Das Hotel war nach zwei Kriegen praktisch ruiniert. Der wahrgewordene Traum des Henri Negresco, ein Wahrzeichen der Belle Epoque, im Zentrum der Promenade des Anglais drohte zum Alptraum zu werden. Doch Totgesagte leben länger und das Negresco gehört heute wieder zu den Leading Hotels of the World. Für die Reichen und Schönen ist das 90-jährige Hotel die Adresse in Nizza.
Das Wunder vollbracht haben Jeanne und Paul Augier, die mit viel Arbeit, Geld und Einfühlungsvermögen dafür sorgten, dass das Haus wieder in altem Glanz erstrahlt. Dabei suchte Jeanne Augier 1957 eigentlich nur eine standesgemäße Wohnstätte für ihre an den Rollstuhl gefesselte Mutter. Das Negresco hatte einen Fahrstuhl, und was für einen. Einmal im Hotel zu Hause, sah Madame es als ihre Pflicht an, im Negresco ihren Traum von dem etwas anderen Hotel zu verwirklichen. Denn Madame fand es schon immer langweilig, wenn ein Hotel aussieht wie das andere.
Das Negresco aber ist einmalig. Die Kunstmäzenin, die mit Niki St. Phalle ebenso befreundet war wie mit Picasso oder Cocteau, hatte die Idee, in ihrem Hotel die Geschichte Frankreichs und der französischen Kunst nachzuzeichnen. So ist jedes Stockwerk einem anderen Jahrhundert gewidmet. Bilder, Möbel und andere Accessoires, von Madame liebevoll zusammengetragen, passen in ihre Zeit. Auch die Zimmer und Suiten fügen sich ins Thema. Dabei hat die Dame des Hauses keinerlei Berührungsängste. Im grandiosen Salon Royal steht eine ganz und gar nicht diskrete Nana neben einem großformatigen Gemälde aus dem 18. Jahrhundert, macht sich Op-Art neben Naturalismus breit.
Zirkus ist das Thema im fröhlichen Bistro Caroussel Pompadour. Denn Madame Augier, die heute noch in der Kuppel ihres Hotels residiert, ist überzeugt davon, dass in jedem Erwachsenen ein Kind steckt. Ihr Konzept ging auf. Die großen Namen aus Film und Showbusiness sind ebenso Legion wie die aus Politik und Wirtschaft. Auch die Queen genoss schon die Gastfreundschaft Mme. Augiers ebenso wie König Saud, Claudia Schiffer oder die Beatles. Romy Schneider und Alain Delon liebten sich hier und Richard Burton schenkte seiner angebetenen Liz Taylor eine Kette mit Türkisen. Anthony Quinn reiste mit 20 Koffern an und fuhr mit dem Fahrrad durch Nizza, wobei ihm seine Frau im weißen Cadillac folgte.
Ja, es gibt viel zu erzählen in einem solchen Hotel. Auch Michael Jackson machte Geschichten, obwohl er sich jeden Tag in eine andere Person verwandelte, um ja nicht erkannt zu werden. Wer wollte auch in dem Hotelpagen den King of Pop erkennen oder gar in dem leichten Mädchen? Von Bundeskanzler Schröder oder dem spanischen Präsidenten Aznar gibt es solche Geschichten nicht. Sie waren schließlich in Nizza, um zu arbeiten beim europäischen Gipfeltreffen 2000. Und so auffällig wie die von Prinz Turki, dem Bruder des saudischen Königs, war die Ankunft der Politiker wohl auch nicht. Der kam mit einem Tross von 50 Leuten in zwei Jets. Einer davon beförderte nur das Gepäck, 1000 Stücke insgesamt, darunter Fernseher, Videorecorder und persönliches Mobiliar. Madame Augier lässt sich durch solche Launen nicht aus der Ruhe bringen. Sie ist es gewohnt, den prominenten Gästen ihren Willen zu lassen. Denn auch sie sind es, die das Negresco zu einer Institution unter den Hotels gemacht haben.
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Hotel Negresco, Promenade des Anglais, B. 1379, F-O6007 Nice Cedek 1, Tel. 0033/493/166400, Fax 883568, e-Mail: reservations@hotel-negresco.com, www.lhw.com