2010 wird das Ruhrgebiet Kulturhauptstadt Europas. Die Jury hat ihre Wahl auch damit begründet, dass der Wandel der einst größten Industrieregion und der größten „Kohlenzeche“ Europas in eine lebendige Metropole der Zukunft zu einem Symbol für die Rolle werden kann, welche die Kultur in jeder europäischen Metropole einnehmen sollte. Das Ruhrgebiet könnte zu einem Symbol für andere Ballungszentren in Europa werden, denen ähnliche Veränderungen bevorstehen.“
Und da kommt Prof. Dr. Karl Ganser ins Spiel. Denn ohne ihn und sein unermüdliches Engagement wäre dieser Wandel wohl kaum möglich gewesen.
Eingeleitet wurde die Erneuerung einer Kulturlandschaft nämlich durch
die Internationale Bauausstellung, die IBA Emscher Park, die vor zehn
Jahren, 1999, zu Ende gegangen ist. „Sie war ein auf zehn Jahre
angelegter Versuch, eine prägnante, von der Industriegeschichte
nachhaltig gezeichnete und verwundete Region des Ruhrgebiets zu
erneuern, ihr eine neue Zukunft zu eröffnen“, so Autor Manfred Sack in
seiner Rückschau „Siebzig Kilometer Hoffnung“. Und Karl Ganser war die
IBA, er war ihr Kopf, der Initiator, ein von Feuereifer erfüllter
Missionar, der Begeisterung wecken, Hoffnung schüren konnte und damit
Dinge möglich machte, die unmöglich schienen. Als „Marathonmann“ (so
ein Journalist) räumte der promovierte und habilitierte Geograph, all
jene Hürden aus dem Weg, mit denen ihn die Bürokratie in die Schranken
zu weisen versuchte.
So konnte er den Abriss der Essener Zeche Zollverein und des Stahlwerks
in Duisburg-Meiderich verhindern. Kein Wunder, dass Ganser als
„Architekt des Ruhrgebiets“ gilt. Der Verein Pro Ruhrgebiet ernannte
den gebürtigen Mindelheimer als ersten Fremden zum Bürger des Reviers,
er bekam als erster Nicht-Techniker den Umweltschutzpreis des TÜV
Rheinland und von der Alfred-Töpfer Stiftung als Nicht-Architekt den
Fritz-Schumacher-Preis. Das deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz
zeichnete ihn mit dem Schinkelring aus, er erhielt den Staatspreis des
Landes Nordrhein-Westfalen und die Ehrendoktorwürde der Universität
Bochum. Den Kulturgroschen des Deutschen Kulturrats, den er 2001
bekommen sollte, nahm er allerdings aus Protest gegen die Zerstörung
des Industriedenkmals Vockerode nicht entgegen. Der Mann hat auch im
Alter von 72 Jahren noch einen rebellischen Geist. Und das ist gut so.
Wer aber ist dieser visionäre Wissenschaftler, der meiner Meinung nach
als Nicht-Touristiker der beste VDRJ-Preisträger für 2010 wäre:
Karl Ganser, 1937 in Mindelheim geboren, hat in München Geographie
studiert, er promovierte 1964 und habilitierte sich 1970. Er lehrte an
der Ludwig-Maximilian–Universität München, arbeitete im
Stadtentwicklungsreferat München, leitete das Institut für Landeskunde
in Bonn und die Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumkunde,
war Abteilungsleiter Städtebau im Ministerium für Landes- und
Stadtentwicklung in Nordrheinwestfalen und Geschäftsführer der IBA.
Sein Ziel war u.a. Industrieanlagen als Kulturträger zu nutzen, sie für
die historische und kulturelle Identität der Region bewusst zu machen.
Genau das also, was Ruhr 2010 zur Kulturhauptstadt macht. Aber Ganser
ging es auch darum, Menschen für ihre freie Zeit (die auch durch
Arbeitslosigkeit oder Vorruhestand entsteht) Anregungen zu
sozial-kulturellen Betätigung zu geben. Und so wurde der Emscher Park
auch eine Freizeitlandschaft, die immer mehr Touristen anzog.
1999 ging Ganser selbst in den Ruhestand. Das bedeutet aber keineswegs,
dass er sich zur Ruhe setzte. Wie eh und je opponiert er gegen die
Zersiedlung der Landschaft, setzt sich vehement dafür ein, Städte
lebenswert zu gestalten und begeistert sich für fantastische
Industriekultur. So etwa beim Gaswerk in Augsburg, einem
Jugendstil-Ensemble, für dessen Erhalt er mit großem Engagement kämpft.
Wegen seines unermüdlichen Engagements für eine lebenswerte Umwelt, die
auch die Geschichte miteinbezieht und damit neue Attraktionen auch für
den Tourismus schafft, schlage ich Prof. Dr. Karl Ganser, der Licht in
den Hinterhof des Ruhrgebiets gebracht hat, als VDRJ-Preisträger 2010
vor.