Alpenromantik Fehlanzeige. Eberhard Neubronner ist dem Ursprünglichen auf der Spur, dem Authentischen. Der Journalist und Autor ist auf der Suche nach der verschenkten Zeit in einem abgelegenen Dorf im Piemont jenseits aller Katalogidylle, doch nah dran an den Menschen. Sant’Antonio heißt das Dorf im Val Vogna und seine Bewohner leben nicht nach der Uhr, sie verschenken ihre Zeit, kennen nicht die Hektik der Städte.
Doch sie werden immer weniger. In diesen abgelegenen Tälern hat die Landflucht dramatische Auswirkungen: Gerade noch 22 Menschen, vorwiegend Ältere, sind in sechs von ehemals 15 Weilern übrig geblieben. 1708 lebten hier noch 111 Familien, 534 Menschen, 1971 waren es noch 88. Natürlich: Es ist ein hartes Leben, selbst bestimmt zwar aber ohne die Chance auf das große Geld. Deshalb gehen ja auch die Jungen weg und lassen die Alten zurück. Die wissen es nicht anders. Oder sie haben sich an ihr Tal verloren, können nirgendwo anders leben.
Die Fremden sehen im Tal das Ziel ihrer Sehnsucht, ein Arkadien, machen das Dorf zur Kulisse und die Bewohner zu Statisten. Das kann nicht gut gehen, meint Eberhard Neubronner, der einen ganz anderen Weg geht, den Zugang sucht zu den Menschen, selbst zu denen, die sich verschließen, die nichts preisgeben wollen. Und so erzählt er vom Tal, von Menschenschicksalen, von der Natur, die „barbarisch“ sein kann, grandios und von abweisender Schönheit. Der Fremde wird hier niemals heimisch und diejenigen, die im Tal ausharren, werden immer weniger. „Die Letzten löschen das Feuer“ hat Neubronner sein Buch betitelt – einen Abschied in Wehmut. Die Briefe an einen Freund nehmen die Leser mit in das Tal, die Fotos machen sie vertraut mit einer Umgebung, die heute für uns exotischer ist als manche Insel im Fernen Osten.
Info: Eberhard Neubronner, Die Letzten löschen das Feuer, Briefe und Bilder aus den Bergen des Piemont, Verlag Berg & Tal, 120 S., 29,90 Euro, ISBN 978-3-939499-13-8