Als der 17-jährige Schüler Tim in Winnenden 15 Menschen und sich selbst erschoss, wurde auch das Blutbad wieder lebendig, das zwei Schüler vor zehn Jahren in der Columbine High in Littleton anrichteten. Wally Lamb („Die Musik der Wale“) diese Katastrophe zum Ausgangspunkt seines neuen, dicken Romans „Die Stunde, in der ich zu glauben begann“. Es ist ein Buch über die Condition humaine, über die Abgründe der menschlichen Seele und das Bedürfnis nach Liebe und Verständni, über Glaube, Liebe, Hoffnung.
Ein ehrgeiziger Roman, der seinem Leser viel Konzentration abverlangt, ihn aber dafür auch mit einer großen Portion Hoffnung und einer großartigen Geschichte belohnt. Dabei schlägt der Autor einen weiten zeitgeschichtlichen Bogen, wodurch er sowohl Littleton, den Krieg im Irak, den 11. September und den Wirbelsturm Kathrina berücksichtigen kann. Das erinnert dann schon mal an die Chaostheorie, die besagt, dass der Schlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas herbeiführen könnte. Und genau darum geht es Lamb auch: Um die großen Zusammenhänge zwischen äußeren Ereignissen und seelischen Zuständen, zwischen ungeklärten Familienverhältnissen und geistigem Wohlbefinden.
Das Leben von Caelum, einem nicht sehr erfolgreichen aber engagierten Lehrer gerät aus den Fugen, als seine Frau Maureen Zeugin des Littleton-Massakers und dadurch schwer traumatisiert wird. Im Versuch, seiner Frau aus ihrer tiefen Depression zu helfen, kommt Caelum widerstrebend sich selbst – und einem dunklen Familiengeheimnis – auf die Spur. Ganz nebenbei flicht Lamb da auch noch die Geschichte eines Frauengefängnisses mit ein, das Caelums Großmutter gegründet hat und in das Maureen eingewiesen wird, nachdem sie, zugedröhnt mit Psychopharmaka einen Jungen überfahren hat.
Neun Jahre hat der Autor an dieser Tour de Force durch Außen- und Innenwelten gearbeitet. Es hat sich gelohnt.
Info: Wally Lamb, Die Stunde, in der ich zu glauben begann, Pendo, 745 S., 22,95 Euro