Laudatio für den Museumsmacher Reinhold Messner

Die VDRJ hatte schon manchen Preisträger, der über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt war. Cesar Manrique beispielsweise, der spanische Ästhet, dem Lanzarote seine Einmaligkeit zu verdanken hat. Oder Friedensreich Hundertwasser, der zusammen mit dem Bauunternehmer Rogner in Blumau bewiesen hat, dass Kunst und Tourismus durchaus in Einklang sein können. Auch den Preisträger dieses Jahres brauche ich nicht groß vorzustellen. Reinhold Messner kennt jeder. Den Mann der als erster alle 14 Achttausender bestiegen hat. Den Mann, der den Everest ohne Sauerstoff erklommen hat, der die Eis- und Sandwüsten dieser Erde durchschritten hat und dem Yeti auf die Spur gekommen ist. Den Mann, der Dutzende von Büchern verfasst und in Brüssel nachhaltige Politik vertreten hat. Den Mann schließlich, den das Deutsche Fernsehen schon zu Lebzeiten zur Legende erhoben hat.


Mit seinen Alleingängen und Abenteuern hat sich der Grenzgänger Messner
freilich im Lauf seines mittlerweile 62 Jahre währenden Lebens auch
einige Feinde gemacht, darunter ehemalige Bergsteigerfreunde und die
größte Tageszeitung Südtirols. „Die Schrecken des Eises und der
Finsternis“, so ein Romantitel, hat er buchstäblich und auch
symbolisch durchlebt. Dabei hat er sich auch Freunde gemacht – und
Bewunderer. Den Autor des vorher genannten Buches, Christoph Ransmayr,
einen Seelenverwandten, etwa. Den Lichtkünstler Gerd Hof, der für
Messner die Berge in den Himmel wachsen ließ. Den Unternehmer Heiner
Oberrauch
, den Sänger Reinhard Mey oder den Zeichner Paul Flora, dessen
zarter Strich so gar nicht zu Messners Scharfzüngigkeit zu passen
scheint. Politiker sind darunter, Künstler und Bauern. Und seit
neuestem auch Reisejournalisten.
Die Sympathie der VDRJ hat sich Reinhold Messner nicht mit seiner
Lebensleistung als Guru der Berge erobert, sondern mit einem Projekt,
das im besten Sinn des Wortes nachhaltiger Tourismus ist. MMM heißt in
diesem Fall natürlich nicht Magic Marilyn Monroe, sondern Messner
Mountain Museum
und die drei M’s bezeichnen ein ganzes Museumskonzept,
fünf Häuser, die über ganz Südtirol – und darüber hinaus – verstreut
sind. Fünf Museen, in denen die Touristen das kleine Land zwischen den
großen Bergen einmal ganz anders kennen lernen können. Fünf Häuser, in
denen sie erfahren, was der Berg mit dem Menschen macht und warum wie
bei Moses die Erkenntnis von oben kommt. „Wir gehen nicht in die Berge
der Berge wegen, sondern um unseretwillen“, ist Reinhold Messner
überzeugt. Und diese Überzeugung spiegeln seine Museen wider.
„Wir sehen die Berge ja oft nur als Postkartenmotiv“, kritisiert der
Mann aus dem Villnößtal und stellt nüchtern fest, dass wir heute im
Zeitalter des Pistenalpinismus leben mit fixen Infrastrukturen bis
hinauf zum Gipfel des Everest. Reinhold Messner hat das noch anders
gekannt und er weiß, was er seiner Herkunft zu verdanken hat. „Wäre ich
nicht in dem Bergtal geboren, ich hätte nicht diese Leidenschaft für
die Berge und die Bergvölker entwickelt.” Heute, so räumt der frühere
Rekordjäger ein, interessiere ihn der Mensch am Berg mehr als der
Gipfel, interessieren ihn die heiligen Berge mehr als die hohen. Der
Mythos Berg, die Berge und ihr Geheimnis, das, was der Berg mit dem
Menschen macht all das sollen die fünf Häuser beinhalten, in deren
Zentrum Firmian auf Schloss Sigmundskron bei Bozen steht.
Der lang umkämpfte Standort ist für den Macher der Motor des Ganzen.
„Ohne Sigmundskron hätte ich das Projekt aufgeben müssen,” gestand er.
Allein schon der fantastischen Lage wegen habe er um den Standort
gekämpft. Jetzt hat er einen Pachtvertrag über 30 Jahre, Zeit genug, um
die Ruine so zu sanieren, dass sie nicht weiter zerfällt. Eine Glas-
und Stahlkonstruktion wurde so in die alten Mauern integriert, dass
Räume für Geschichten entstehen. Denn das ist es, was Messner will:
Geschichten erzählen, Emotionen schaffen, anhand von Bildern und
Reliquien (so nennt er Überbleibsel aus der Bergsteigergeschichte).
Dabei soll jedes der einzelnen Häuser überraschend neu und anders sein
und so auch neue und andere An- und Einsichten eröffnen:

Ortles
in Sulden unter dem Eisriesen Ortler thematisiert die Gletscher und das
„ewige Eis” unter dem poetischen Namen „Am End‘ der Welt” (so heißt
auch der vergängliche Gletscher direkt über dem Museum.

Juval
, das Schlossmuseum im Vinschgau, zeitweise auch Sommerwohnsitz der Familie, widmet sich dem Thema „Mythos Berg”.

Dolomite
s, das einzige Haus außerhalb Südtirols, südlich von Cortina
d’Ampezzo
gelegen, „mitten im Felsenreich” mit einem Rundblick auf 1000
Gipfel ist „Das Museum in den Wolken”, in dem die Entstehung der
Dolomiten erfahrbar wird.
Firmian, das Herzstück des MMM, will unter dem Motto „Der verzauberte
Berg” aufklären über Berge und die Menschen im Gebirge. Die Besucher
werden im Uhrzeigersinn um den „heiligen Berg” herumgeführt, eine nicht
begehbare Kapelle aus dem neunten Jahrhundert.
Nach Sigmundskron wird das Bergvölker-Museum für das Projekt am
wichtigsten sein. Inzwischen steht der Standort fest. „Das Erbe der
Berge“ wird im Pustertal bei Bruneck auch die Architektur in den Bergen
veranschaulichen – und Vergleiche zwischen den unterschiedlichsten
Bergvölker-Kulturen herstellen. Messner kennt sie alle. Er, der sich
selbst auch Bergbauer nennt, weil er bei Juval einen Hof
bewirtschaftet, weiß um das fragile Gleichgewicht zwischen Mensch und
Natur in den Bergen. Er redet nicht nur darüber, sondern sorgt mit
Stiftungsgeldern dafür, dass die Menschen am Nanga Parbat und in den
Anden eine Zukunft haben. Als Gutmenschen kennen den umtriebigen
Südtiroler die wenigsten. Auch das ist eine Seite des Menschen Reinhold
Messner.
Wenn das Bergvölkermuseum in spätestens vier Jahre fertig sein wird,
sind auch die 15 Jahre um, die Reinhold Messner seiner Museumsphase
zugebilligt hat, der sechsten in seinem ereignisreichen Leben, das den
Studenten der Vermessungskunde und zeitweiligen Mathematiklehrer vom
Bergkletterer über den Höhenbergsteiger und Grenzgänger bis zum
Erkunder der Heiligen Berge, zum Politiker und eben zum Museumsmacher
führte. Seinen 15. Achttausender nennt Messner das ambitionierte
Projekt und will damit sagen, dass er dafür kämpfen musste wie bei der
Eroberung der höchsten Berge der Welt. Und wie bei der Bezwingung des
Mount Everest ohne Sauerstoff drohte auch ihm auch diesem
Sisyphos-Unterfangen zeitweise die Luft auszugehen.
Innerhalb von diesen 15 Jahren jedenfalls soll das Messner Mountain
Museum sich auch selbst tragen. Denn Subventionen gibt es nicht. Schon
jetzt müssen 100 000 Menschen die bisher bestehenden Museen besuchen,
damit Energiekosten und Angestellte bezahlt werden können. Doch der
Grenzgänger und Abenteurer Messner ist zuversichtlich bei fünf
Millionen Touristen, die jährlich nach Südtirol strömen. „Ich werde es
schon schaffen”, macht er sich Mut. So wie er bisher alles geschafft
hat, die höchsten Berge, Eis und Wüsten, Bücher und die Politik, weil
er jede seiner Lebensphasen „mit Vehemenz“ gelebt hat. Jetzt, in einem
Alter, in dem andere den Ruhestand genießen, ist Reinhold Messner also
Museumsmacher und wie immer ist sein Ehrgeiz schier grenzenlos: „Die
Transzendenz ist das, was ich am Ende haben will.” Messner sieht die
Berge als „Brücke zum Himmel” und er hofft, dass durch seine Museen das
passiert, was der Dichter William Blake so formuliert hat: „Wenn Mensch
und Berg sich begegnen, kann Großes geschehen.”
Auch Reinhold Messner sagt gerne große Sätze wie „Ich wollte einmal
hoch hinaufsteigen, um tief in mich hinabzusehen.” Der Mann hat sich
noch nie mit Halbheiten zufrieden gegeben. Auch nicht als
Museumsmacher. Trotz aller Einwände und Sabotage-Versuche musste es
Sigmundskron sein, die geschichtsträchtige Burg über Bozen. Die Burg,
wo die Südtiroler unter Silvius Magnago ihre Autonomie einforderten,
sollte das Herz des Mountain Museums werden. Die Proteste waren
programmiert. Messner, der ungeliebte Prophet im eigenen Land, wolle
die Burg vereinnahmen, hieß es. Jetzt sind die Proteste verstummt. Das
Museum Firmian in Schloss Sigmundskron ist eröffnet und selbst die
größten Kritiker sind zufrieden. Reinhold Messner könnte stolz auf sich
sein. Aber er gibt sich fast ungewohnt bescheiden und verweist auf
Sammler, Künstler, Unternehmer und Freunde, die ihn unterstützten. „Ich
bin ja kein Museumsdirektor. Ohne diese genialen Köpfe hätte ich das
nie machen können.“
Zum Glück hat er es gemacht.
Und die Besucher kommen in Scharen. Sie wollen die Burg sehen und die
Bilder und Skulpturen, die der Weltbürger Messner zusammen getragen
hat. Sie wollen erfahren, was die Bergvagabunden und Pioniere bei ihren
lebensgefährlichen Touren umtreibt.
Der Südtiroler Architekt Werner Tscholl hat ihnen dazu die nötigen
Einbauten geliefert. Es sind auch Stufen zur Erkenntnis. Und die
Besucher müssen nicht auf den höchsten Berg der Welt steigen, um tief
in sich hinabzusehen.
Reinhold Messner macht es ihnen leicht und will es ihnen in Zukunft
noch leichter machen. Mountainbike-, Wander- und Busrouten sollen die
einzelnen Museen miteinander verbinden und damit den Touristen neue
Wege weisen. Auch wenn er in seiner siebten Phase vielleicht noch etwas
ganz Neues machen will, fühlt er sich dem MMM verpflichtet. „Ich werde
mich bis zu meinem Lebensende um diese Museum kümmern“, hat er
versprochen. Wir wünschen Reinhold Messner noch lange Zeit zum
Kümmern.

Ein Kommentare
  • Eva Bernardi
    März 1, 2007

    Messner ist und bleibt Messner – unerreichbar in allem. Ein bewunderswerter Mensch, der es immer wieder schafft, sich über alle Schwierigkeiten hinwegzusetzen. Schade, dass man ihn im eigenen Land so verkennt! Messner for ever!
    Eva Bernardi

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert