PR und Journalismus: Zwischen allen Stühlen?

Der eine sieht schon das Ende des Qualitätsjournalismus gekommen, die andere singt das Hohe Lied der Partnerschaft. Bei der Touristischen Runde zum Thema „PR und Journalismus – Zwitter oder Zwilling“ stießen  die Meinungen hart aufeinander.  Schon die PR-Profis positionieren sich höchst unterschiedlich. Sieht es Gunther Träger von C&C, mit 25 Jahren Erfahrung in der Reise-PR  ein ausgebuffter Profi, eher gerne, wenn ein Journalist nicht „auch mal Widerstand leistet“, setzt  Daniela Piroth, Eigentümerin der noch jungen dp-marketingpr, auf gegenseitiges Verständnis und darauf, dass jede Seite die Bedürfnisse der anderen respektiert.  Auf der anderen Seite betonen die Journalisten Andreas Steidel von Sonntag Aktuell und Freelancer Fabian von Poser die Bedeutung einer unabhängigen und damit auch glaubwürdigen Reiseberichterstattung.

Mit einer Tour de Force durch die problematische Zeitungslandschaft unserer Tage leitet Gunther Träger die Diskussion ein:  Da mahne die FAZ einen Qualitätsjournalismus an, den der Medienjournalist Hans-Jürgen Jakobs in seinem Buch „Geist oder Geld“ vom Aussterben bedroht sieht.  Zur selben Zeit hat die WAZ ihren Reiseteil zu einem Profitcenter umgewandelt und den Reisechef zum Produktmanager gemacht. Ein Weg, der, so fürchtet Träger, für andere Zeitungen nachvollziehbar erscheinen könnte. „Da läuft es mir eiskalt den Rücken runter“, gesteht der PR-Profi. Zwar habe es von Anfang an in den Zeitungen nicht nur die „reine Lehre“ gegeben, aber noch nie „eine so dramatische Situation wie jetzt“. Dafür sorge nicht nur der wirtschaftliche Druck, sondern auch das Internet. Das world wide web könnte Anlass dafür sein, dass „die vierte Macht im Staat das fünfte Rad am Wagen wird“, sprich überflüssig. Den Qualitätsjournalismus kann nach Trägers Meinung nur eine staatliche Unterstützung retten, wie sie Medienjournalist Jakobs aber auch der frühere Bundesverfassungsrichter Grimm fordern. PR-Agenturen könnten da wenig tun, denn auch ihren Kunden ginge es derzeit „verdammt schlecht“.
So schwarz sieht Daniela Piroth die Situation nicht. „Wir profitieren beide, wenn wir professionell zusammenarbeiten“, ist sie überzeugt. Journalisten müssten allerdings wissen, dass bei Pressereisen „berechtigterweise eine Gegenleistung erwartet wird“. Sie appelliert an beide Seiten, Verständnis für die Bedürfnisse des jeweils anderen aufzubringen.  Sie selbst sehe sich mehr und mehr nicht nur als Interessensvertreterin für ihre Kunden, sondern für die Journalisten den Kunden gegenüber, die oft zu hohe Erwartungen hegten. Allerdings würde sie sich „manchmal etwas mehr Respekt den Einladenden gegenüber“ wünschen.
„Die Leser einer bezahlten Zeitung haben grundsätzlich ein Recht auf unabhängige und glaubwürdige Information“, geht Andreas Steidel  indie Offensive. Der Journalist („Ich bin kein Produktmanager, sondern Ressortleiter eines Reiseressorts, in dem man normalerweise gar keine Kollegen hat.“) plädiert dafür, nicht alles abzunicken, was aus der Anzeigenabteilung komme. Man müsse um Kompromisse ringen. Manches gehe aber grundsätzlich nicht: Anzeige gestützte Sonderveröffentlichungen, die nicht als solche ausgewiesen sind. Koppelgeschäfte von Anzeigen und Text, die nicht erkennbar sind und ebensolche Verlagsveröffentlichungen. Die Redaktion dürfe sich nicht blindlings vor den PR-Karren spannen lassen, mahnt Steidel die journalistische Eigenständigkeit an. Er wendet sich aber auch gegen „Nachdrucke aus hochwertigen Magazinen“, mit denen man den freien Kollegen das Wasser abgrabe. Von den Agenturen fordert er „spontanes Eingehen auf Themenwünsche, klare Absprachen im Vorfeld und Offenheit, was möglich ist und was nicht“. Ihm als Journalisten sind das authentische Erlebnis, der Kontakt zu Menschen wichtig. PR und Redaktionen empfiehlt der Reisechef der Stuttgarter Sonntagszeitung  eine möglichst „kreative Suche nach Schnittmengen“. Beide müssten sich als Partner begreifen, denn einer nutze dem anderen. „Es gibt schon noch Chancen für die Zeitung“, hofft Steidel, aber man dürfe eben nicht den Ausverkauf der Ressorts betreiben. Der Reiseteil sei ein integraler Bestandteil der Zeitung und „das pausenlose Ausgliedern erschütternd“.
Der Ausverkauf beginnt vor allem bei den freien Journalisten, hat Fabian von Poser erfahren. Mit acht Cent pro Zeile speise ein Verlag in Niederbayern freie Autoren ab, das höchste Honorar läge bei 1,80 Euro. Um davon leben zu können, müsse ein Freelancer zwei Talente mitbringen: „Er muss schreiben können und sich verkaufen.“ Vor allem bei letzterem hätten viele Journalisten Probleme, räumt von Poser ein. Trotzdem warnt er davor, immer nur zu jammern. Auch im Reisejournalismus sei jeder "seines Glückes Schmied". Er suche sich erst   eine große Zeitung für seine Geschichte und gehe dann „über die Dörfer“. Damit das möglich ist, müsse man mit Profis zusammenarbeiten, von denen man auch etwas erwarten könne. „Man muss Sonderwünsche haben“, ermuntert der Autor seine Kollegen zur journalistischen Neugier. „Ich komme nie mit nur einem Thema zurück. Ich bin ja auf Reisen um zu arbeiten.“ Für die PR-Kollegen wiederholt er seinen Rat: „Das Thema muss reizen“. Das ei allerdings bei 90 Prozent der Pressereisen nicht der Fall. Was die Nennung der Einladenden betrifft, verweist von Poser auf den Info-Kasten und fordert, man müsse sich Gedanken darüber machen, „was man da guten Gewissens unterbringen“ könne. Eine Airline, die einen Riesenumweg fliege und noch dazu teurer sei als andere gehöre nicht dazu. Auch da seien die PR-Agenturen gefragt.
Was aber, wenn die Kunden „beratungsresistent“ sind, wie PR-Frau Katja Driess es formuliert, und nachdrücklich „ihre Vierseitenstory in der Vogue“ einforderten. Die Agentur, meint sie, könne da nicht immer Mittler sein, sie werde ja von der einen Seite bezahlt. Driess hat das Gefühl, dass ihr Beruf sich „total“ verändere hin zum Media-Berater: „Zu Presse-Events erscheinen immer mehr Anzeigenleute.“
Auch die Reiseteile sind im Wandel  so Hans Werner Rodrian, der für die Münchner Abendzeitung die Reise gestaltet. Weil die überarbeiteten Redakteure kaum Zeit hätten, übernähmen zunehmend die Agenturen die Planung. „Wenige entscheiden was in der Masse erscheint.“  Dass sich auch die Leser ändern, macht Renate Drescher zu schaffen, die selbst ein kleines Reiseunternehmen betreibt. Es gäbe kaum mehr Reaktionen selbst auf große Zeitungsartikel. „Vielleicht hat der Leser kein Geld mehr für den Urlaub“, vermutet sie.
Gunther Träger macht  für den Wandel im Leseverhalten das Internet verantwortlich. Das Web verändere vieles in kurzer Zeit. Das sei ein dynamischer Prozess, der viel Geld verschlinge und letztendlich PR und Journalisten gleichermaßen gefährde.

3 Kommentare
  • Sylvia von Lichem
    Juni 25, 2009

    Lieber Gunther Träger, liebe touristische Runde – wie schön, dass man doch noch zum Schluß dieser Dískussion einen Schuldigen gefunden hat – das Internet. Als Online-Redakteurin mit über zehnjähriger Berufserfahrung auf diesem Sektor, muss ich diese Pauschalierung allerdings ablehnen. Am Netz wird mindestens ebenso seriös oder unseriös gearbeitet, wie anderswo – nur halt viel schneller. Denn Themen, die in Redaktionen erst ewige Zustimmungsgänge durchlaufen müssen, werden hier oft sehr schnell umgesetzt. Nicht immer zur Freude der Beteiligten. Aber Veranstalter/Kunden schätzen die schnellen Netznews durchaus – wo sonst ist man so schnell präsent und wird auch noch gefunden? Denn der Leser heute liest zwar sicher noch „seine“ Zeitung, sein Magazin und ein gutes Buch, zum Recherchieren geht er aber ins Netz – und bucht immer öfter, was er dort günstig und interessant findet.

    Vielleicht wäre es daher eine Überlegung wert, nicht immer nur auf das Internet zu schimpfen, sondern es auch positiv zu nutzen und zwar auf jenen Seiten, die nachweislich auch bei Google gefunden werden. Als eine von mehreren Möglichkeiten, Nachrichten zu kommunizieren. Damit wäre doch sicherlich allen geholfen, oder?

  • Julius
    März 21, 2010

    Die Vermischung von redaktionellem und werblichem ist so alt wie der Versuch der Teilung beider. Das Internet verlockt allerdings besonders dazu. Redaktionelle Texte locken die Suchmaschinen an und zack hängt da auch gleich eine Buchungsmaschine drunter. Ich denke, dadurch, dass für Redaktionelles nirgendwo mehr Geld da ist, wird die Kunst dann doch eher nach dem Brot gehen.

    Grüße
    Julius

  • googlereport.de
    April 15, 2010

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