Dieser Roman kommt wie ein ungebremster Gedankenstrom über die Leser, unablässig rotierend um Liebe und Hass, um Ehe, Kinder, Herkunft und Zukunft. Jamaica Kincaids neuer Roman „Damals, jetzt und überhaupt“ lässt keine Distanz zu, sondern zieht die Leser tief hinein in die Gefühlswelt einer schwarzen Frau aus der Karibik, die einen weißen New Yorker geheiratet hat und deren Ehe an der Gegensätzlichkeit der Partner scheitert.
Sie sind alles andere als süß, Mr. und Mrs. Sweet. Von Anfang an ist klar, dass Mr. Sweet seine fett gewordene Frau hasst. Er hasst sie so sehr, dass er davon träumt, ihren abgeschlagenen Kopf auf dem Küchenbord zu sehen. Für den kleinen Mann, der nichts so sehr liebt wie die Musik, ist Mrs. Sweet ein Monster, das in einem Bananenboot ins gelobte Land kam und das ihn mit monströsen Kindern an ein verhasstes Heim fesselt. Dass er sie gegen eine jüngere, schönere Frau eintauscht, ist seiner Meinung nach nur gerecht. Und Mrs. Sweet? Zieht sich zurück, strickt, arbeitet im Garten und träumt von der Vergangenheit. Sie ist gefangen in einer sich ständig wiederholenden Zeitschleife, in der das Damals zum Jetzt und das Jetzt zum Damals wird.
Jamaica Kincaid hat einen langen Abgesang auf eine Ehe geschrieben, der ziemlich unverhüllt auch ihre eigenen Erlebnisse aufgreift. Die Parallelen der Autorin zu Mrs. Sweet sind unübersehbar. Nicht nur heißt diese Matrone Jamaica wie ihre Schöpferin, sie wurde auch auf einer Karibikinsel geboren, hat zwei Kinder wie Kincaid und sitzt wie diese nächtelang an ihrem Schreibtisch, um ihre Mutter zu beschwören. Und wie eine Beschwörung liest sich das ganze Buch. 216 Seiten Gedanken-Achterbahnen manchmal ohne Punkt und Komma, stets sich im Kreis drehend – aus unterschiedlichen Perspektiven. Ein dornenreicher Blick in eine Ehehölle.
Info: Jamaica Kincaid, Damals, jetzt und überhaupt, Unionsverlag, 216 S., 19,95 Euro