Nachhaltigkeit als „work in progress“

Dass Handlungsbedarf in punkto Klimaschutz besteht, bezweifelt kaum jemand. Das Thema stand auch im Zentrum des Tourismusgipfels und es beschäftigte die Touristische Runde München, die sich im einladenden Steigenberger Hotel München damit auseinander setzte, was Hotels zum Thema Nachhaltigkeit und Umweltschutz beitragen können. Es ging um grüne Visionen und die Mühen der Ebene, sprich der Realität. „Nachhaltigkeit ist eine Reise und nicht etwas, was man morgen abhaken kann“, stellte die Hotelberaterin Xenia zu Hohenlohe fest und verwies damit so manche grünen Träume ins Reich der Illusionen.

Das Thema Nachhaltigkeit hat die Hotellerie erreicht und stellt vieles auf den Kopf.

Die Mitarbeiter mitnehmen

Die Gründerin und Partnerin der Considerate Group will Nachhaltigkeit nicht als Damokles-Schwert begriffen haben. Auch Umweltinitiativen müssten Spaß machen, um greifen zu können, meinte sie. Vor allem bei jüngeren Unternehmen, hat sie beobachtet, „gehört Nachhaltigkeit zur DNA“. Ihrer Erfahrung nach täten sich kleine Familienunternehmen relativ leicht bei nachhaltigen Projekten. „Große Hotels haben ganz andere Probleme. Das ist ein Riesenprozess“.  Nachhaltigkeit ist für Hohenlohe eine Haltung. Die Unternehmen müssten die Rahmenbedingungen setzen, aber die Mitarbeiter müssten sie mittragen und auch mitgestalten.

Neben Zimmer und Bett interessiert die Gäste im Hotel auch der Preis. Noch ist das Umweltbewusstsein schwach.

Hilfreiche Zertifizierungen

Und da stehen die Hotels noch ziemlich am Anfang, wie die Diskussion zeigte. Philipp Hlousek, Projektleiter der Fondara Immobilien AG, die u.a. die „RiemHotels“ (unter den Marken H4 und H2) gegenüber der Messe München realisiert, aber auch Bürogebäude und Einkaufszentren im Programm hat, verwies auf die zentrale Rolle der Immobilien beim Erreichen von Klimaschutzzielen. Dabei sind für ihn Zertifizierungen wie LEED oder das DGNB-Zertifizierungssystem wichtige Hilfen (siehe unten). Die Branche forderte Hlousek auf, die Diskussion „ideologiefrei“ zu führen und im Lernprozess erkannte Defizite als Teil eines positiven Entwicklungsmomentums zu würdigen, ohne deshalb das Engagement anderer pauschal zu diskreditieren.

Nachhaltigkeit kostet

Neben Zimmer und Bett interessiert die Gäste im Hotel auch der Preis. Noch ist das Umweltbewusstsein schwach.

Ralph Schiller, Geschäftsführer des Reiseveranstalters FTI, warnte davor, Nachhaltigkeit auf „Umwelt und Greta“ zu reduzieren. Der Begriff enthalte auch eine soziale Komponente, bei der es auch um Mitarbeiter-Bezahlung in den Zielgebieten und um Völkerverständigung gehe. Was den Umweltschutz angehe, sei es wichtig, Geld in die Forschung zu stecken, um den CO²-Fußabdruck zu reduzieren. FTI verfüge über 2000 Hotels, die „nach einem kleinsten gemeinsamen Nenner“ zertifiziert seien. „Wir kaufen Hotels in erster Linie nach kommerziellen Interessen“, gab sich der Manager realistisch. Im „Mainstream“ sei auch nicht feststellbar, dass die Kunden bereit sind, für ein nachhaltiges Produkt mehr zu zahlen. „Da ist Skandinavien wesentlich weiter.“

Bier aus Brotresten

Dem konnte Christopher Rust von der Hotelgruppe Scandic nur zustimmen. Scandic sehe sich seit über 25 Jahren der Nachhaltigkeit verpflichtet, betonte der Unternehmenssprecher. Das Gäste-Interesse an dem Thema sei auch eine Altersfrage, wobei die jünger Zielgruppe „eher aufgeschlossen“ sei. Allerdings räumte auch Rust ein, dass für die meisten Gäste die Preisfrage überwiege. Es gebe aber grüne Initiativen, die „sehr gut angenommen“ würden, zum Beispiel „Toogoodtogo“ (https://toogoodtogo.de). Interessenten könnten unter dieser App eine Lunchbox mit Resten vom Frühstücksbüfett für 4,99 Euro bestellen. Das helfe, Abfall zu vermeiden, ebenso wie Essensreste an Bedürftige weiterzugeben. Eine andere Möglichkeit sei eine Roh-Bio-Anlage, in der Lebensmittelreste zu Biogas verarbeitet werden. Und in Skandinavien werde aus übrig gebliebenem Brot Bier gebraut.

Es gibt vielerlei Ideen, die Reste von Büfetts zu verwenden.

Das Problem ist die Lieferkette

Für eine effektivere Planung verwies Lars Wahnschaffe, Direktor CSR bei Steigenberger, auf die Software „Winnow“, die dabei helfe, Lebensmittelabfälle rentabel zu reduzieren (winnowsolutions.com) – auch durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Für ihn ist das Kernthema die „Lieferkette“, entlang der Handlungsbedarf bestehe. Für Wahnschaffe wirken auch beim Thema Nachhaltigkeit Anreize besser als Verbote. Wichtig sei aber auch eine wirksame Kommunikation, und an der fehle es bislang.

Vorwärts mit Tippelschritten

„Es geht schon voran – mit kleinen Schritten“, resümierte Moderatorin Maria Pütz-Willems. FTI-Mann Schiller verwies in diesem Zusammenhang auf das Pilotprojekt des Veranstalters mit Futouris, der Nachhaltigkeitsinitiative des Deutschen Reiseverbands, zur Abfallvermeidung in drei Hotels auf den Kanaren. Ein ganz anderes Pilotprojekt brachte Christopher Rust von Scandic ins Gespräch. So würden in den schwedischen Hotels die Zimmer nur jede zweite Nacht gereinigt. „Damit haben wir bereits 17 Millionen Liter Wasser eingespart,“ erklärte Rust zufrieden. Auch beim Thema Plastik sei man auf einem guten Weg. Bei Scandic gebe es keine Einzelverpackungen mehr, was die Hotels allerdings auch die Auszeichnung mit Sternen gekostet hat. Und mit „Whistle-Blowing by Scandic“ wolle man die Mitarbeiter dazu ermutigen, Missstände aufzuzeigen und genauer hinzuschauen.

„Schwach ausgeprägtes Bewusstsein“

„Es wird noch dauern, bis wir flächendeckend Nachhaltigkeit hinkriegen“, warnte  auch Ralph Schiller vor zu großem Optimismus. Noch sei das Bewusstsein dafür bei den Normalreisenden „eher schwach ausgeprägt“. „Das heißt aber nicht, dass es nicht plötzlich ganz schnell gehen kann.“  Nachhaltigkeit, so scheint es, ist zwar in den Hotels angekommen, aber noch immer eher „work in progress“ als ein gemeinschaftliches Ziel, das es so schnell wie möglich zu erreichen gilt.

Die Experten der Runde (v. links) Philipp Hlousek, Projektleiter der Fondara Immobilien AG, Christopher Rust von der Hotelgruppe Scandic, Hotelberaterin Xenia zu Hohenlohe, Moderatorin und Hotelfachfrau Maria Pütz-Willems, FTI-Geschäftsführer Ralph Schiller und Lars Wahnschaffe, Direktor CSR bei Steigenberger.

Die wichtigsten Zertifizierungen

Der Immobiliensektor spielt zum Erreichen der Klimaschutzziele eine zentrale Rolle – auch in den Hotels. Umso wichtiger sind klare Kriterien. Auch da helfen Zertifizierungen:
BREEAM steht für Building Research Establishment Environmental Assessment Method und ist das älteste und am weitesten verbreitete Zertifizierungssystem für nachhaltiges Bauen. Kriterien sind Wasser, Energie, Landverbrauch und Ökologie, Gesundheit und Wohlbefinden aber auch Management, Transport, Material und Verschmutzung.
Auf dieser Basis wurde 1998 zur Klassifizierung nachhaltiger Gebäude das US-amerikanische System LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) entwickelt.
Das DGNB Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen dient der objektiven Beschreibung und Bewertung der Nachhaltigkeit von Gebäuden und Quartieren. Bewertet wird in 37 Kriterien die Qualität über den kompletten Gebäudelebenszyklus hinweg. Im Zentrum stehen dabei sechs Kernthemen wie gestalterische und baukulturelle Qualität, Eu-Konformität, Innovation aber auch „Der Mensch im Mittelpunkt“ und „Sustainable Development Goals“, als Ziele einer nachhaltigen Entwicklung.
Bei den Hotels allerdings gibt es inzwischen weit über 100 Siegel. Da fällt der Durchblick im Zertifizierungs-Dschungel schwer. Hier die wichtigsten:
Bei  EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) werden die Umweltmanagementsystem des Hotels von staatlichen Prüfern begutachtet.
ISO 14001 wurde 1996 von der Internationalen Organisation für Normungen festgelegt und soll den Umweltschutz im Einklang mit wirtschaftlichen, sozialen und politischen Erfordernissen fördern.
The Green Key wird als unabhängiges Zertifikat von den Vereinten Nationen anerkannt. Im Zentrum stehtt das nachhaltige Handeln von Personal, Zulieferern und Gästen.
Biosphere wird vom internationalen Centre for Responsible Tourism vergeben, das der UNESCO angeschlossen ist. Dabei wird nicht nur auf Umweltschutz geachtet, sondern auch darauf, dass sich die Hotels für die Förderung von Bildung, Kultur und Wissenschaft in ihrer Region einsetzen.

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