Es ist still geworden um fridays for future, Krisen und Kriege haben den Klimawandel verdrängt – trotz alarmierender Berichte über Überschwemmungen, Waldbrände und Gletscherschmelze. Vor allem im Tourismus sieht es nach „business as usual“ aus, ganz so, als könnten wir so weitermachen wie bisher. Dabei wissen Veranstalter ebenso wie Destinationen durchaus um die Risiken ihres Geschäfts mit der Reiselust. Mit möglichen Konsequenzen beschäftigte sich das Ammerländer Gespräch des Studienkreises für Tourismus unter dem Arbeitstitel „Risiko Klimawandel? Destinationen und Veranstalter unter Druck. Welche Konsequenzen ist die Branche bereit zu ziehen?“
Die Säulen der Nachhaltigkeit
Ambros Gasser von ASI Reisen, vor 61 Jahren als Alpinschule Innsbruck von seinem Vater gegründet, hat schon Konsequenzen gezogen – hin zu mehr Nachhaltigkeit. Er sieht die Veranstalter im Spannungsfeld zwischen den drei Säulen der Nachhaltigkeit, Ökologie, Ökonomie und Soziales. Allzu oft werde Nachhaltigkeit auf den Klimawandel reduziert. Aber ohne die wirtschaftliche und die soziale Seite sei sie nicht umsetzbar, ist Gasser überzeugt. ASI habe 100 Länder im Angebot. Dort wolle man Erlebnisse schaffen, die nachhaltig in Erinnerung bleiben. Diese Angebote müsse man auch von der lokalen Community her denken, wobei die lokale Wertschöpfung ein bedeutender Faktor sei.
Ganzheitlicher Ansatz
Die Plattform für nachhaltige Aktiv- & Rundreisen öffnet ASI auch für andere Erlebnisveranstalter weltweit, deren Angebote für ASI Kunden interessant sein könnten. Der Klimawandel verändert allerdings schon jetzt das Angebot. Zum Beispiel bietet ASI im August keine hochalpinen Touren in den Westalpen mehr an. Und wegen der Häufigkeit der Naturkatastrophen müssten die Veranstalter mit erhöhten Kosten rechnen. Grundsätzlich spricht sich Gasser für einen ganzheitlichen Ansatz aus: Flugreisen reduzieren, wo nötig kompensieren, und vor Ort die Wertschöpfung erhöhen. Er sieht keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Die Reiseunternehmen seien Krisen erprobt und würden schon aus Eigeninteresse eine praktikable Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln.
Luxus und Artenschutz
Die Luxustochter Windrose, die ASI vom insolventen Münchner Veranstalter FTI übernommen hat, sieht Gasser dabei nicht als Problem. Im Gegenteil: Luxus könne beim immens wichtigen Artenschutz helfen und auch dabei, den schon vorhandenen Tourismus eine Idee besser zu machen.
Politik in der Pflicht
Während der Innsbrucker davon ausgeht, dass es vor allem Sache der Reiseunternehmen ist, eine nachhaltige Entwicklung im Tourismus zu fördern und den ökologischen Fußabdruck zu verringern, plädiert Peter Jelinek, Gründer der Campaigning Plattform Goodforces, dafür, die Politik in die Pflicht zu nehmen. Sie müsse den Rahmen für die Stabilität schaffen, die Tourismus erst möglich mache. Es gehe letztlich darum, wie wir mit dem Planeten umgehen, „den wir über Jahrhunderte übernutzt haben“. Die Folgen trügen die Menschen vor Ort und nicht die Touristen. Auch deshalb müsse sich der Tourismus stärker in die Politik einbringen, betont Jelinek, der am Green Deal der EU mitgearbeitet hat.
Nicht auf Knopfdruck
Dass ein Umdenken im Tourismus nötig ist, bezweifelt kaum jemand in der Gesprächsrunde. Um den Klimawandel zu aufzuhalten müsse man für einen möglichst kleinen CO2-Fußabdruck sorgen – wenn nötig auch gegen den Willen der Reisenden. Allerdings sehen die Akteure auch die Probleme. Zum Beispiel, wenn es darum geht, klassische Badeurlauber bei zunehmender Erhitzung in nördliche Regionen zu lenken. Da sei eine andere Infrastruktur als am Mittelmeer und die sei nicht auf Knopfdruck zu erhalten, gibt Marion ten Haaf vom Großveranstalter Dertour zu bedenken.
Zuviel Anpassung
Auch beim Forum anders reisen weiß man, dass Flüge nicht einfach zu ersetzen sind, selbst wenn intereuropäische Bahnreisen leichter verfügbar wären. Schließlich ließen sich viele Ziele nur per Flugzeug erreichen. Aber immerhin könne man durch Kompensation den CO2-Fußabdruck minimieren. Hans Ulrich Schudel, der Vorstandsvorsitzende des Studienkreises, bleibt da skeptisch. Vieles werde heute hingenommen. Die Diskussion drehe sich am ehesten um Anpassung, rügt er, und Greenwashing sei da oft nahe dabei bei Umweltinitiativen.
Trotz aller Probleme haben die Touristiker ihren Optimismus nicht verloren. Einig sind sie sich über die Tatsache, dass der Kunde in Urlaub fahren will „und wenn er das mit gutem Gewissen tut, umso besser.
Infos im Internet
Studienkreis für Tourismus und Entwicklung: www.studienkreis.org
ASI Reisen: www.asi-reisen.de/nachhaltigkeit
Windrose: https://windrose.de
The Goodforces: https://thegoodforces.de/
Dertour: www.dertour-group.com/nachhaltigkeit/engagement-und-projekte/fuer-mehr-klimaschutz/
Forum anders reisen: https://forumandersreisen.de/