Brunetti kommt ins Schwitzen: Donna Leons „Auf Treu und Glauben“

Es ist heiß in Venedig, brütend heiß. Aber nicht nur deshalb kommt Commissario Brunetti ins Schwitzen. Es ist der rätselhafte Tod eines städtischen Angestellten, der ihm den Schweiß auf die Stirn treibt. Dabei hätte sich der Commissario eigentlich mit seiner Familie in den kühleren Bergen Südtirols erholen sollen. Doch Mörder kennen keinen Urlaub.

Und zu den Ermittlungen um den toten Angestellten, dem von allen
Befragten Fleiß und Zuverlässigkeit bescheinigt werden, kommt noch das
Ansuchen seines Freundes Vianello, der sich um seine Tante sorgt. Sie
scheint ihr hart erspartes Geld mit vollen Händen auszugeben. Ist sie
einem Scharlatan auf den Leim gegangen? Ohne die ebenso kühle wie
clevere Signorina Elletra würde Brunetti in beiden Fällen kläglich
scheitern. Nur ihren Beutezügen im Internet ist es zu verdanken, dass er
die dunklen Machenschaften erkennen und – wieder einmal – gegen den
Widerstand des Vice Questore die Verdächtigen dingfest machen kann.
Dabei kommt Brunetti auch in seinem 19. Fall betrügerischen Seilschaften
zu Lasten der weniger privilegierten Venezianischen Gesellschaft auf
die Spur. Das unglückselige Opfer war darin verwickelt, musste aber
nicht diesen Fehltritt mit dem Leben bezahlen. So einfach gestrickt sind
Brunettis Fälle nie. Auch diesmal entwickelt Donna Leon ein
verwirrendes Beziehungsgeflecht, in dem der Commissario reichlich zu tun
hat, um die losen Fäden zu verknüpfen. Weil Paola und die Kinder
während dieser Zeit Südtiroler Höhenluft schnuppern, entfallen die
alltäglichen Familienrituale. Dafür darf Brunetti über Freundschaft
nach- und sich auf seinen geliebten Tacitus besinnen. Ein Krimischocker
kann aus solchen Zutaten nicht entstehen, wohl aber ein gut
geschriebener, spannender Roman, gewürzt mit viel Lokalkolorit und
Donna-Leon-eigener Venedig-Kritik: „Brunetti wusste, auch wenn Patta
Sizilianer war, hatte er in Venedig lange genug unter Politikern und
jenen verkehrt, die hier als High Society galten, um den venezianischen
Glauben an den Tourismus verinnerlicht zu haben. Opfert kleine Kinder,
treibt die Einwohner zusammen und verkauft sie als Sklaven, massakriert
alle wahlberechtigten männlichen Bürger, bringt Jungfrauen auf den
Altären der Götter dar: Tut das alles und mehr, aber rührt mir weder
Touristen noch den Tourismus an. Das Schwert des Mars war nicht so
mächtig wie ihre Kreditkarten; sie waren die wahren Eroberer.“
Info: Donna Leon, Auf Treu und Glauben, Commissario Brunettis neunzehnter Fall, Diogenes, 316 S., 22,90 Euro  

Es gibt bisher keine Kommentare.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert