Beklemmend: Ninni Holmquists „Die Entbehrlichen“

Die Entbehrlichen: Roman
(Buch)
Autor: Ninni Holmqvist, Angelika Gundlach
Verlag: Fahrenheit
Erschienen am: 2008-02-06
Seiten: 320
ISBN: 3940813001

Wer will schon gern entbehrlich sein? Dorrit ist es, genau mit Majken oder Johannes. Der Staat regelt die Einteilung und wer als Frau 50 ist, keine Kinder hat und keine Familie und auch sonst keine Verpflichtung, ist eben entbehrlich. Genau wie Männer ab 60. Damit solche Menschen noch zu etwas nütze sind, werden sie zum Ersatzteillager für die Benötigten.

Als es bei Dorrit soweit ist, wird sie aus ihrem Haus abgeholt. Ihren Hund hat sie schon abgegeben. Dort, wo sie ihr Leben beenden wird, gibt es keinen Platz für ihn. Auch sonst muss sie nicht viel mitnehmen, in der Einheit ist für alles gesorgt. Die luxuriöse Suite ist vollkommen eingerichtet und in den Boutiquen können die Bewohner sich nach Lust und Laune bedienen. Es gibt Sportplätze und Swimmingpool, Saunen und Massageräume, Restaurants und Bars und sogar einen Wintergarten – alles unter einem gläsernen Dach. Eigentlich müsste Dorrit froh sein, dass sie dem skandinavischen Winter entkommen ist, dass sie nicht mehr einsam in ihrem kalten Häuschen sitzt und nur mit ihrem Hund reden kann.
Eigentlich. Doch Dorrit fühlt sich wie unter eine Käseglocke. Sie spürt fast körperlich die allgegenwärtige Kameraüberwachung und sie leidet, als die erste Vertraute verschwindet. Die „Endspende“ ist das Todesurteil für alle in der Einheit und irgendwann ist jede(r) dran. Doch dann wird Dorrit schwanger – von Johannes, der viel zu spät in ihr Leben getreten ist. Und während sie glaubt, dank der Schwangerschaft doch noch „benötigt“ zu werden, hat Johannes schon alle Hoffnung aufgegeben.
Ninni Holmquist heißt die schwedische Autorin, die in ihrem bestürzenden, stilistisch klaren Roman eine vielleicht gar nicht so ferne Vision entwickelt. Die Utopie eines alles ordnenden Staates, in dem Kinder das Maß aller Dinge sind, weil sie die Zukunft sichern. Die Einteilung in Benötigte und Entbehrliche erinnert fatal an das „unwerte Leben“ in der Nazizeit. Nur dass in diesem Fall das entbehrliche Leben gehätschelt wird bis zum Schluss, der Endspende, damit sie so effektiv wie möglich ist. Beklemmende Aussichten.
Ninni Holmquist: Die Entbehrlichen, Fahrenheit, 269 Seiten, 19,90 Euro

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