Alle reden vom Umweltschutz aber nur wenige handeln. Wo Kopenhagen Stillstand gebracht hat, wollte die Touristische Runde etwas (in den Köpfen) bewegen und das mit einem touristisch eher brisanten Thema: Skifahren und Ökologie – geht das? Gerade in den Alpen, wo die Gletscher im Eiltempo abschmelzen und jede zweite Pflanzenart vom Aussterben bedroht ist, ist Umweltschutz überlebensnotwendig. Aufs Skifahren verzichten wollen nicht mal die Umweltschützer. Das wäre auch für die Wintersportorte und den ganzen Alpenraum eine wirtschaftliche Katastrophe. Wie aber lässt sich der Spagat zwischen Naturschutz und Naturnutzen bewältigen?
Als Vertreter des Deutschen Alpenvereins sieht sich Jörg Ruckriegel an
der Schnittstelle zwischen Sport und Naturschutz. „Ja, es ist
vertretbar, Ski zu fahren“, stellt der DAV-Ressortleiter für Natur- und
Umweltschutz gleich zu Anfang klar, um dann einzuschränken: „Das heißt
aber nicht, dass der DAV alle Entwicklungen in den Skigebieten gut
heißt.“ Ein Schwerpunkt des Alpenvereins liegt auf dem Skitourengehen
und da habe man die Aktion Skibergsteigen umweltfreundlich auf den Weg
gebracht. Für die Skigebiete fordert Ruckriegel Raumplanung nach den
Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit. Zwar sei Skitourismus häufig
wirtschaftlich notwendig, trotzdem müssten unerschlossene Bereiche
erhalten, Schutzwälder gepflegt und Räume für den sanften Bergsport
sicher gestellt werden. „Wir beziehen klar Position gegen
Skigebietserweiterungen“, erklärt Ruckriegel. Diese Entwicklung sei
abgeschlossen. Stattdessen ermuntert der DAV-Mann die Verantwortlichen,
den Klimawandel zu nutzen und frühzeitig über Alternativen zum
Skibetrieb nachzudenken. Darunter sei allerdings keine Möblierung mit
Funparks zu verstehen.
Daran denkt man in Oberstdorf nicht. Augustin Kröll von den Bergbahnen,
die jährlich über eine Million Skifahrer begrüßen, macht klar, dass
Oberstdorf schon seit Jahren auf umweltfreundliche Anreise setzt. „2000
haben wir uns das Ziel gesetzt, im Skigebiet Fellhorn in zehn Jahren
den Anteil der Skifahrer die nicht mit dem Auto anreisen, von zehn auf
30 Prozent zu erhöhen. Das haben wir geschafft.“ Als besonders
erfolgreich habe sich die Zusammenarbeit mit den Skiclubs, den
Busunternehmen, und die Kombination Bahn plus Bus zu den Talstationen
erwiesen. Auch die „Mitfahrerzentrale“ sei „super angelaufen“ und das
für den Wintersportler kostenlose Bussystem in der Region
Oberstdorf/Kleinwalsertal habe sich sehr gut bewährt. Weniger gut
gelaufen sei die Aktion „Skispaß klimafreundlich“. Skifahrer, die mit
dem Auto kamen, wurden aufgefordert, freiwillig einen kleinen
Geldbetrag zur Kompensation zu spenden. Den wollten die Bergbahnen dann
verdoppeln und in klimafördernde Projekte investieren. Aber, so Kröll
selbstkritisch, „Wir haben die Autofahrer nicht erreicht“. Gerade mal
1000 Gäste konnten für eine kleine Spende gewonnen werden. Die geringen
Einnahmen aus der Aktion habe man dann vervielfacht und mit dem Geld
Solaranlagen auf Almhütten installiert, um den notwendigen Strom nicht
mit Dieselmotoren erzeugen zu müssen. Trotzdem sieht de Bergbahnchef
noch „ganz viel Potenzial“. Deshalb will er das Projekt „neu
aufsetzen“. Langfristig passten solche umweltfreundlichen Aktivitäten
auch zur Destination Oberstdorf /Kleinwalsertal, die andenkt, sich als
erste Region grenzüberschreitend nach EMAS – EU-Öko-Audit – zertifizieren zu lassen.
Dass Umweltschutz auch der Wirtschaft nutzen kann, hat Dr. Peter
Brandauer, Bürgermeister von Werfenweng und Präsident der Kooperation
Alpine Pearls erfahren, die seit vier Jahren erfolgreich auf sanfte
Mobilität setzt. Werfenweng habe als Aushängeschild der Kooperation
neue Gäste angesprochen, die vor allem am Umweltthema interessiert
seien. Weil sie nicht mit dem Auto unterwegs seien, bliebe auch die
Kaufkraft im Ort, stellt der Bürgermeister zufrieden fest. Pauschalen
sprechen Urlauber an, die mit Bahn und Bus anreisen und solche, die vor
Ort ihrem Auto „Urlaub gönnen“ und die Autoschlüssel abgeben. „Man muss
interessante Mobilität inszenieren – auch zu Fuß gehen kann Spaß
machen“, sagt Brandauer. Zwar seien die Ausgangspositionen der
einzelnen Orte höchst unterschiedlich, wichtig seien aber der
Erfahrungsaustausch und das Gewicht, das die Kooperation bei
Verhandlungen etwa mit der Bahn in die Waagschale werfen könne. Trotz
aller Erfolge – die Gästezahl wuchs in den letzten Jahren um mehr als
30 Prozent, der Bahnfahreranteil erhöhte sich von sieben auf 25 Prozent
– sieht der Bürgermeister noch Handlungsbedarf: „Wir müssen autofrei
werden.“ Das geht wohl nicht ohne kleine Opfer ab, die durch
Belohnungen versüßt werden sollen.
„Wir können nicht an dem Ast sägen, auf dem wir sitzen“, mahnt
Christine Bolt. Deshalb setzt die Direktorin von Toggenburg Tourismus
auf Nachhaltigkeit und erwartet viel von der 2008 ins Leben gerufenen
Initiative Energietal Toggenburg. Mit den unterschiedlichsten Aktionen
und Produkten soll die Energie-Effizienz gesteigert werden. Eines
dieser Produkte ist die solarbetriebene Gondel Gamplüt. Der durch 350
Quadratmeter Solarpaneele auf zwei Dächern gewonnene Strom wird ins
öffentliche Netz eingespeist, aus dem die Bergbahn wiederum ihren Strom
bezieht. Das Augenmerk des Ortes gilt aber auch den Passivhäusern, die
in Unterwasser gebaut und zum Probewohnen vermietet werden. Als sanfte
Anregung zu mehr Umweltbewusstsein wertet Christine Bolt die Aktion „I
care“ (Mitdenken am Berg), bei der es um rücksichtsvolles Verhalten in
der Natur geht.
Schonender Umgang mit den Ressourcen ist vor allem in den
Gletscherskigebieten wichtig. Das weiß auch Willi Krüger vom Pitztaler
Gletscher, der den ersten israelischen Snowmaker nach Europa geholt
hat. Die Anlage, die eigentlich zur Kühlung von Gold- und
Diamantenminen gebaut wurde – Schnee fiel als Nebenprodukt an –
produziert 950 Kubikmeter Schnee im 24-Stunden-Betrieb und wird mit
Gletscherschmelzwasser betrieben. An Strom verbraucht der Snowmaker
soviel wie sechs bis sieben herkömmliche Schneekanonen. Willi Krüger
sieht die Anlage als „Ergänzung zu den vorhandenen
Beschneidungssystemen“ – vor allem im September, wenn Plusgrade die
traditionelle Kunstschnee-Produktion unmöglich machen. Der Snowmaker
liefere „gut verwendbaren Schnee“, versichert Krüger. Der sei vor allem
für Problemzonen am Gletscher wichtig und könne womöglich auch dazu
dienen, den Gletscher wieder aufzubauen. Inzwischen steht auch im
schweizerischen Zermatt ein Snowmaker. Delegationen aus aller Welt
seien schon im Pitztal gewesen, um das technische Wunderding
anzuschauen, berichtet der Bergbahnchef – auch aus Sotschi, „da wird ja
alles möglich gemacht“. Ebenso wichtig wie der Snowmaker ist für Willi Krüger aber auch das vor zwei Jahren gebaute Bergrestaurant SunnAlm auf 2300 Meter Höhe im Rifflsee Skigebiet, das komplett auf fossile Energie verzichten kann, mit Solar- und Erdwärmetechnik arbeitet und „im Alpenraum erstmals auf dieser Höhe realisiert worden ist“. Pro Betriebstag würden zwischen 150 und 200 Liter Heizöl eingespart, betont der Mann aus dem Pitztal
Dass Umweltbewusstsein auch bei den Bergbahnen groß geschrieben wird,
ist für Augustin Kröll selbstverständlich. Die Bergbahnen Fellhorn und
Nebelhorn in Oberstdorf, zu denen auch das Walmendinger Horn, die
Kanzelwand und der Ifen im Kleinen Walsertal gehört, hätten deshalb
zwei Energiemanager ausgebildet und auf jedem Berg einen
Umweltbeauftragten installiert. Seit neuestem befasse sich ein
Ingenieur schwerpunktmäßig mit dem Thema Nachhaltigkeit. DAV-Mann Jörg
Ruckriegel meldet trotzdem Zweifel an: Beschneiungsanlagen seien
grundsätzlich nun einmal nicht umweltfreundlich „auch wenn wir uns
daran gewöhnt haben, dass der Skibetrieb vielerorts nur mit Kunstschnee
möglich ist.“ Sorge bereitet Ruckriegel die Tendenz sich immer weiter
vom Natürlichen zu entfernen: „Wo es keinen Schnee gibt, stellen wir
Schneekanonen auf. Wo es zu warm ist, nehmen wir den Snowmaker in
Betrieb. Wo es keine Berge gibt, werden Skihallen gebaut.“ Da täte mehr
Rücksicht auf Natur und Umwelt not.
Eine veränderte Erwartungshaltung der Gäste sieht Christine Bolt und
die Gefahr, Ökologie könnte zu einem „Killerkriterium“ werden. „„Es hat
sich in Sachen „Verbesserung des Umweltbewusstseins“ Gewaltiges getan“,
gibt sich Augustin Kröll optimistisch. Selbst Beschneiung könne
ökologisch sein, wenn sie richtig gebaut und betrieben werde.
Einschränkungen sieht der Bergbahnchef trotzdem: Oberstdorf und das
Kleine ´Walsertal positionierten sich naturnah, aber „bei der starken
ökologischen Orientierung haben nicht alle Platz.“