Autorin: Siobhan Dowd
Verlag: Carlsen Erschienen: Juli 2006 |
Kaum zu glauben, dass die
Geschichte, die Siobhan Dowd in ihrem ersten Jugendroman erzählt, gerade mal 22
Jahre her ist. In diesen 22 Jahren hat Irland einen riesigen Sprung nach vorne
gemacht und nichts ist mehr wie es einmal war. Zum Beispiel 1984, im vorigen
Jahrhundert also. Damals war Irland noch stock-katholisch. Die Kirche hatte das
Sagen, in der Politik und in den Familien. Und in Shells Familie sowieso. Und in Shells Familie sowieso. Nach
dem frühen Tod der Mutter war ihr Vater, ein Säufer, zum bigotten Eiferer
geworden, der seine drei Kinder zum Beten und Arbeiten zwang.
Die 16-jährige Shell muss
sich um die beiden jüngeren Geschwister kümmern, um den Haushalt und eigentlich
auch um sich selbst. Ihre schulischen Leistungen lassen zu wünschen übrig und
Shell beginnt am Leben zu verzweifeln. Erst der junge, idealistische Pater Rose
macht dem Mädchen wieder Hoffnung. Doch die (platonische) Verbindung hat keine
Chance gegen den Dorftratsch. Frustriert lässt sich Shell mit dem Messdiener Declan
ein, der auch ihre Freundin Birdie bezirzt hat. Die Affäre bleibt nicht ohne
Folgen, auch wenn Shell in ihrer Unschuld lange nichts ahnt. Jimmy, ihr kleiner
Bruder, ist da schon viel weiter.
Declan ist schon längst über alle Berge, als
Shell sich ihre Schwangerschaft eingesteht. Und ihr Vater? Der lässt sich kaum
mehr blicken, scheint das Haus zu fliehen. Das Dorf tratscht, weiß aber nichts
Genaues. Und Shell hat niemanden, dem sie sich anvertrauen kann. Auch Pater
Rose geht ihr aus dem Weg.
Es ist schon beinahe
Weihnachten, als Shell niederkommt, heimlich und zu Hause. Mithilfe ihrer
kleinen Geschwister. Aber das Baby ist tot. Shell begräbt ihr kleines
Mädchen am Haus. Und dann passiert etwas, was den Dorffrieden gehörig
durcheinander wirbelt und ganz Irland in Aufregung versetzt.
In einer Höhle am
Meer wird ein totes Baby gefunden, ein kleiner Junge. Shell gerät in den Verdacht,
die Kindsmörderin zu sein. Alles scheint sich gegen sie verschworen zu haben. Selbst ihr Vater, der einen Mord gesteht, den
er nicht begangen haben kann. Das Dorf zeigt mit dem Finger auf die Familie und
sonnt sich in Selbstgerechtigkeit – bis auf eine Familie, die Shell und ihren
Geschwistern vorübergehend eine Zuflucht bietet.
Siobhan Dowd erzählt von
Einsamkeit und Hilflosigkeit, von Engstirnigkeit und Engherzigkeit. Sie erzählt
aber auch vom Mut der Verzweiflung und von der Lust am Leben. Ein bewegendes
Buch für junge Leser(innen) ab 14.
Info: Siobhan Dowd, Ein
reiner Schrei, Carlsen, 300 S., 15 €