Wie gemalt: Lukas Hartmanns „Bis ans Ende der Meere“

Es gab ihn wirklich, den Maler John Webber und er hat auch tatsächlich die dritte Expeditionsfahrt von Captain James Cook begleitet und in Zeichnungen festgehalten. Der Schweizer Autor Lukas Hartmann nahm Webbers wirkliches Leben zum Ausgangspunkt eines großartigen Romans, der sich dem Entdecker Cook auf eine sehr menschliche Weise nähert.
Hartmann mischt gekonnt Fiktion und Fakten und lässt den Leser teilhaben an den existenziellen Problemen der vierjährigen Schiffsreise, auf der Cook durch ein Missverständnis zu Tode kommt. Aus der Perspektive des Malers, der sich der Aufgabe als Expeditionsmaler teils euphorisch, teils naiv nähert, wird der Mensch James Cook hinter dem berühmten Entdecker sichtbar.

Nach außen hin fast absoluter Herrscher an Bord der Resolution, der mit strenger Hand regiert, ist der Kapitän, wie ihn Webber erlebt, ein zunehmend von Zweifeln am eigenen Tun und den Folgen geplagter Mensch, der mit sich selbst hadert. Mit schlimmen Konsequenzen für die Mannschaft, die sich nach der Unterdrückung auf dem Schiff an Land austobt – bis hin zu einem Massaker im Blutrausch.
Hartmann schildert das prekäre Beziehungsgeflecht der Mannschaft, in dem sich auch Webber verheddert, die homoerotischen Versuchungen an Bord und die Verlockungen der Südsee. Er zeigt die Entwurzelung des aus dem englischen Exil heimkehrenden Häuptlingssohns Omai, die Webbers eigene Probleme nach der Rückkehr vorwegnimmt. Und er regt zum Nachdenken darüber an, wie glaubhaft das geschichtlich überlieferte Bild des Entdeckers tatsächlich ist und in welchem Ausmaß angeblich geschichtliche Tatsachen eine Frage der Interpretation sind.
Trotz der Verankerung in der Expeditionsgeschichte und des oft exotischen Ambientes spielt der klug komponierte Roman mit den ewig gleichen Fragen der Menschheit, sind die handelnden Personen in ihrer Zwiespältigkeit „moderne“ Menschen. Auch das macht den Reiz dieses Romans aus, den das Etikett „historisch“ nur unzureichend beschreibt.  

Info: Lukas HartmannBis ans Ende der Meere", Diogenes, 488 S., 21,90 Euro

 

Es gibt bisher keine Kommentare.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert