Lied vom Tod: Anna Mitgutschs „Wenn du wiederkommst“

Wenn du wiederkommst, hatte Jerome zum Abschied am Flughafen gesagt. Es schien alles selbstverständlich und sie wollten die Zeit, die vor ihnen lag, noch nutzen, ausleben. Und dann die Nachricht seines Todes. Sie stürzt die Ich-Erzählerin von Anna Mitgutschs Roman „Wenn du wiederkommst“ in ein Meer von Trauer. Der Sog ist umso stärker, als sie lange Jahre getrennt von Jerome gelebt hatte. Sie war eine Nicht-Ehefrau, eine Nicht-Witwe, der die engsten Angehörigen die Trauer nicht einmal zustanden.

Aus der Sicht dieser Frau erzählt die Autorin vom endgültigen
Abschiednehmen. Es ist ein Tagebuch der Trauer über den Zeitraum eines
jüdischen Trauer-Jahres hinweg, ehrlich bis zur Schmerzgrenze und ohne
Larmoyanz. Der Tod wirft die Frau aus der Bahn, grenzt sie aus, macht
sie einsam. Nur die Tochter ist noch da, mehr als Resonanzboden für die
eigene Verstörung denn als Gesprächspartnerin. Die Trauer wird zum Drama
in mehreren Akten. Der Idealisierung des Verstorbenen in glücklichen
Erinnerungen folgt die Demontage, die Auseinandersetzung mit den Fehlern
des anderen und den eigenen und am Ende dann die Versöhnung mit dem was
war und dem was noch kommen wird. Mitgutsch seziert diesen Tod eines
geliebten Menschen bis ins kleinste, leidvolle Detail. Mit namenlosem
Entsetzen reagiert die Zurückgebliebene auf die Endültigkeit ihres
Verlustes: „Ich sitze auf der Bank mit meiner von der Zukunft
abgeschnittenen Vergangenheit, und das Leben erscheint mir wie ein
unergründliches, mit der Fremdheit des Todes versiegeltes Geheimnis, vor
dem mir schaudert.“
Und doch: Trotz der erdrückenden Trauer, die ist dieses wunderbar
poetische Buch ein Plädoyer für das Leben und die Liebe – auch oder
gerade im Angesicht des Verlustes. Ein großartiger Roman über die
Begrenztheit der menschlichen Existenz und die Fahrlässigkeit, mit der
wir mit der kurzen Zeit umgehen, die wir haben. 
Info: Anna Mitgutsch, Wenn du wiederkommst, Luchterhand, 272 S., 19,95
Euro

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