Schon sein erster öffentlicher Auftritt bei der Katalogvorstellung in Dubai sorgte für Aufsehen. Bisher kamen die Manager im gemeinsamen Pinguin-Look – schwarzer Anzug, weißes Hemd. Nicht so der neue TUI Deutschland-Chef, der aus Schweden nach Hannover kam. Christian Clemens erschien im dunkelblauen Poloshirt und heller Jeans. Und er sprach frei, auf Deutsch. Auch dass sich der Manager den versammelten Journalisten und Bloggern erst einmal vorstellte, bevor er sich dem eigentlichen Thema der Pressekonferenz zu wandte, den Katalogen, war neu.
Clemens (50), Sohn eines Österreichers und Vater von Adrian (9) und Inez Catalina (5), lobte zwar seinen Vorgänger, mit dem ihn ein gutes Verhältnis verbinde („Ich habe von Dr. Böttcher ein gut geführtes Haus übernommen“). Er machte aber auch kein Hehl daraus, dass er bei TUI einen neuen Stil einführen will. Der studierte Diplomingenieur, der sein ganzes Leben in der Reisebranche verbracht hat, angefangen von Reiseleiter-Jobs als Student, später bei Thomas Cook und schließlich bei TUI Nordic in Schweden, will „gern etwas Neues in den Job einbringen“. Ein bisschen mehr schwedische Lockerheit meint der Chef wohl, der seine Mitarbeiter beim Vornamen nennt und sie auch duzt – sofern sie einverstanden sind.
Flache Hierarchien sind das eine, das er bei der TUI einführen will, mehr Kundenorientierung und umweltfreundliche Signale sind das andere. Da werden auch die Mitarbeiter in den oberen Etagen umdenken müssen. Der Chef verordnet jedem von ihnen mindestens zwei Tage Praxis, Dienst am Kunden. Nur so lerne man, was man besser machen könnte, ist der österreichische Schwede überzeugt. „Service ist so viel mehr als nur Fragen zu beantworten und Probleme zu lösen.“ Als „Neuer“ in Deutschland habe er das Gefühl, dass Deutschland Weltklasse im Industriesektor etwa bei der Autoindustrie ist, aber nicht bei Dienstleistungen. Da will er ansetzen: „Wir wollen Weltklasse bei Dienstleistungen sein wie die besten Firmen der Welt, Apple etwa, Disney oder auch BMW“.
Um nicht nur Dinge anzuschieben, sondern sie tatsächlich auf den Weg zu bringen, kann sich Clemens auch vorstellen, länger in Deutschland zu bleiben als sein bislang auf drei Jahre befristeter Vertrag vorsieht. Auch familiär hat er sich nach Deutschland orientiert. Die Familie wohnt in Hamburg, wo der Sohn eine skandinavische Schule besucht. Die kleine Tochter war zunächst gar nicht davon begeistert, dass sie in einen deutschen Kindergarten gehen sollte. „Wir mussten ihr einen Hund kaufen, um sie zufrieden zu stellen“, erzählt der Vater freimütig. Auch zum spanischen Namen gibt Clemens gern Auskunft. Seine Eltern hatten ein Haus nahe Cadiz, berichtet er, und als Kind sei er fast in allen Ferien dort gewesen. Deshalb habe er auch mehr Freunde dort als in Schweden. Dass Cadiz bei der TUI Deutschland ein Ziel ist, macht es ihm in Zukunft leichter, die Freunde zu besuchen.
In Hamburg fühlt sich der neue TUI-Deutschland-Chef wohl. „Mir kommt es nicht wie Ausland vor, es sieht aus wie in Skandinavien“, sagt er und dass für ihn Hamburg – nicht Hannover – eine der schönsten Städte der Welt sei. Auch die Kinder fühlten sich inzwischen wohl, und seine Frau. Warum also sollte er nicht länger bleiben? Vorgänger Böttcher hat mit zwölf Jahren schon eine Marge vorgelegt. So lange will Clemens allerdings nicht warten mit möglichen Veränderungen im Hause TUI. Fördern will er die Kommunikation untereinander, die Zusammenarbeit mit den einzelnen Töchtern wie 1-2-fly oder Airtours und den Abbau von Überkapazitäten. Dass gespart werden muss, weiß der neue Chef wohl. Der Kunde allerdings soll nichts merken von irgendwelchen Sparmaßnahmen. Und intern will er so offen wie möglich damit umgehen, mit der Gewerkschaft reden und mit dem Betriebsrat.
Den Abbau verkrusteter Strukturen hat er sich ebenso vorgenommen wie die Förderung begabter Nachwuchskräfte: „Wir brauchen Prozesse, wo wir früh junge Talente identifizieren und fördern können – auch Frauen.“ Dass bisher bei der TUI nur Männer ganz oben stehen, soll sich ändern, wenn es nach Clemens geht. Er hält viel von Frauen im Beruf. Kein Wunder, hat er doch seine schwedische Frau bei der Arbeit kennengelernt. Damals, als beide noch für Thomas Cook arbeiteten.