Die schönste Version von „Meine russische Großmutter und ihr
amerikanischer Staubsauger“ ermöglicht tiefe Einblicke ins Seelenleben
der ersten Siedler in Israel, der russischen Einwanderer und ihrer
Nachkommen. Großmutter Tonia jedenfalls ist ein starker Charakter, eine
Frau mit festen Prinzipien, die keinen Widerspruch duldet. Tagein tagaus
kämpft sie einen schier aussichtslosen Kampf gegen einen besonders
tückischen Feind – den Dreck. Da kommt ihr der amerikanische
Staubsauger, der Sweeper, zu Hilfe. Ein trojanisches Pferd, wie der
Großvater argwöhnt, kommt er doch von seinem Bruder, der sich dem Aufbau
des Staates Israel durch Auswanderung nach Amerika entzogen hat.
Auch Großmutter Tonja muss bald die Heimtücke des Geschenkes erkennen
und verbannt den Sweeper ins Badezimmer, dessen Betreten allen
Familienmitgliedern strengstens verboten ist. Sie könnten es ja
schmutzig machen. Doch damit ist die Geschichte längst nicht zu Ende,
denn der nach vielen Jahren Dunkelhaft ins Reich der Legenden
abgetauchte Sweeper hat eines Tages einen geradezu glamourösen Auftritt.
Meir Shalevs skurrile Familiengeschichte kann man oberflächlich als
hintersinnig-humorvolle Erinnerung an die Entstehungszeiten des Staates
Israel lesen, man kann aber tiefer schürfen und das Ganze als Parabel
mit politischer Brisanz lesen. Wie auch immer, vergnüglich ist die
Lektüre auf jeden Fall.
Info: Meir Shalev, Meine russische Großmutter und ihr amerikanischer Staubsauger, Diogenes, 281 S., 20,90 Euro.
13Jun. 2011
Eine saubere Sache: Meir Shalevs „Meine russische Großmutter und ihr amerikanischer Staubsauger“
„Eine Sprache muss viele Welten beschreiben: die reale Welt, in der sie lebt und wirkt, und die furchterregenden oder herbeigesehnten Phantasiewelten, in denen sie und ihre Sprecher leben oder nicht leben möchten.“ Meir Shalevs Sprache schafft diesen Spagat so locker, dass den Lesern am Schluss dieses Buches immer noch unklar ist, ob er nun eine wahre Geschichte erzählt hat oder sich die Pointen nicht doch aus den Fingern gesogen hat. Zumal für ihn der Satz gilt: „Gibt es von einer Geschichte mehrere Versionen, wählt man bei uns in der Familie die schönste.“