„Im Leben läuft nichts so, wie man es gerne möchte, das ist die reine Wahrheit.
Man möchte jemanden für immer lieben, doch man muss sich trennen.
Man möchte Frieden, doch es gibt Unruhen…
Und das Schlimmste ist, niemand weiß, warum. Wenn es Gott geben würde oder Allah, hätte er ganz schön Mühe, eine Erklärung für unser Unglück zu finden.“
Dies ist ein wunderbares, kleines Buch, ein Buch, das zu Herzen geht, ohne je kitschig zu werden. Ein Buch aber auch, das die Augen öffnet für die Schicksale von Kindern auf dieser Welt, von denen wir am liebsten nichts wissen möchten.
Von Kindern, die vor Kriegen fliehen mussten, deren Eltern massakriert
wurden, die auf der Flucht alles verloren haben, was ihnen lieb war. Von
Kindern, denen ihre Kindheit gestohlen wurde.
Koumail ist so ein Kind, und Gloria, die sich seiner angenommen hat,
will ihm eine Zukunft öffnen. Deshalb wagt sie mit dem zehnjährigen
Jungen den langen Weg aus dem Kaukasus bis nach Frankreich, „dem Land
von Baudelaire und der Menschenrechte“. Denn Koumail, so hat Gloria es
ihm immer und immer wieder erzählt, ist eigentlich Franzose. Seine
Mutter hatte ihn sterbend Gloria anvertraut. Er hatte also alles Recht
der Welt, in seine Heimat zurückzukehren. Monsieur Blaise nennt Gloria
ihn gerne, ihren kleinen Franzosen.
Der Weg nach Frankreich führt beide an ihre physischen Grenzen. Immer
wieder geraten sie an den Rand von Bürgerkriegen, Hunger und Durst quält
sie, die Kälte. Sie sind unbehaust, den Launen der Natur und der
Hilfsbereitschaft der Mitmenschen ausgeliefert. Immer wieder finden sie
Freunde, nur um sie bald darauf wieder zu verlieren. Und am Ende
verliert Koumail auch Gloria und endet auf einer französischen
Polizeistation. Das Ende aller Hoffnung.
Wie es der kleine Kerl schafft, nicht nur Franzose zu werden, sondern
auch Abitur zu machen und mit seiner Liebsten ein Leben zu planen, das
klingt wie ein Wunder. Aber Wunder muss es wohl geben. Sonst wäre das
Leben zum Verzweifeln. Wenn man es so betrachtet, hat Koumail trotz
aller Katastrophen Glück gehabt.
Info: Anne-Laure Bondoux, Die Zeit der Wunder, Carlsen, 189 S., 12 Euro
23Jun. 2011
November 3, 2012
Die Autorin Anne-Laure Bondoux wird für den Roman mit dem Gustav-Heinemann-Friedenspreis für Kinder- und Jugendbücher 2012 ausgezeichnet.
In der Begründung der Jury heißt es: “Das Buch zeigt ein hohes literarisches Niveau, das die Thematik der Migration und der Flüchtlingsproblematik in hervorragender Weise widerspiegelt”
Die Preisverleihung findet am 12. November 2012 in Essen statt.