Natürlich wissen wir inzwischen alle, dass es nicht Columbus war, der Amerika entdeckt hat. Auch nicht Amerigo Vespucci, der dem Kontinent seinen Namen gegeben hat. Und doch hängen die meisten Amerikaner an den alten Legenden von der Entdeckung und Eroberung der neuen Welt durch wagemutige Seefahrer und fromme Pilgerväter. Kein Wunder also, dass Tony Horwitz einen 500 Seiten dicken Wälzer schreiben musste, um mit all den Fehlinformationen, Halbwahrheiten und Sagen aufzuräumen, die den Blick auf die Wirklichkeit verstellen.
„Es war nicht Columbus“ heißt das Mammutwerk, das einen neuen Blick auf Amerika und seine Vergangenheit wagt und große Lust macht, auf den Spuren der frühen Entdecker oder der späten Siedler durch den Kontinent zu reisen. Ganz so wie es der Autor gemacht hat, der sich über drei Jahre reisend in die Geschichte und die Geschichten vertieft hat – und dabei auf viele Ungereimtheiten und Ärgernisse gestoßen ist. Wie zum Beispiel in St. Augustine, Amerikas ältester Stadt, die immer noch die Legende verbreitet, der Spanier Juan Ponce de Leon habe auf der Suche nach einem Jungbrunnen Florida entdeckt (und ihn in St. Augustine gefunden) – was man im übrigen auch in Wikipedia nachlesen kann. Für Horwitz ist das plumpe Geschichtsfälschung, war doch Ponce de Leon als Konquistador vor allem auf Gold und Sklaven aus. Und die Geschichte der Entdeckung Amerikas ist demnach auch die Geschichte einer Tragödie – der des Untergangs der indianischen Urbevölkerung.
Horwitz schreibt mit Witz und breitem Wissen, er holt Namen aus der Versenkung wie den des Italieners Giovanni da Verrazzano, der 1524 die Ostküste erkundete, oder den des Sklaven Estevanico, der als Dolmetscher und Kundschafter 1538 in die Tierra Nueva nördlich von Mexiko vordrang. Er lässt Wikingern, Spaniern und Franzosen ihren – oft blutigen – Anteil an der Besiedlung und liefert viele Geschichten, die spannend sind wie historische Krimis. So fesselnd kann Historie sein.
Info: Tony Horwitz, Es war nicht Columbus – Die wahren Entdecker der Neuen Welt, mare Buchverlag, 560 Seiten, 25,90 Euro, ISBN 978-3866480933