, das
frau auch als Schleier vors Gesicht ziehen kann. Auch wenn in Dubai die
Wolkenkratzer in die Höhe schießen wie Pilze aus dem Waldboden hält man
in den Familien an der Tradition fest. „Der Fortschritt hat unsere
Identität nicht verändern können“, versichert Leyla und lächelt
gewinnend.
Die Lebenssituation ihrer Landsleute hat der Fortschritt der letzten 25
Jahre allerdings komplett umgekrempelt. Leylas Großeltern hatten noch
keine Idee von der Welt jenseits der Wüste, sie holten ihr Wasser aus
dem Brunnen und lebten von Viehzucht. Heute sind die Emirati nicht
mehr darauf angewiesen zu arbeiten, dafür haben sie ihre Kulis, die aus
aller Welt nach Dubai und in die Vereinigten Arabischen Emirate strömen, dorthin,
wo ihnen Arbeit und Lohn versprochen werden. 79 Prozent der 4,1
Millionen Einwohner der VAE kommen aus dem Ausland. 180 Nationalitäten
leben hier, die meisten Arbeiter sind Inder oder Pakistani.
Sie sind willkommen, so lange sie arbeiten können. Arbeitslosengeld
oder gar Rente gibt es nicht und alle drei Jahre muss die
Aufenthaltsgenehmigung erneuert werden. Sie sind Fahrer und Köche,
Gepäckträger und Verkäufer, Hoteldirektoren und Bauarbeiter. Die
Ärmsten unter ihnen verkaufen ihre Arbeit für 150 bis 200 Dirham pro
Tag.
Auch Adnan, der 28-jährige Inder aus Kalifornien ist ein Gastarbeiter.
Ein privilegierter allerdings. Adnan ist Senior Marketing PR Officer
der „World“, jenes gigantischen Bauprojekts vor der Küste Dubais, das
mit 300 Inselchen die Welt nachempfinden will. Der Baugrund ist schon
aufgeschüttet. Zwischen 10 und 45 Millionen Dollar kostet eine der
Inseln, einige der teuersten sind schon verkauft, die Antarktis etwa,
wo ein gigantisches Strand-Resort entstehen soll. Sir Richard Branson
hat sich England gesichert. Deutschland (33 Millionen) ist noch zu
haben. „Wir bauen hier Geschichte“, sagt Adnan, „ihr in Deutschland
habt sie geerbt“. Der junge Inder ist stolz auf das, wofür er Werbung
macht, er liebt die „aufregende Atmosphäre in Dubai“, die
Aufbruchsstimmung, den Griff nach den Sternen, den die Maktoum-Familie
dem Emirat verordnet hat. Deshalb wird er auch bleiben, „bis die Welt
vollendet ist“ oder auch länger, um zu sehen, wie sie sich entwickelt.
Dubai wird eine Mega-Destination, begeistert Adnan sich. „Wir müssen
noch viel mehr Hotels bauen für die Millionen von Touristen, die bald
unterwegs sein werden.“ 2010 sollen es 15 Millionen sein, derzeit ist
Deutschland de am schnellsten wachsende Quellmarkt für die arabischen
Emirate. Die Deutschen können sich nicht sattsehen an der Baustelle
Dubai. Adnan kann das verstehen. „The World“, wie „The Palm“ eine
Vision von Sheik Mohammed bin Rashid al Maktoum, ist für ihn ein
Projekt wie die Pyramiden, „es wird uns alle überleben“. Einkaufen
kann sich in dieser Welt freilich nicht jeder, der genügend Geld auf
dem Konto hat. Die Nakheel-Gruppe, die auch schon die Palme entwickelt
hat (wo Michael Schuhmacher und David Beckham Wohnsitze haben und Sol
Kerzne
r für 1,5 Millarden Dollar ein neues Atlantis erfindet), lädt
alljährlich 50 Auserwählte ein, bekannte und wohlhabende Leute, sich
ein Stück der Welt zu kaufen. Auch Deutsche waren schon darunter,
versichert Adnan, bisher haben sie allerdings bei Deutschland noch
nicht zugegriffen. „Machen Sie Ihre Träume wahr“, fordert ein
Werbe-Video, „nur die Fantasie setzt Ihnen Grenzen“.
Dieser Slogan gilt vor allem für den visionären Sheik, der Dubais
Gesicht neu formt. „Hier entsteht Geschichte“ heißt es etwa am Burj
Dubai
, der auf alle Fälle der höchste Turm der Welt werden soll, höher
als Taipeh 101, immerhin schon stolze 508 Meter hoch. Rund 350 Meter
haben die Bauarbeiter, die rund um die Uhr arbeiten, den Burj Dubai
schon in die Höhe geschraubt. Damit überragt er die bisher höchsten
Wolkenkratzer Dubais, die Emirates Towers. Hier wie auch im neuen
Stadtteil Dubai Marina, wo einmal 150 000 Menschen wohnen sollen,
bestimmen Kräne die Silhouette der Stadt. 22 Prozent aller Kräne auf
der Welt sollen hier stehen. Dubai baut seine Zukunft – und seine
Geschichte gleich mit. In Bastakiya entsteht auf den Ruinen eines alten
Ortes ein Museumsdörfchen und das Luxushotel Medinat Jumeirah ist
einem arabischen Dorf nachempfunden samt Windtürmen und einer ganz
unarabischen Lagune. Bis 2009 soll es auch eine Metro in Dubai geben.
So eine Schnellbahn ist bitter nötig, derzeit fährt das Land
siebenspurig in den Stau. Kein Wunder bei der Motorisierung der
Einheimischen. Sechs Autos hat Leylas Familie in der Garage stehen,
eines davon gehört dem Chauffeur. Die Weltenschöpfer drohen am Verkehr
zu ersticken.
Aber das Motto des Emirats ist „reach further“, „greife noch weiter“.
Und das tut Dubai auch. Hier stehen die größte Skihalle der Welt, die
größte Shopping Mall und der größte Wildwasserpark außerhalb
Nordamerikas. Mit dem dritten Terminal soll der Flughafen von Dubai
eine Kapazität von 70 Millionen Passagieren jährlich haben (der neue
Flughafen von Bangkok schafft gerade mal 45 Millionen). Und draußen in
der Wüste entsteht für fünf Milliarden Dollar DubaiLand, das größte
Unterhaltungszentrum der Welt mit sechs Themenwelten. Die Skihalle dort
wird dreimal so groß sein wie die bisherige und wieder einmal die
größte der Welt sein.
Wie sagte Leyla: „Wir holen uns das beste aus allen Welten.“ Dubai
erfindet sich jeden Tag neu. Willkommen im Übermorgenland.

2 Kommentare
  • Rolf Wirth
    Januar 13, 2007

    Dieser Artikel gestattet Einblicke in die Lebens- und Denkweise der Emiratis. Ich finde diesen Text überzeugend. Frage mich allerdings, in welchen Zusammenhang ist er geschrieben. Eventuell aus einem Reisebuch stammend und wer ist der Autor?
    Danke für Ihre Antwort.
    Rolf Wirth

    • Lilo Solcher
      Februar 20, 2007

      Der Artikel entstand anlässlich einer Pressereise und entstammt deshalb natürlich nicht einem Reisebuch, sondern wurde aktuell recherchiert. Autorin ist Lilo Solcher

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