Afrika mon Amour: Henning Mankells „Die flüsternden Seelen“

Die flüsternden Seelen
(Buch)
Autor: Henning Mankell
Verlag: Zsolnay
Erschienen am: 2007-02
Seiten: 256
ISBN: 3552053352

Mit den sozio-kritischen Kriminalgeschichten um den melancholischen Kommissar Wallander hat sich der schwedische Autor Henning Mankell einen Namen gemacht. Im Fernsehen liefern sich ARD und ZDF einen Wallander-Wettbewerb. Doch für den 59-Jährigen, der zeitweise in Mozambique lebt, ist anderes wichtiger: Sein neuester Roman „Die flüsternden Seelen” kreist um das Leid des Schwarzen Kontinents.
25 Jahre hat der Schriftsteller an diesem Buch gefeilt. Bei 250 Seiten sind das zehn Seiten pro Jahr. Und auf den ersten Seiten kommt der „Roman” auch so bedeutungsschwer daher, dass man sich in ein Seminar über die Sünden des Kolonialismus versetzt fühlt. Dass Mankell seine Eindrücke auch noch poetisch verbrämt, macht die Oberlehrer- und Moralisten-Attitüde nicht besser. Irgendwie kommt einem das alles sattsam bekannt vor: die bösen Weißen und die guten Wilden, eine Schwarz-weiß-Zeichnung ohne jede Schattierung. Doch wer hier schon entnervt aufgibt, hat das Beste versäumt.
Irgendwie gelingt es Mankell dann doch, den allwissenden Erzähler mundtot zu machen und die flüsternden Seelen zum Leben zu erwecken. Es sind herzergreifende Geschichten, die er miteinander zu einem Erzählteppich verwebt, in dem sich die leidvolle Geschichte des schwarzen Kontinents abzeichnet. Geschichten von Eroberung und Gewalt, von Ohnmacht, Armut und Ausweglosigkeit. Es sind Bilder, die sich hartnäckig im Kopf festsetzen wie das vom einsamen Klavier am Strand, das flüchtende Weiße zurückgelassen haben oder das der missgebildeten Peina, die sich kriechend bis zum Meer schleppt. Das von der Bäuerin Marta, die mit ihrem Baby von einer Mine zerfetzt wird oder das des alten Alberto, der sich barfuß auf Wanderschaft macht, um die Sagen und Märchen Afrikas in seinem Kopf zu sammeln.
Der Erzähler Mankell tritt hinter seine Personen zurück und lässt ihnen so ihr Eigenleben und ihre Würde. Statt seiner darf der alte Schwarze Felisberto in die Rolle des Erzählers schlüpfen und von seiner weit verzweigten Sippe berichten. Selbst dem Erzkolonialisten Dom Estefano widerfährt so Gerechtigkeit ­ auch er ist Opfer der Verhältnisse wie sein
Diener Felisberto oder wie die schöne Belina, die ihren Körper verkauft um ihre Seele zu retten. Wie Lukas, der in der Welt der Weißen nicht glücklich werden konnte und schließlich seine Seele verpfändet, um wenigstens seine
Frau mit einer Trommel glücklich zu machen.
Es ist ein Raunen von Schicksalen in diesem Buch, das wie eine Endlosschleife die Grundmelodie wiederholt. So wie die uralte Samima, die schon tot ist und doch lebendig: „Und Samima dachte, das Geheimnis sei einfach, daß Afrika immer des schwarzen Mannes Last und des weißen Mannes Rettung gewesen war.” Wer dieses Buch gelesen hat, kann nur hoffen, dass dieses Geheimnis bald Geschichte wird.

Info: Henning Mankell: Die flüsternden Seelen, Zsolnay, 254 S., 21,50 Euro

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