Blick zurück im Zorn

Die Jahre des Paul Blick
(Buch)
Autor: Jean-Paul Dubois, Lis Künzli
Verlag: Ullstein Hc
Erschienen am: 2005-09
Seiten: 365
ISBN: 3550086253

Familiengeschichte a la francaise
Es ist eine typisch französische Familiengeschichte, die Jean-Paul Dubois in „Die Jahre des Paul Blick” erzählt, eine Geschichte, die uns auch teilhaben lässt an 50 Jahren französischer Politik. Der Journalist Dubois blickt mit kritischen Augen auf das Land und seine Entwicklung und ebenso kritisch geht er mit dem Familienleben seines Protagonisten um. Paul verliert als Kind seinen älteren Bruder Vincent und weder er noch seine Eltern kommen über den Verlust hinweg.

Während seine Eltern sich in ihrer Trauer einigeln, muss Paul ganz allein mit dem Leben fertig werden. Dubois schildert eine Kindheit und Jugend zwischen kleinbürgerlicher Verklemmtheit und sexuellen Experimenten. Paul sucht sich eigene Vorbilder, studiert halbherzig Soziologie. Die erwachende Linke ist seine neue Heimat. Die Präsidenten kommen und gehen, im Land verändert sich trotz des verheißungsvollen Aufbruchs der Mai-Revolution nur wenig. Aber Paul wird erwachsen und ­ nachdem er Anna kennen gelernt hat ­ auch bürgerlich.
Der überzeugte Linke wandelt sich zum biederen Hausmann. Während Anna als Firmenchefin mit dem Verkauf von Whirlpools Erfolg hat, zieht sich Paul immer mehr ins Private zurück, sorgt für die Kinder und tröstet sich mit seichten sexuellen Abenteuern. Seine Kommunikationsfähigkeit verkümmert, zwischen ihm und Anna herrscht Sprachlosigkeit, Trost findet er nur in der ­ stummen ­ Natur. Während er Bäume fotografiert, vergisst er sich selbst, versöhnt sich mit der Welt.
Doch dann katapultiert ihn der Erfolg seiner Baumfotografien zurück aufs gesellschaftliche Parkett. Das Rollenspiel beginnt von neuem und entwickelt sich zur Tragödie, als Annas Firma im Börsencrash unterzugehen droht. Ihr Unfalltod setzt allen Unsicherheiten ein Ende und Paul muss sein Leben neu ordnen. Am Schluß ist er da angelangt, wo er als Student aufgebrochen war, bei seinen eigenen Wurzeln. Was bleibt, ist Melancholie.
Der Franzose Dubois schreibt mit intellektueller Leidenschaft und führt das moderne Leben in seiner ganzen Absurdität vor ­ zum Totlachen. Kein Politiker kann vor seinen kritischen Augen bestehen, keine Familie übersteht unbeschadet seine bohrende Neugier. Dubois reißt alle Fassaden ein und zeigt uns eine Gesellschaft der ängstlichen Kleingeister, die sich krampfhaft an ihr bisschen Leben klammern.
Vielleicht hat Vincent ja mit seinem frühen Tod die bessere Karte gezogen…

Jean-Paul Dubois, Die Jahre des Paul Blick, Ullstein, 19,95 ¤

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