Das kann ihm keiner nachmachen: Diese kurzen, knackigen Stories, in denen die Analyse der Action nicht nachsteht. Es sind alltägliche Beobachtungen, die ihn zu solchen Kurzgeschichten inspirieren, sagt T.C. Boyle. Und er schreibt sie immer dann nieder, wenn er einen Roman beendet hat. Glücklicherweise war das wieder einmal der Fall, denn „Zähne und Klauen“ ist ein bissiger Lesegenuss, hochintelligent, hintersinnig und nie platt.
Säufer, Süchtige und Sünder, das Lieblingspersonal des Pop-Autors, ist auch hier versammelt. Es sind Menschen am Abgrund, in einem Zwischenreich zwischen animalischen Trieben und gesellschaftlichen Konventionen, Existenzen am Rand der Gesellschaft.
Boyle, der selbst einige Erfahrung mit Drogen und gesellschaftlicher Ächtung hat, macht kein Hehl daraus, wem seine Sympathie gilt. Nicht den gut Funktionierenden, den Bürgerlichen, die sich in ihren Reihenhäusern verschanzen, und auf ihren Erfolgen ausruhen. Weit besser als ihr biederer Ehemann gefällt dem Schriftsteller die Frau, die sich mit streunenden Hunden gemein macht, einfach, um wieder mal etwas zu spüren. Lang bleibt sie nicht allein.
Auch der arme Kerl, der sich eine Wildkatze aufschwatzen lässt, um einem Mädchen zu imponieren und dann die Urgewalt der Natur im Schlafzimmer erlebt, ist ein echter Boyle-Typ. Ebenso der abgetakelte Moderator, der den Rekord in Schlaflosigkeit aufstellt und nicht mehr herausfindet aus seiner Sucht. Das Pärchen, das sich in einem Schneesturm verirrt und in der existenziellen Notlage die eigenen Grenzen erfährt. Der Mann, der in seiner heilen Gettowelt in Florida die ganze Wucht der Elemente, biblischen Plagen gleich, zu spüren kriegt und doch nicht zweifelt, weil das sein Ende wäre. Und schließlich Madam Knight, die 1702 über Land nach New York unterwegs ist, eine mühevolle Reise in einer feindseligen Natur. Sie meint es nicht gut mit den Menschen, diese Natur, vielleicht wehrt sie sich auch nur gegen ihre Vereinnahmung durch eben diese Menschen – mit Zähnen und Klauen.
Info: T.C. Boyle, Zähne und Klauen, aus dem Amerikanischen von Anette Grube und Dirk van Gunsteren, Hanser, 317Seiten, 19,90 Euro.