Zeitreise im Vergnügungspark: Ian Becks „Pastworld“

Eve ist verblüfft. Das London, in dem sie mit ihrem Ziehvater lebt, soll kein realer Ort sein. Was ist es dann und was ist mit ihrer Erinnerung? Das junge Mädchen macht sich auf die Suche und muss erleben, dass ihre ganze Welt eine Lüge ist. Eine lebensbedrohliche Erkenntnis. Die Häscher sind schon unterwegs.

Während Eve in einem Zirkus Unterschlupf findet und in Gegenwart des
Tagediebs Mac aufblüht, erlebt der junge Caleb, der mit seinem Vater den
Themenpark Pastworld“ besucht, eine böse Überraschung. Der Vater, ein
bekannter Forscher, wird gekidnappt, Caleb selbst bedroht. Der
Themenpark wird für ihn zum Gefängnis und mit zunehmendem Abscheu
registriert er, dass die Menschen von Pastworld von einer skrupellosen
Unterhaltungsmaschinerie missbraucht werden. Sie spielen nicht nur 19.
Jahrhundert, sie leben es – mit all der Armut, dem Schmutz, ja bis hin
zu den Exekutionen. Und das im Jahr 2048. Für den Vergnügungspark wurde
die zerstörte City von London so wieder aufgebaut wie sie sich zur
Blütezeit der viktorianischen Ära präsentiert hatte. „So manch einer“,
heißt es im Reiseführer, „wäre gern dabei, wenn eine Todesstrafe
vollstreckt wird. So manch einer würde Geld dafür bezahlen, dem Ripper
dabei zusehen zu können, wie er seinen Opfern die Eingeweide
herausreißt.“
Ja, auch der Ripper ist unterwegs in den nebligen Gassen von Pastworld.
Das „Phantom“ scheint nicht nur hinter der Entführung von Calebs Vater,
sondern auch hinter Eves Verfolgern zu stecken. Was Caleb und Eve, die
offensichtlich mehr verbindet als die auffallende Farbe ihrer Augen, am
Ende herausfinden, sprengt jede Vorstellungskraft. So zynisch, das legt
der bis zum Ende packende Roman von Ian Beck nahe, kann Wissenschaft
sein, wenn sie sich skrupellos mit Geldgier paart. Und letztlich
schwinden auch Gewissheiten: Was ist Realität, was Fiktion?
Schöpfungsmythen haben den Autor ebenso inspiriert wie die Geschichte
vom Menschen aus Lehm, dem Golem, oder die von Frankenstein aber auch der Film „Die
Truman Show
“, in der ein Mann ohne es zu wissen, die Hauptrolle in einer
inszenierten Wirklichkeit spielt.
Ian Beck, Pastworld, Loewe, 400 S., 9,95 Euro, ab 14 

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