Steiermark-Kaleidoskop

Steiermark, Piber

Die Steiermark ist ein ganz anderes Stück Österreich, eines ohne hohe Berge mit sanften Hügeln wie in der Toskana. Ein Genussland, in dem Wein und Kernöl fließen. Ein Kulturland mit der Hauptstadt Graz, Weltkulturerbe, Kulturhauptstadt 2003, Studentenstadt. Fünf Bilder aus der Steiermark:

Grazer Gegensätze
An die „Pensionspolis“ der k.u. k.-Monarchie erinnert in Graz nichts mehr. Im Gegenteil: 40 000 Studenten halten die 245 000-Einwohnerstadt jung und sorgen dafür, dass auch die Altstadt, seit 1999 Unesco Weltkulturerbe nicht zu einem Freiluftmuseum verkommt. In vielen der 50 Innenhöfe spielt im Sommer die Musik. Einer der schönsten, den „Hof der Grazer Landhäuser“ aus dem 16. Jahrhundert, hat das Landesparlament für sich gepachtet. Im barockisierten Flügel sitzt die steirische „Landstube“ und der Sessel des Landeshauptmanns in dem Rokoko-Saal ist auch heute noch für Besucher tabu. Draußen in der Herrengasse können sie dafür was erleben und mit dem gläsernen Lift (ein Überbleibsel des Kulturhauptstadtjahres 2003) den Überblick behalten. Einen Euro kostet es, einmal hinauf- und wieder hinunterzufahren. Auf den Mehlplatz freilich sieht man auch von oben nicht. Auf Graz’ populärstem Platz, auch Bermuda-Dreieck genannt, kann man schon mal verloren gehen oder in einer der vielen Kneipen abstürzen. Vielleicht tat das auch Arnold Schwarzenegger, früher Terminator heute Gouverneur von Kalifornien. Obwohl Arnie in seiner Heimatstadt nicht mehr so gern gesehen ist wie anfangs, wollen doch viele Grazer mit ihm im Sandkasten gespielt haben. „So eine große Sandkiste gibt’s gar nicht“, kommentiert Historiker Dr. Werner Petermandl, der sich hin und wieder als Fremdenführer verdingt. Gefallen findet er an der Tatsache, dass Graz in diesem Mozartjahr „eine Mozart freie Zone“ ist, auch wenn hier das älteste Mozartdenkmal steht. Als Grazer sei man eher stolz auf Robert Stolz, den Operetten-Komponisten, der unter den Nationalsozialisten in die USA emigrierte. Seine Musik machte ihn unsterblich. Andere zahlten dafür wie der Schnaps- und Spirituosenhändler Gottfried Maurer, der sein Haus mit einem Glockenspiel krönte, das heute noch um 11, 15 und 18 Uhr auf dem Glockenspielplatz ertönt. Oder wie Erzherzog Ferdinand von Innerösterreich, als Ferdinand II. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, der sich schon zu Lebzeiten ein Mausoleum errichten ließ. Der Kaiser ruht noch heute in dem imperialen Bau. Die lebenden Habsburger hielten jedoch kaum Hof in Graz, auch wenn Friedrich III. zehn Jahr von Graz aus regierte. Er ließ die Grazer Burg in der Hofgasse als Stadtschloss errichten. AEIOU ist in die Wand gemeißelt, darüber das Entstehungsjahr 1452. Immer noch brüten die Historiker über der Bedeutung der Buchstabenfolge. „Alles Erdreich ist Österreich untertan“ buchstabiert ihr Kollege Petermandl nicht ohne Ironie. Friedrichs Sohn, Kaiser Maximilian I., hinterließ der Nachwelt Zwiespältiges in Stein: eine der bedeutendsten Treppenanlagen Europas, in Graz als Busserl-Stiege geschätzt. Die Doppelwendeltreppe besteht aus zwei gegenläufigen Treppen, die in jedem Stockwerk für ein paar Stufen verschmelzen, Symbol für die Ewigkeit oder für getrennte Wege, die wieder zusammen führen. Wieder einmal eingerüstet ist die Grazer Oper, das zweitgrößte Opernhaus Österreichs aus dem Jahr 1899. 1906, als Graz die erste Salome auf eine österreichische Bühne schickte, saßen Puccini, Mahler, Schönberg und Berg im Parkett. Heute ist das große Haus „manchmal zu groß“ für die Stadt. Dennoch, auch als Kulturhauptstadt wagte man Großes. Das Kunsthaus mit der Multimedia-Fassade verschlang immerhin 40 Millionen Euro. Dafür kann das Haus mit der Umgebung kommunizieren. Es „buhrt“ sagen die Grazer und meinen damit, dass es tönt und blinkt. „Aber man versteht’s nicht“, schränkt Petermandl ein. Die Architekten nannten das Haus „friendly alien“ und so wirkt es auch mitten in der eher barocken Stadt, die sich in den blauen Acrylglasplatten über der gerundeten Fassade spiegelt. Sie ähnelt einer blauen Blase, die am „eisernen Haus“ hängt. Die Gusseisen-Stahl-Konstruktion des 1847 errichteten Hauses wurde für die Kunsthaus-Konstruktion freigelegt. Vom Glasgang aus, der beide Teile verbindet, hat man den besten Überblick über die Mur bis hin zum Schlossberg mit dem Wahrzeichen der Stadt, dem Uhrturm.

Tipps für Graz:
Schlafen: Hotel Weitzer, wenige Minuten vom Kunsthaus entfernt mit Blick auf den Schlossberg, ÜF bei Dertour ab 69 €, www.dertour.de
Essen: Starcke-Haus auf dem Schlossberg, kulinarische Genüsse mit Aussicht im schönen Gastgarten www.starcke.at
Schauen: Noch bis 28. März ist im Volkskundemuseum der Haribo-Bär los. Das Museum präsentiert die Erfolgsgeschichte der Kultmarke zum Anschauen, Anfassen, Riechen und Kosten. Öffnungszeiten Di-So 10 -17 Uhr. Bei der Steiermark-Info gibt’s gratis einen Folder zu „Moderne Architektur Graz“: info@steiermark.com
Staunen: Graz Tourismus bietet ein Wochenend-Arrangement zu „Wein und Architektur“ (13. bis 15. Juli und 24. bis 26. August) Zwei HP im DZ, Weinbegleitung, Architekturführung in Graz, Weinarchitekturführung mit Weinverkostung, Brettljaus und mehr ab 196 Euro pro Person: www.graztourismus.at
Naschen: In der ältesten Konditorei von Graz, Strehly in der Sporgasse (seit 1596) gibt’s die traditionellen Schlossberg-Kugeln, für die der Konditor sogar eine Goldmedaille einheimste, www.schloßbergkugel.at

 

Kunst und Kirche

Hundertwasser, Friedensreich. Der Künstler mit dem eigenwilligen Namen hat der Steiermark seinen Stempel aufgedrückt. Das Rognerbad Blumau mit seinen schwellenden Formen ist eine der Hauptattraktionen im steirischen Thermenland. Doch wer hätte gedacht, dass der exzentrische Künstler auch fromme Taten vollbracht hat? Die Kirche in Bärnbach, schon von weitem mit ihren goldenen Türmchen und fantasievollen Bemalungen als Hundertwasser-Bauwerk erkennbar, erzählt davon. „Der Meister“, so berichtet die Führerin immer noch voller Ehrfurcht, habe selbst mit Hand angelegt beim Umbau der alten Kapelle zu einer repräsentativen Kirche. Als „großer Perfektionist“ habe Hundertwasser alles geregelt „bis zum letzten Pflasterstein“. Die ganze Kirche steckt voller Symbole und der Weg zu ihr – mal schmal mal breit, mal oben mal unten – spiegelt den Lebenslauf. Die (inzwischen von Unkraut) überwucherten Tore beziehen die anderen Religionen mit ein – es gibt auch ein Tor für Atheisten. Zehn goldene Kugeln stehen für die Zehn Gebote. Den Vergolder, so weiß es die Führerin, zahlte der Künstler selbst. Nach einem Deal mit dem Pfarrer. Weil Hundertwasser auch zur feierlichen Einweihung des Gotteshauses seine alten Sandalen tragen wollte – für neues Schuhwerk hätte er kein Geld, sagte er – kaufte ihm der geistliche Herr ein Paar ordentliche Schuhe. Hundertwasser revanchierte sich und zahlte für das Gold der Kugeln, dafür war ihm sein Geld nicht zu schade. Drinnen ist die Kirche eher nüchtern, der Blick wird magisch angezogen von dem großen Strahlenkranz, der das Kreuz umgibt: einen Christus ohne Dornenkrone, für Hunderwasser Symbol des Vollendeten. Echt Hundertwasser ist das leuchtend farbige Glasfenster über dem Taufstein, eine Spirale des Lebens. Sieben Mal hat er es immer wieder geändert, erst den achten Entwurf ließ er gelten.
Tipp: Die Kirche ist von 7.30 Uhr bis zum Einbruch der Dunkelheit geöffnet. Informationen beim Katholischen Pfarramt, Piberstr. 15, Bärnbach, Tel. 0043/3142/6581. Für Führungen ist eine Voranmeldung nötig. Infos zum Ort unter www.baernbach.at

Liebe zu Lipizzanern

Alois Sorge liebt Schimmel, Lipizzanerschimmel. Der dürre Mann mit dem schütteren Haar ist seit 40 Jahren auf dem Bundesgestüt Piber und er hat viele edle Hengste kommen und gehen sehen. Sorge ist zuständig für die Deckhengste und dafür, dass der Nachwuchs für die Hofreitschule in Wien Klasse hat. 240 Pferde stehen zur Zeit in Piber: alte Hengste, die hier ihr Gnadenbrot bekommen, und Stuten mit ihren Fohlen. Sechs Hengststämme und 18 Stutenfamilien zählt Sorge in Piber. Als Brandzeichen tragen sie die Kaiserkrone, das „P“ für Piber und ein „L“. „Sonst glaubt man ja nicht, dass es ein Lipizzaner ist“, erklärt Sorge die Mehrfach-Tätowierung. Gezüchtet wird übrigens in vier Schimmelarten: Apfel-, Forellen-, Milch- und Mischschimmel. Die Fohlen kommen dunkelhaarig zur Welt, verlieren ihr Fohlenhaar und verfärben sich erst im Lauf der Zeit. Manche brauchen zehn bis zwölf Jahre dazu, andere schaffen das reine Weiß schon in drei Jahren und manche bleiben ihr Leben lang braun. In der Hofreitschule ist immer ein brauner Lipizzaner dabei – als Maskottchen.
Jetzt sind die Fohlen noch bei ihren Müttern, doch nach sechs Monaten werden sie getrennt. Dann beginnt für die jungen Lipizzaner der Ernst des Lebens. Acht bis zehn Tage nach der Geburt eines Fohlens wird die Stute wieder gedeckt. Für Pferdefreund Sorge eine Selbstverständlichkeit: „Das ist ganz normal. Die Stute wird rossig und verlangt nach dem Hengst.“ Er muss es wissen, schließlich ist er bei jeder Deckung dabei – es sei denn, er hat einmal frei, dann gibt es eine Vertretung. 333 Tage trägt die Stute ihr Fohlen nach einem solchen „Natursprung“ (in Piber wird nur in Ausnahmefällen besamt) aus, bis zu 14 kann sie gebären. Doch bevor eine Stute in die Zucht für die Hofreitschule aufgenommen wird, muss sie eine Leistungsprüfung bestehen. Der Name Piber verpflichtet.
Tipp: Eine Tageskarte fürs Hofgestüt kostet elf Euro für Erwachsene. Enthalten ist die Führung durchs Gestüt ebenso wie das kleine Museum, wo auch ein persönlicher Jagdwagen von Kronprinz Rudolf zu sehen ist). Auch ein Kinderspielplatz ist integriert samt Fahrsimulator und Kinderkino. Am Donnerstag und am Sonntag können Besucher auch mit der Kutsche fahren. Öffnungszeiten bis 2. November: 9 bis 17.30 Uhr, Führungen zwischen 9 und 11, 13 und 16 Uhr. Tel. 0042/3144/3323, www.piber.com

Weinselig

„Beim ersten Schluck beutelt’s einen, beim zweiten Schluck wird man neugierig und beim dritten Schluck kann man nimmer aufhören,“ Peter Haarer, Chef der Vinothek in St.Anna am Aigen spricht von einem besonderen Wein, rosefarben mit floraler Duftnote un dem Geschmack nach Holunderblüten, Himbeeren und Stachelbeeren. Der Schilcher gehört zur Steiermark wie die Sachertorte zu Wien. Aber er ist nicht jedermanns Sache. In der steirischen Vinothek können Weinfreunde deshalb auch andere Wein verkosten, den Traminer etwa aus Klöch aus einer eher „pummeligen Traube“, den feinherben Welschriesling mit der leichten Apfelnote oder den Semmling, „a Blumenwesen“, wie Sommelier Ljubo Vjuljaj (man merkt, St. Anna ist Grenzort, nahe an Slowenien) schwärmt. Im Duett mit dem rundlichen Chef, dem die Freude am Genuss ins feiste Gesicht geschrieben ist, singt der schmale „Vinothekar“ das Hohe Lied des steirischen Weins und macht die Gäste so selig, dass sie auch gerne kaufen. Weine von 100 Winzern werden in dem Glashaus mit Blick nach Slowenien präsentiert. 55 000 bis 60 000 Flaschen gehen jährlich über die Verkaufstheke, im ersten Jahr 1993 waren es gerade mal 4000. Kein Wunder, dass die Winzer anstehen, um sich hier mit ihren Weinen zeigen zu können. „Die Creme de la Creme“, so Haarer zufrieden, stünde derzeit auf der Warteliste, nachdem sie die Vinothek anfangs boykottiert hatten. In Seminaren können auch Laien an ihren Geschmacksnerven arbeiten. Aber: „Wein, das musst ewig lernen“, sagt Haarer. „Da haben wir schon so manchen Weinpapst aufs Glatteis geführt.“ Dann nämlich, wenn der Wein namenlos ins Glas kommt. Und auch das Glas – ob bauchig oder schmal, mit großer oder kleiner Öffnung – spielt eine wichtige Rolle. Derselbe Wein ist in unterschiedlichen Gläsern kaum wieder zu erkennen. Nicht jeder gute Tropfen ist schließlich so eigenwillig wie der Olivin, „granatrot mit dem Geschmack nach Mokka, Schokolade und Waldbeeren“. Auch der Lavawein wächst in der Steiermark, dem Land der Vielseitigkeit.
Tipp: Im September findet in Klöch, der „Hauptstadt des Traminers“ das Pressfest statt, bei dem auch Gäste die Trauben mit den Füßen treten dürfen: www.kloecher-traminer.at
In der gesamtsteirischen Vinothek kann man in zwei Tagen zum steirischen Mundschenk werden: www.gesamtsteirische-vinothek.at
In St. Anna am Aigen durchwandert man auf dem Weinweg der Sinne sogar einen Barrique-Tunnel aus Eichenholz, der Einkehrschwung ist inklusive: Gesamtsteirische Vinothek, Marktstr. 6, A-8354 St. Anna am Aigen, Tel/Fax 0043/3158/2801, E-Mail: wein@gesamtsteirische-vinothek.at

Auf der Ölspur

„Willst du in Zukunft die Männer reizen, darfst du nicht mit dem Kernöl geizen.” Bei Gernot Becwar hat wohl niemand mit Kernöl gegeizt. Die grüne Schürze steht über dem Bauch wie eine sich im Wind blähende Fahne und unter der weißen Haarpracht strahlt ein rundes, fröhliches Gesicht. Der Chef der Ölmühle Herbersdorf ist ein Genussmensch wie aus dem Bilderbuch und seine Mühle läuft dank dem grünschwarzen Gold wie geschmiert. „Der Kürbis ist eine Beerenfrucht“, doziert er und wir erinnern uns an Günter Jauch. „Die größte Beere der Welt.“ Immerhin 674 Kilo soll der schwerste Kürbis gewogen haben. 1000 Sorten Kürbis gibt es, aber nur der steirische Ölkürbis hat einen schalenlosen Kern. Wie das? „Eine Zufallsmutation vor 100 Jahren“, weiß Gernot Becwar. Lange vorher wurde in der Steiermark Kürbiskernöl gewonnen. Schon 1575 sei in der Nachbarschaft Kerbes-Kernöl erwähnt worden. Mit Hand und Mund mussten damals die Kürbiskerne von den Häutchen befreit werden. Eine mühselige Arbeit, bedarf es doch einer Menge von zweieinhalb Kilo Kürbiskernen (36 Kürbiss), um einen Liter Öl zu erzeugen. Heute geschieht die Ernte vollautomatisch. Denn die Steiermark ist auf der Ölspur: Kürbisse wachsen auf einer Anbaufläche dreimal so groß wie die der Weinberge. Auch bei der Herstellung des reinen Öls sind moderne Maschinen im Einsatz. Die Schritte sind jedoch die gleichen wie vor Hunderten von Jahren: mahlen, kneten, rösten, pressen. Der Ölmüller hat noch eine traditionelle Ölkuh in seinem Museum, Vorgänger der modernen Ölpresse. „Dunkelgrün muss das Öl sein“, sagt Gernot Becwar und deutet auf den satten Strahl, der aus der Presse quillt. Wie lecker das cholesterinarme Kernöl schmeckt, können die Besucher der Ölmühle Herbersdorf im 600 Jahre alten Gewölbekeller testen, wenn Hausherrin Ulrike Becwar das Kernölschmölzl auftischt, eine köstliche Eierspeise.

Tipp: Die Führung in der Ölmühle Herbersdorf kostet zwei Euro. Im Verkaufsraum kann man die Spezialitäten erwerben, die man im Gewölbekeller gekostet hat: A-8510 Rassach, Herbersdorf 9, Tel. 0043/3463/70002, E-Mail: oelmuehle@herbersdorf.at, www.oelmuehle.herbersdorf.at
Eine Genusstour für Selbstfahrer durch die Steiermark bietet Dertour an: Die Steirische Weinstraße – von Kürbis bis Wein“, fünf HP im DZ mit Infomaterial ab 379 €: www.dertour.de

Es gibt bisher keine Kommentare.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert