Des Helden Kindheit

Zorro
(Buch)
Autor: Isabel Allende, Svenja Becker
Verlag: Suhrkamp
Erschienen am: 2007-04-25
Seiten: 443
ISBN: 3518458612

Isabel Allende gibt der Legende Zorro in ihrem neuen Roman eine Biographie. Haben wir die chilenische Erfolgsautorin bei einem Ausflug im Courths-Mahlerschen Kitsch ertappt? Dieser Gedanke ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Isabel Allendes neuer Roman über den Kämpfer für Gerechtigkeit Diego de la Vega, der sich Zorro (der Fuchs) nennt, ist eine Gratwanderung, bei der die Erzählerin zuweilen abzustürzen droht. Trotzdem: Mit gewohnter Erzähllust schafft es Isabel Allende, dem populären Mythos vom Mann mit der Maske nicht nur eine erdachte Kindheit zu geben, sondern ihn auch in spannender Geschichtsrealität zu verankern.
Erzählt werden die ersten 20 Lebensjahre des Diego de la Vega: Wie er Ende des 18. Jahrhunderts als Sohn eines spanischen Edelmannes und einer Mestizin geboren wurde, wie seine Mutter, die ihre Stammesbrüder in den Kampf gegen die Spanier führte, in ihrem Sohn den Sinn für (Un-)Gerechtigkeit weckt, den sein indianischer Milchbruder Bernardo noch verstärkt. Ohnmächtig müssen die beiden Heranwachsenden ansehen, wie ein Indianerstamm vernichtet wird ­ um einem weißen Machthaber mehr Land zu verschaffen.
Eine Lichtgestalt in der Dunkelheit dieser Epoche ist Pater Mendoza, der „seinen” Indianern mit Menschlichkeit begegnet. Er und seine indianische Großmutter, die Schamanin „Weiße Eule” helfen Diego bei der Sinnsuche. Vervollständigt wird die Erziehung des Helden dann in Barcelona, wo er sich unglücklich verliebt, zu fechten lernt und einer Geheimloge, die der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen will, beitritt. Doch noch ist die Zeit nicht reif für Reformen: Der mächtige Adel will sich von seinen Privilegien nicht trennen und unterjocht das Volk. Wer dagegen opponiert, verschwindet in den Kerkern der Stadt ­ wie Tomas de Romeu, Diegos Wohltäter und Vater der angebeteten Juliana. Zeit für Zorro, den Rächer der Enterbten!
Isabel Allende gönnt ihrem Helden eine außergewöhnliche Entwicklungs- und Reifezeit, angefüllt mit Abenteuern und bösen Erlebnissen, die eben seinen Sinn für die Gerechtigkeit schärfen. So erfahren wir, wie aus einem schmächtigen Jungen mit Segelohren der Mann mit der Maske wird. Diego ist kein glatter Held, er ist eitel ­- die Maske verbirgt die abstehenden Ohren ­, selbstsüchtig ­ – manche Aktionen sind Imponiergehabe ­ und unfähig zu einer Liebesbeziehung ­- seine Anbetung gilt Frauen, die für ihn unerreichbar bleiben. Nur Bernardo steht ihm wirklich nahe ­ und Isabel, Julianas unscheinbare Schwester und die Chronistin dieser Geschichte.
Mit der Einführung ihrer Namensvetterin als Erzählerin stellt Allende Distanz zum Helden her. Die freche Göre und später die spöttische junge Frau will „ihre Leser nicht zu Tode langweilen”. „Aus ebendiesem Grund habe ich die denkwürdigen Ereignisse ein wenig ausgeschmückt, habe großzügig Adjektive gestreut und Diegos Heldentaten mit etwas Spannung gewürzt.” Diese „dichterische Freiheit” der beiden Isabels sorgt für die nötige ironische Brechung und manövriert das galante Heldenepos (fast) souverän durch die Klippen des Kitsches. So gelingt es der 62-jährigen Bestsellerautorin nach ihren Ausflügen in die Jugendliteratur, ihrem Lieblingshelden ein literarisches Denkmal zu setzen. Und so knüpft sie an ihren großen literarischen Erfolg „Das Geisterhaus” an, bei dem sie eine lange Geschichte viel zu kurz erzählte.
Isabel Allende: „Zorro”, aus dem Spanischen von Svenja Becker, Suhrkamp Verlag, 444 Seiten, 22,80 Euro

Es gibt bisher keine Kommentare.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert