Alle reden über den Klimawandel, vor allem die Politiker, manche tun auch was dagegen. Im englischen Brighton etwa entsteht derzeit an der Südküste eine ganze Siedlung von Häusern, die sich selbst versorgen. Die Idee kommt aus den USA: 1990 baute der Architekt Mike Reynolds die ersten „Earthships“ in der Wüste von Taos in New Mexiko und beschrieb sie als „unabhängige Schiffe, die über die Meere der Zukunft schippern“. Mehr als 1000 dieser autarken Erdhäuser sind inzwischen in der ganzen Welt entstanden. Auch Prominente haben sich für die Idee erwärmt: Die Schauspielerinnen Cameron Diaz und Daryl Hannah leben in Earthships. In Taos können Besucher das Konzept hautnah kennenlernen.
„Stellen Sie sich vor, Sie leben in einem Heim, das weder Heizung noch Klimaanlage kostet.
Stellen Sie sich vor, Sie pflanzen das ganze Jahr über ihr eigenes Gemüse in diesem Heim an.
Stellen Sie sich vor, Sie zahlen keine Stromrechungen.
Stellen Sie sich vor, Sie verfügen über endlose natürliche Ressourcen.
Stellen Sie sich eine umweltfreundliche Zivilisation vor.
Stellen Sie sich Earthships vor“
Irgendwie erinnert das Haus mit seinen organischen Formen und verspielten Türmchen an Barcelona und die Architektur des genialen Gaudi. Und irgendwie sieht es auch ein bisschen wie ein gestrandetes Schiff aus. Erst wenn man genauer hinschaut, erkennt man, dass dieser eine Maulwurfsbau nicht allein ist. Mitten im Nirgendwo am Rand von Taos sind 50 Erdschiffe gestrandet, für weitere 100 ist noch genügend Platz. Sie sind das Gegenteil von Wolkenkratzern, die himmelsstürmend die Landschaft verändern. Diese Wohngebilde passen sich der Landschaft vollkommen an, leben in und mit ihr. Sie sind tatsächlich eine Art lebender Organismus.
Drinnen ist es angenehm kühl, obwohl draußen die Sonne vom Himmel brennt und die Steppe aufheizt. Großzügige Räume laden zum Verweilen ein, wie in einem Springbrunnen rieselt Wasser, riesige Fenster holen die Landschaft ins Haus. Es gibt Fernseher und Waschmaschine, Musikanlage, Computer und Badewanne. Earthship heißt schließlich nicht zurück in die Steinzeit. Das Konzept soll Zukunft sichern.
Erfinder Mike Reynolds war seiner Zeit weit voraus, als er vor 20 Jahren auf die Idee kam, die zu Ende gehenden Ressourcen unserer Erde auch im Privathaushalt zu schonen. Zugleich wollt er Möglichkeiten schaffen, den Zivilisationsmüll wieder verwenden. Die Bausteine dieser Art von Heim sind denn auch eher ungewöhnlich: alte Autoreifen, Aluminiumdosen, Glasflaschen, Presse-Erde. Zement hält das alles zusammen. Jedes Earthship ist Selbstversorger, was Strom und Wasser angeht. Solarsysteme und Photvoltaik machen es möglich. Sonne, Regen und Schnee versorgen das Haus mit allem, was notwendig ist. Selbst das Brauchwasser aus der Toilette wird wieder genutzt und das dank fortgeschrittener Technologie ohne Geruchsbelästigung.
In Brighton sollen bis 2010 16 solche Selbstversorger-Häuser gebaut werden, im eher biederen Küstenort macht die Baustelle für das Dorf der Zukunft viele neugierig. Ein junges Paar, das sich zum Kauf eines der ungewöhnlichen Eigenheime entschlossen hat, stellte der Sunday Times gegenüber klar, dass sie keine Hippies sind. Aber: „Wir haben ein Gewissen, und wollen auch in unserem Alltag die Umwelt so weit wie möglich schützen.“ Ganz so einfach wie im sonnenreichen Taos wird die Selbstversorgung der Earthships im eher regnerischen England nicht sein. Die Bewohner, darauf weisen die Konstrukteure vorsorglich hin, werden sparsam mit Energie umgehen müssen, die vorwiegend aus Windmühlen und Sonnenkollektoren kommt. Energiefresser wie Waschmaschinen sollten sie also nur an windigen oder sonnigen Tagen in Betrieb nehmen und auf keinen Fall in einer lauen Sommernacht. Und auf Teppiche sollten sie möglichst verzichten, weil auch Staubsauger viel Strom verbrauchen.
Trotzdem ist der Entwicklungsdirektor von Earthship Biotecture zuversichtlich: „Jedermann spricht doch heute davon, den CO²- Ausstoß zu verringern auch im eigenen Haushalt. Und genau das machen wir mit unseren Earthships.“
Infos: In Brighton wird es jeden ersten und dritten Sonntag im Monat Earthship-Führungen geben: www.lowcarbon.co.uk, www.earthship.org