Münchner G’schicht’n

 Die bayerische Metropole, lange Zeit auch als Hauptstadt mit Herz beliebtestes Städteziel in Deutschland, feiert in diesem Jahr ihren 850. Geburtstag. Rechtzeitig zu den Feierlichkeiten haben die Historiker Reinhard Bauer und Ernst Piper ihre „Kleine Geschichte Münchens“ veröffentlicht, ein ziemlich dickes Buch prall gefüllt mit Geschichte und Geschichten über und aus der Isarmetropole.

Es fängt schon gut an: die Stadt München verdankt ihre Entstehung eigentlich einem „Piratenakt“. Weil Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen und Bayern, die Zolleinnahmen für den Salzhandel selbst kassieren wollte, ließ er 1157 im Brachland an der Isar eine Brücke und Straßen bauen, um den lukrativen Handel umzuleiten – heute steht da übrigens das Deutsche Museum. Dieser rechtswidrige Eingriff löste einen langen Streit aus, der 1158 durch den „Augsburger Schied“ von Kaiser Barbarossa auf dem Augsburger Reichstag beigelegt wurde. Dass München (aus "apud Munichen", bei den Mönchen) aus gerechnet in Augsburg erstmals erwähnt wurde, ist besonders pikant –  leiden doch die Augsburger bis heute unter Minderwertigkeitskomplexen, wenn man ihre Stadt mit der Boomtown an der Isar vergleicht.
Dass auch die sprunghafte Entwicklung Münchens nicht ohne Brüche verlief, verschweigen die kundigen Autoren nicht. In der Zeit des Nationalsozialismus galt die Stadt an der Isar als Hauptstadt der Bewegung und schon 1919 herrschte hier Pogromstimmung. Erstaunlicherweise entwickelte sich fast gleichzeitig die literarische Boheme in Schwabing. Namen wie Franziska von Reventlow, Frank Wedekind, Klabund, Lion Feuchtwanger und die Gebrüder Mann mehrten das Ansehen der Stadt. Der Augsburger Bert Brecht arbeitete mir Karl Valentin zusammen und Otto Falckenberg machte die Kammerspiele zur beliebtesten deutschen Sprechbühne nach Berlin. Die blühende Kulturszene versank im braunen Sumpf, in dem auch der Widerstand der Weißen Rose um Hans und Sophie Scholl erstickte.
Nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs erstand die Stadt buchstäblich aus Ruinen und spätestens mit den Olympischen Spielen 1972, die durch den Überfall palästinensischer Terroristen auf die Mannschaft Israels aus ihrer Heiterkeit gerissen wurden, war München zur Weltstadt gereift. Oktoberfest und Schicki-Micki-Szene, deutschlandweit durch die Fernsehserie „Kir Royal“ verbreitet, prägten lange Zeit das Bild einer selbstverliebten, lebenslustigen Stadt. Oberbürgermeister Christian Ude, nach seiner Wiederwahl zum Bürgerkönig geadelt, setzt derweil neue Akzente und will die 850 Jahre alte Stadt als High-Tech-Zentrum  zukunftssicher machen.
All das ist  interessant, manchmal auch unterhaltsam zu lesen, immer fundiert geschrieben und liefert einiges an Hintergründen, die auch Münchnern noch neu sein dürften.     

Info: Richard Bauer, Ernst Piper: Kleine Geschichte Münchens mit einem Vorwort von Christian Ude, dtv, 356 Seiten, 16,90 Euro, ISBN 978 3423 246507 

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