Man schrieb das Jahr 1972, als die Bundesbahn eine glänzende Idee zum 50. Geburtstag des deutschen Eisenbahnverbands hatte – ein günstiges Bahnticket für junge Leute unter 21, mit dem sie einen ganzen Monat lang durch 21 europäische Länder reisen konnten. Die Idee fiel auf fruchtbaren Boden, schon im ersten Jahr genossen 85 000 Jugendliche die neue, die grenzenlose Freiheit buchstäblich in vollen Zügen.
Schließlich war das Ticket, das zwar nicht die Welt aber immerhin Europas Metropolen öffnete, mit 235 D-Mark durchaus erschwinglich, und – noch wichtiger – es machte unabhängig von den Eltern, frei. Man griff sich Schlafsack und Isomatte, schnallte sich den Rucksack auf den Rücken und auf ging’s. Man schlief mal in der Jugendherberge, mal am Strand und – zwischendurch immer wieder – auch in den D-Zügen, deren Gänge zum Massenlager mutierten. Denn die Reisekasse war knapp, billig war Trumpf. Billigunterkünfte und Flohmärkte, billige Kneipen und zentral gelegene Parks waren gefragt. Man tauschte Erfahrungen aus, kam sich näher, Freundschaften wurden geschlossen, Liebesabenteuer begannen – und manches Mal reiste man gemeinsam weiter.
Vierzig Jahre ist das her, Interrail wurde zur Erfolgsgeschichte: Inzwischen sind mehr als acht Millionen Menschen mit dem Interrail-Pass quer durch Europa, in die Türkei und nach Marokko gefahren – allein 1,3 Millionen Deutsche. Längst sind es nicht mehr nur junge Leute, die sich per Interrail durchs europäische Schienennetz treiben lassen. Ganze Familien nützen das grenzenlose Ticket zur Flatrate, das ihnen kein Ziel vorgibt, sondern ihnen alle Freiheit lässt: Heute Paris, morgen Amsterdam, übermorgen Berlin, Prag, Budapest… Und mittlerweile können auch die in die Jahre gekommenen Interrailer wieder auf den Zug aufspringen. Seit 1999 gibt es keine Altersbegrenzung mehr und seit 1985 schon können mit dem Ticket neben Zügen auch Schiffspassagen auf der Ostsee und im Mittelmeer genutzt werden.
Mit neuen Konzepten für einen erweiterten Kundenkreis setzt sich die Bahn auch gegen die Konkurrenz der Billigflieger zur Wehr. Seit 2007 kann man mit selbst in der ersten Klasse mit einem Interrail-Pass unterwegs sein und ist für 880 Euro einen Monat lang flexibel. Auch sonst gibt es die unterschiedlichsten Möglichkeiten und Preise. Zwischen 175 und 422 Euro zahlen Jugendliche heute für einen Interrail-Pass, je nachdem wie viele der mittlerweile 30 Länder sie bereisen und an wie vielen Tagen sie den Zug benutzen wollen, für Senioren kostet der Spaß zwischen 241 und 575 Euro.
Soviel musste Manfred Weis nicht ausgeben, als er vor 25 Jahren mit einem Interrail-Ticket den Rekord im Europa-Reisen aufstellte: 36 Länder schaffte der Karlsruher in einem Monat. Ein Rekord, der es ins Guinness Buch der Rekorde geschafft hat und den dem passionierten Bahnfahrer bisher noch niemand streitig gemacht hat.