Pubertäres Probeleben: Joey Goebels „Ich gegen Osborne“

James Weinbuch ist anders als die anderen Schüler, ein Anzugträger, schlimmer: ein Streber, wohl gelitten bei den Lehrern und von den Ton angebenden coolen Jungs und Mädels eher belächelt. Aber James tut auch das Seine dazu, Außenseiter zu bleiben. Er stilisiert sich geradezu als Opfer in Sinn von „ich gegen alle“. Das macht den Ich-Erzähler des neuen Romans von Joey Goebels „Ich gegen Osborne“ erst einmal nicht unbedingt zum Sympathieträger.

Bis man erfährt, was dahinter steckt: James hat nicht nur gerade erst seinen geliebten Vater verloren, er hat mit ansehen müssen, wie der bewunderte Freund seiner Kindertage unter dem Einfluss der Alzheimer-Krankheit zum hilflosen Greis mutierte. Und er ist sich bewusst, dass er die einzige Stütze seiner geliebten Mom ist. Es ist das Ende seiner Kindheit. All das muss James mit sich allein ausmachen. Gefühle noch dazu für die Eltern sind uncool in dieser pubertären Highschool-Welt, wo sich alles um die neueste Mode, die letzten Hits und – vor allem – um den Abschlussball dreht und darum, wer mit wem hingeht.
„Die Paarungszeit war in vollem Gange“, notiert James dazu. Er würde ja auch gerne teilhaben, wenn Chloe, schon allein wegen ihrer Brille und auch wegen ihrer Intelligenz nicht ganz so cool wie die anderen, ihn als Partner akzeptieren würde. Weil er sich selbst aber für unattraktiv hält, traut er sich lange nicht, das Mädchen anzusprechen. „Wenn ein Seufzer menschliche Form annehmen könnte, würde er wohl wie ich mit siebzehn aussehen“, schreibt er selbstkritisch. Und wer will schon mit einem Seufzer ausgehen?
Einen ganzen Schultag lang von morgens um 7.47 Uhr bis nachmittags um 15.31 Uhr begleiten die Leser James, werden Zeuge, wie seine Hoffnungen sich in Luft auflösen und wie er von unerwarteter Seite Unterstützung bekommt. Und bei der Schilderung des Schulalltags kommen sie nicht umhin, James Ansichten über seine Mitschüler – und die amerikanische Gesellschaft – zu teilen: „Unser großer Bruder ist weder die Regierung noch unsere Eltern, die Polizei oder Mir Shankly (der Rektor). Es sind wir… Es ist das System, in dem wir leben und das uns alle in hirnlose Körper verwandelt.“ 
Am Ende dieses langen Tages, in dem er durch eine schmerzhafte Feuertaufe gehen musste, hat James begriffen, dass er nicht der Außenseiter ist, als der er sich gesehen hat und auch nicht so gut, dass er auf alle anderen hinunter schauen könnte. Und Joey Goebel ist seine Kritik an der amerikanischen Spaßgesellschaft los geworden. Ein genialer Schachzug des jungen Autors, den die Kritik schon in den Fußstapfen von T.C. Boyle und John Irving sieht. 
Info: Joey Goebel, Ich gegen Osborne, Diogenes, 431 S., 22,90 Euro

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