In den Hütten ist der Luxus eingekehrt

Hütten mit Plumpsklo und Kaltwasser aus dem Brunnen, das war einmal. Heute ist auch in solchen Refugien der Luxus eingekehrt: Statt kalt waschen warm duschen, gar im alpinen Spa relaxen, statt Matratzenlager kuschelige Betten im intimen Rahmen, statt Hüttenbrotzeit Gourmetmenü. Im Almdorf Seinerzeit sollen sich die Hüttenwirte gar als „Alm-Butler“ bewähren. Was ist da passiert, wollte die Touristische Runde wissen.

Erstaunlich einig waren sich die Referenten darüber, dass wir es mit
einem Trend zu tun haben, der sich erst in den letzten vier Jahren
abzeichnet. Die Menschen wollen wieder mehr Privatsphäre genießen, Zeit
für sich und die Familie haben, ungestört sein und das möglichst in
unberührter Natur weit weg vom Alltag. Ob dann auch noch die Hütte
authentisch ist, interessiere sie weniger. „Wir versuchen erst gar
nicht, eine Hütte wie vor 100 Jahren hinzustellen“, stellt Katrin
Pfender-Solti
, Bauherrin der Bergchalets Maierl in Kirchberg bei
Kitzbühel klar. Die Kunden hätten schließlich eine hohe Erwartung an
Komfort und Luxus, erwarteten Flatscreens aber auch den gemütlichen
offenen Kamin mit Panoramablick über die Berge. „Würden wir künstlich
eine Welt wie vor 100 Jahren vorspiegeln, wäre das wohl (noch) weniger
authentisch“, gibt die Münchnerin zu bedenken.
Steirisch sollte sie schon sein, die Almwelt Austria in der Region
Schladming-Dachstein, meint deren Besitzer Sigi Keinprecht. Die Hütten
sind aus heimischem Holz, statt des Butlers kommt „die Kellnerin im
Dirndlgwand“. Schon jetzt ist die Almwelt mit 600 Betten „das größte
Hotel in der Region“. Für Keinprecht ist es umso wichtiger, dass sich
die Hütten „in die Landschaft schmiegen“. Dabei war es gar nicht so
einfach, den Baustil an die Region anzupassen, weil in Österreich
„extravagante Architektur gefragt ist“. Erst mit Bildern von alten
Almdörfern konnten die Behörden vor drei Jahren überzeugt werden.
Inzwischen  sind um die Almwelt auf der Reiteralm zwei weitere
Hüttendörfer
entstanden. Brandneue Hütten laden ab diesem Winter in der
Alpine Lodge Dachstein-Tauern sowie am Galsterberg zum Urlaub von der
Moderne ein.
Auch die Bergchalets Maierl orientieren sich an alten Vorbildern. „Sie
sollen kein Fremdkörper sein, sich in die Landschaft integrieren“, sagt
Katrin Pfender-Solti. „Wir haben genug architektonisches Leid in den
Bergen rumstehen.“ Dass die neuen Hütten trotzdem eine Gratwanderung
zwischen Tradition und Moderne sind, räumt sie ein: „Innendrin sind sie
voll mit Hightech.“ Auch Schwimmhalle und Dampfbad sind in der neuen
Maierl Alm selbstverständlich.
Die Las Vegas Hütte im Gebiet von Dolomiti Superski kommt dagegen ganz
ohne Sauna aus. Allerdings haben alle sechs Zimmer eine Badewanne mit
Sicht auf die Dolomiten, Dusche und WC. „Die Leute fragen gar nicht nach
Schwimmbad oder Sauna“, hat Ulli Crazzolara festgestellt. Sie freuen
sich an der schönen Kulisse ringsum, an gemeinsamen Aktivitäten wie
Schneeschuhwandern
oder Nachtskifahren, an der intimen Atmosphäre, wenn
die letzten Tagesgäste auf Skiern abgefahren sind. Auch die Hüttengaudi
komme nicht zu kurz: „Wir machen jeden Mittwoch eine Las Vegas Party mit
Abendessen, Musik und Tanz, zu der auch viele Einheimische als
Tourengeher zu uns kommen“, verrät Crazzolara. Das verbinde. „Die Leute
kommen als Gast und gehen als Familienmitglied.“ Anders als die Hütten
der Maierl Am oder der Almwelt Austria ist die Las Vegas Hütte nicht mit
dem Auto erreichbar. Der Hüttenwirt bringt seine Gäste und ihr Gepäck
mit der Schneekatze von 1500 auf 2000 Meter Höhe. Das Auto bleibt an der
Talstation des Piz Sorega.
Noch abgelegener sind die Hütten des Deutschen Alpenvereins,
Schutzhütten
für Bergsteiger und Tourengeher. „Wir sind der
Gegenentwurf“, sagt Hanspeter Mair, Geschäftsbereichsleiter Hütten,
Naturschutz, Raumordnung. Das Thema Authentizität beanspruche der
Alpenverein für sich: „Unsere Hütten sind keine Hotels und keine
Event-Herbergen. Wir haben keine Betten sondern Matratzen mit
Hüttenschlafsack und Decken.“ Alpenvereinshütten seien mit ihren
„moderaten Übernachtungsgebühren“ etwas für den kleinen Geldbeutel.
Allerdings müsse auch der Alpenverein mit der Zeit gehen, vor allem bei
der umweltfreundlichen Energieversorgung. Mair: „Das ist unser Thema“.
Überwiegend fänden sich Photovoltaik-Anlagen auf den Hüttendächern und –
wenn möglich – würden die nötigen Aggregate mit Pflanzenöl statt Diesel
betrieben. Noch mehr: „Wo wir dürfen und wo genügend Wasser da ist,
richten wir Kleinwasserkraftwerke (KWKW) ein.“ Auch die
Abwasserreinigung ist für den DAV „ein ganz großes Thema“. In den
letzten 20 Jahren habe der Alpenverein „Unsummen“ dafür ausgegeben, was
auch dringend nötig gewesen sei. „Wir sind jetzt auf der Höhe der Zeit“,
stellt Mair befriedigt fest.
Das ist man auch in der Region Schladming-Dachstein, wo die bisher
bestehenden Selbstversorgerhütten, „die irgendwo am Berg rumstehen“,
ebenso gut gebucht sind wie die  Hütten der Almwelt Austria. Hermann
Gruber
vom Tourismus Marketing ist überzeugt davon, dass die „neuen“
Hütten ganz neue Gäste in die Region bringen. Seiner Erfahrung nach sind
das vor allem deutsche und österreichische Familien, auch Großfamilien,
die in einer komfortablen Umgebung unter sich sein wollen. Sie fänden
in der Urlaubsregion Schladming-Dachstein „Hüttenzauber, Pistenspaß und
Wellness ideal vereint“. Trotz des Luxus sind die Hütten nach Grubers
Meinung „nichts für den russischen Gast“, der ins Stadtzentrum will zum
Shoppen und Apres-Ski. Gruber beobachtet einen „Trend weg von
Hotelburgen, hin zum individuellen, naturnahen Urlaubserlebnis“.
Ähnlich sieht das auch Thomas Bucher, Pressesprecher beim Deutschen
Alpenverein: „Outdoor ist sexy. Gefragt ist der Rückzug in die Natur mal
mit, mal ohne Luxus.“ Als Konkurrenz zu den neuen Hüttendörfern sieht
Bucher die Schutzhütten des Alpenvereins  nicht. „Unsere Hütten liegen
überwiegend im Hochgebirge, und nicht an den Pisten“, macht er klar.
„Und deshalb bedienen wir auch eine andere Klientel.“ 800 000
Übernachtungen pro Jahr, ca 90 Prozent im Sommer, verzeichnet der
Alpenverein. Um die Hütten „bedarfsgerecht“ zu erhalten und zu erneuern,
sind jährlich Investitionen von zehn bis zwölf Millionen Euro nötig.
Ein Drittel davon, so Hanspeter Mair, entfallen auf den Verein, ein
weiteres Drittel auf die Sektion als Eigentümerin der Hütte. Das letzte
Drittel müsse aus Fördermitteln finanziert werden. Zwar gebe es
„hervorragend laufende Hütten“, weil sie leicht erreichbar seien“,
erklärt der Bereichsleiter, „aber wir haben eben auch genug Hütten, die
auf keinen grünen Zweig kommen“ und die es ebenfalls zu erhalten gelte.
Für den DAV, fügt Mair hinzu, „ist die Erschließung der Alpen
abgeschlossen. Wir bauen keine neuen Hütten, höchstens Ersatzbauten.“
Und da bevorzuge man funktionelle Hütten „ohne Schnickschnack und
extravagante Architektur“. Kühne Entwürfe kommen beim DAV ebenso wenig
zum Zug wie in den neuen Hüttendörfern mit ihrer Nostalgie-Optik.

Info: Eine Übernachtung in einer Schutzhütte des DAV (Kategorie 1)
kostet im Zimmerlager maximal 13 Euro für Mitglieder (Nichtmitglieder 26
Euro). Die HP schlägt mit 20 bis 30 Euro zu Buche: www.alpenverein.de
In der Maierl Alm werden bei Viererbelegung in der Acht-Personen-Hütte
155 Euro für Übernachtung mit Frühstück fällig, inklusive der Nutzung
der Wellness-Möglichkeiten. Bei Vollbelegung reduziert sich der Preis
auf 120 Euro: www.maierl.at
In der Almwelt Austria zahlt man bei Vollbelegung mit zwölf Personen 59
Euro/Person. Frühstück und HP lassen sich dazu buchen:
www.almwelt-austria.at
In der Las Vegas Hütte kostet die HP 126 bis 184 Euro pro Person: www.lasvegasonline.it

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