Smara – allein der Klang der legendären Wüstenstadt hat den jungen Franzosen Michel Vieuchange so fasziniert, dass er entschlossen war, gegen jede Widrigkeit dorthin zu reisen. Als Frau verkleidet macht er sich 1930 auf den Weg. Die Burka gewährt ihm das größte Maß an Bewegungsfreiheit, auch wenn er immer wieder von der Angst heimgesucht wird, entdeckt zu werden. Vieuchange weiß um die Gefahren, die er auf sich nimmt: Die Wüste wird von räuberischen Banden heimgesucht, sein Leben liegt in der Hand seiner Begleiter, die ihn immer wieder um Geld angehen.
Das Klima ist mörderisch wie der Trip. Krankheiten schwächen den jungen Mann, die Unsicherheit macht ihm zu schaffen, Hunger und Durst quälen ihn ebenso wie Ungeziefer und mangelnde Hygiene. Doch je größer die Probleme werden, desto verbissener verfolgt er sein Ziel: „Alles dient dieser einen Tat: der ersten seit unserer Geburt, die unsere Wünsche erfüllt, neue, unbetretene Wege zu Zielen öffnet, die wir schon immer ersehnten.“
Wie im Fieber fotografiert und notiert er, um seinen Bruder wenigstens indirekt teilhaben zu lassen an seinem Abenteuer – und an seinem „Entzücken“ über die geradezu teuflische Schönheit der Landschaft, die er mit seinen Gefährten durchquert. Und dann das Ziel all der Mühen, Smara: „Die Stadt zeigt sich mir von ihrer eindrucksvollsten Seite: im Angesicht der Wüste, selber zur Wüste geworden.“ Die Tat ist vollbracht, die Rückkehr in die nun ersehnte Zivilisation in Sicht. Doch Michel Vieuchange wird kein warmes Bad in Frankreich mehr genießen können. Er hat den Höllenmarsch zu seinem Sehnsuchtsort mit dem Leben bezahlt, aber der Nachwelt ein faszinierendes Zeugnis hinterlassen: Seine Notizen – mal in dürren Worten, dann wieder poetisch, mal voller Selbstmitleid, dann weltumgreifend -,schraffieren ein Bild der Sahara, das beim Leser ungeahnte Sehnsüchte weckt.
Info: Michel Vieuchange, Smara Verbotene Stadt, Unionsverlag, 265 Seiten, 9,90 Euro, ISBN 978 3 293 204256