Innovationen im Tourismus: Fluch oder Segen?

Die Welt ist entdeckt, weiße Flecken auf der touristischen Landkarte gibt es kaum mehr.  Touristiker müssen sich deshalb immer wieder Neues einfallen lassen, um ihre Kunden zufrieden zu stellen. Das ist nicht immer ganz einfach. So manche Innovation ist schon durchgefallen, ehe sie so richtig auf den Markt kam. Die Touristische Runde München diskutierte über Innovationen im Tourismus und kam zu den Schluss, dass  manche „Innovation“ nur ein in der Wolle gefärbter „alter Hut“ ist, dass einiges viel Geld verschlang und dann doch floppte, dass Innovationen aber nichtsdestotrotz notwendig sind wie das Salz in der Suppe.

Die Tatsache, dass Deutschland mit einem elften Platz  unter 15 Industriestaaten  nicht gerade innovationsfreudig ist – Platz 1 auf der IW-Trendskala halten die USA, gefolgt von Großbritannien und Schweden – macht es den Touristikern nicht leichter, wie Futour-Gründer Peter Zimmer gleich zu Anfang einräumte. Dennoch machte er klar: „Man muss heute alles außer gewöhnlich sein.“ Denn: Wer heute keine innovativen Fähigkeiten enwickele, konkurriere morgen mit 1,39 Milliarden Chinesen. Bayern bescheinigte Zimmer einen Investitionsstau und forderte mehr „Leuchtturm-Projekte“.
Vorbildlich sind für ihn etwa die Lindner Hotels mit ihren Zimmern der Zukunft. „Man stelle sich vor: das Hotelzimmer empfängt Gäste in ihren Lieblingsfarben, das Badewasser ist wunschgemäß eingelassen, die Minibar mit den Favoriten gefüllt, im Hintergrund läuft die Lieblingsmusik. Nebenbei sorgen Lichtprojektionen für Atmosphäre nach Wunsch.“  Auch das Reisebüro (Instyle-Travel), das mit einer Maßschneiderei zusammenarbeitet, die Kreuzfahrt (Rivercloud), die sich um Schokolade dreht oder der Reiseveranstalter (DNV-Tours), der das erste Radler-Resort Europas an der masurischen Seenplatte eröffnet sind für Zimmer im besten Sinn Trendsetter. Unter Negativbeispielen stufte der Experte dagegen die auf die Zielgruppe „Erwachsene“ abgestimmten Hotels und Resorts der Marke Vanity, bei denen Kinder „draußen bleiben“ müssen, oder den Wurstgipfel der Osttiroler Tourismusgemeinde Prägraten, die wegen der „Verwurstung der Berggipfel“ Schelte nicht nur vom Alpenverein einstecken musste.
Dass heimische Tourismusorganisationen wie der Deutsche Tourismusverband oder Bayern Tourismusmarketing Innovationspreise ausschreiben, wertet „Berufsoptimist“ Zimmer als positiv: „Wir müssen auch im Tourismus von den Besten lernen oder selber kreativ sein“, forderte er und verwies, ganz ADAC-Mann, auf die ADAC-Planungsbroschüren „Deutschland-Tourismus. Innovativ die Zukunft gestalten“ oder „Kreative Wege zum besseren Angebot“.
Für Nicole Habrich vom Deutschen Tourismusverband (DTV) stellen sich immer wieder die gleichen Fragen „Wie profiliere ich mich? Wie bleibe ich beim Gast im Trend?“ Deshalb habe sich der DTV entschlossen, zukunftsweisende Angebote ans Licht zu bringen und in der Branche bekannt zu machen. Der Tourismuspreis sei dabei auch eine Argumentationshilfe. 2005, als er eingeführt wurde, gab es 130 Bewerbungen. Inzwischen hat sich die Zahl auf jährlich 100 eingependelt. Für Habrich Beweis genug, „dass es viele tolle Ideen in Deutschland gibt“.

Eine davon präsentierte Wolfgang Eckardt, Aufsichtsratsvorsitzender der Franken Therme Bad Windsheim, des letztjährigen Preisträgers: den Salzsee Bad Windsheim, „das  fränkische tote Meer“. Man habe aus der Not eine Tugend gemacht, berichtete der „Erfinder“, und den Überschuss an gesättigter Sole für den Salzsee genutzt statt ihn für teures Geld zu entsorgen. Auch bei der Beheizung habe man die Umwelt berücksichtigt und sich für die Wärme aus einer Biogasanlage und einem Hackschnitzelwerk entschieden.   Schon jetzt sei der so entstandene Salzsee mit seinem hohen Auftrieb „ein Zugpferd ohnegleichen“ – auch dank der hohen Medienaufmerksamkeit durch den Preis.
Genau das wolle Bayern Tourismus Marketing (BTM) auch für seine Klientel schaffen, erklärte Sybille Wiedenmann. Für den bislang fünfmal von BTM verliehen Innovationspreis seien keine Millionen-Investitionen nötig gewesen, sondern originelle, pfiffige Ideen wie das Steinzeit-Museum in Siegsdorf oder das Bergwander-Erlebniszentrum in Ruhpolding. Die Marketingleiterin verhehlte allerdings nicht, dass es auch Rückschläge gab, Projekte, „die wir nicht vom Boden bekommen haben“. Oft habe es bei der Markteinführung an der kritischen Masse gefehlt und so manche hoch gelobte Innovation sei am fehlenden Interesse gescheitert. Wichtig sei die richtige Idee für die Zielgruppe. Nur so könne sich die notwendige Eigendynamik entwickeln. Ein Preis allein, so Wiedenmann selbstkritisch, genüge nicht. Dazu müssten auch das notwendige Know how und eine finanzielle Anschubförderung kommen. Die Bayernvertreterin gab sich trotz allem optimistisch: „Man kann den Markt bewegen“ Und sie versprach: „Wir werden weiter anschieben und planen auch 2008 einen Preis.“
„Wenn man den Markt nicht mitgestaltet, bleibt man irgendwann stehen und fällt aus dem Markt“,  assistierte Ury Steinweg, Gründer und Geschäftsführer des Studienreisespezialisten Gebeco. Für ihn sind Preise auch Motivation für die Mitarbeiter. Gebeco mangelt es nicht an den begehrten  Auszeichnungen. Auf der ITB 2007 hat der Veranstalter zwei silberne und eine goldene Palme von Geo Saison abgeräumt und auf der CMT wurde von Sonntag aktuell Gebeco für das Themenjahr „Religionen unserer Welt“ ausgezeichnet. Natürlich seien solche Preise auch ein Verkaufsargument, räumte Steinweg ein. Erfahrungsgemäß seien allerdings nicht die innovativen Reisen die Renner sondern die Klassiker. Auch bei Gebeco finanzierten sie die teure Einführung von Neuheiten. Durch die hohe Medienaufmerksamkeit für ausgezeichnete Reisen können sich diese allerdings auch zu Publikumsfavoriten entwickeln. So geschehen bei Thailand aktiv, das vor Jahren die Goldene Palme einheimste und heute eine der wichtigsten Thailandprogramme ist. Ausgangspunkt für das Themenjahr, so Steinweg, sei die Tatsache, dass man ein Land nur verstehen könne, wenn man seine Religion verstünde. Bei allen Reisen im Themenjahr diene die Religion als Erklärungsansatz, als Zugang zu Land und Kultur. Die billigste Reise (unter 700 Euro) führe nach Istanbul „zum Patriarchat“.
Alles außer billig ist das Angebot von Design Reisen aber auf jeden Fall außer gewöhnlich. Das bewies Christoph Berner mit seiner kurzen Präsentation des noch jungen „High-end  Luxusveranstalters“. Schon mit dem Shop-in-Shop-Konzept betritt Design-Reisen Neuland. In den Münchner Räumen von Starfriseur Gerhard Meir können die betuchten Kundinnen quasi beim Haareschneiden den Urlaub buchen. „Frisöre erzählen von ihren Reisen, während sie den Damen die Haare färben oder in Locken legen“, erläuterte Berner das Konzept. Schon 2006 hatte Design Reisen durch einen duftenden Reisekatalog auf sich aufmerksam gemacht. Denn, so Berner, erstklassige Reisen aus First-Class-Flügen, Limousinen-Service und Luxushotels zusammenstellen, könne jeder. Wer auffallen wolle, müsse sich deshalb etwas einfallen lassen. Beispielsweise Anzeigen, die niemand überblättert, weil die Bildformate oder –Inhalte irritieren. Oder ungewöhnliche Kooperationen. Als erstes Modeunternehmen ist Bogner bei Design Reisen eingestiegen. Seit einem Jahr gibt es Bogner Travel und das edel gestaltete Bogner Travel Magazin mit den Lieblingszielen von Sonja und Willy Bogner. Noch exklusiver ist die Partnerschaft mit Virgin Galactic: Ende 2008 sollen die ersten Touristen ins All befördert werden. Über mangelnde Medienaufmerksamkeit kann sich Design Reisen da nicht beklagen. Die ersten Tickets für den Kurztrip von zweieinhalb Stunden sind schon verkauft – für schlappe 200 000 Dollar. 

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