Schon der Name „the voice“ für Christian Brückner signalisiert seine Rolle. Nicht das Gesicht des grauhaarigen, bärtigen 65-Jährigen ist allerorten bekannt, sondern seine Stimme. Die lieh er als Synchronsprecher Weltstars wie Robert de Niro, WarrenBeatty, Robert Redford oder Harrvey Keitel. Der Mann verschwand hinter der Stimme. Denn Brückner ist eher selten sichtbar. Ein Star ohne Gesicht. Genau das Richtige für eine Branche, die Kino im Kopf erzeugen will. Der Hörbuch-Boom hat den Schauspielern eine neue Bühne beschert und Christan Brückner, Jahrgang 1943, Studium der Germanistik, Theaterwissenschaft und Soziologie, gilt als der Star unter den Sprechern.
Seine ausdrucksvolle und vielschichtige Stimme holt jede Nuance aus einem Text. Schon lange vor dem Boom der Hörbücher hat er Geschichten erzählt, in Literaturprogrammen, Features, Hörspielen. Hörbücher erarbeitet er „im Bauch, im Kopf, in der Fantasie“, sagte er in einem Interview, – und mit seiner Frau.
Mit ihr zusammen hat er auch einen eigenen Hörbuchverlag gegründet, Parlando – Edition Christian Brückner“, für den er Marx‘ „Kommunistisches Manifest“ las, „ein wunderbares Stück deutscher Literatur“. 2005 wurde der Verlag in der Kategorie „Das besondere Hörbuch“ mit dem Deutschen Hörbuchpreis ausgezeichnet. „Parlando macht eben Sachen, die andere nicht machen würden“, sagt Brückner. Trotzdem spricht er auch gerne für andere Verlage. Moby Dick hat er gelesen, Brokeback Mountain und Kafkas Prozess. Und immer arbeitet er mit „Ohrtheatralik“, denn ein gutes Hörbuch muss seiner Meinung nach „die Welt der Fantasie aufschließen“.
Auch Rufus Beck, Jahrgang 1957, Studium der Islamistik, Philosophie und Ethonologie, lebt vor allem davon, Worte zum Leben zu erwecken. Stimmen-Magier hat man ihn genannt, Verbal-Jazzer, Klangmeister, König der Vorleser. Zum Star gemacht haben ihn vor allem die Harry-Potter-Hörbücher. Für sie hat er tief in seine Töne-Trickkiste gegriffen, er säuselt und gluckst, kiekst und krächzt und seine ansonsten eher unauffällige Stimme bekommt tausend Untertöne. „Vielleicht bin ich einfach audiogen wie andere Menschen fotogen sind“, mutmaßte Beck im Gespräch mit unserer Zeitung. Trotzdem sieht er sich vor allem aus Schauspieler: „Richtig gut bin ich live.“
„Live-Hörspiele“ sind das Hobby von Stefan Kaminski, Jahrgang 1974, der an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin studierte und am Deutschen Theater spielt. „Schließt man die Augen, ’sieht‘ man ein Hörspiel, lässt man sie offen, erlebt man, wie es entsteht“, beschreibt der „Stimmen-Morpher“ sein Programm, mit dem er auch auf Tour geht. Dabei schlüpft er nicht nur in verschiedene Rollen, sondern macht auch die Hintergrundgeräusche selbst. Geübt hat er dafür schon lange. Als Jugendlicher montierte er Hörspiel-Miniaturen. Mit Verfremdungseffekten arbeitet Kaminski auch bei den Hörbuch-Produktionen. Kinder-und Jugendbücher sind dabei wie Septimus Heap oder Der Krieg der Knöpfe, Romane wie Caravan oder Nick Hornbys „A long way down“ und Thriller wie „Creepers“.
„Marathon“ ist für Franziska Pigulla, Jahrgang 1964, Studium der Germanistik und Anglistik und gelernte Schauspielerin, jedes Hörbuch. Denn es verlangt der Sprecherin einen langen Atem ab und viel Konzentration. Ihre melodiöse Stimme, mit der unter anderen Demi Moore, Sharon Stone und Gillian Anderson (Scully in Akte X) sprechen, schmiegt sich an die Personen an wie ein Handschuh. Wie die anderen Sprecher hat Pigulla auch Filmerfahrung. Sie debütierte in Chabrols Dr. M. Aber wirklich bekannt ist vor allem ihre geheimnisvoll dunkle Stimme. Sie macht auch Ingrid Nolls neuesten Roman "Kuckuckskind" zu einem echten "Hörfilm".
Und dann gibt es da noch die anderen wie Jürgen Prochnow, die schon Stars sind, und nach dem Film das Hörbuch als Bühne entdecken. Für den erfolgsverwöhnten Schauspieler "eine völlig neue Erfahrung", wie er der Zeitschrift "Hörbühne" gestand: "Man sitzt da tagelang ganz alleine im Studio. Man agiert alleine und hat keine Hilfe durch die Schauspielerkollegen, mit denen man sonst eine Szene spielt." Prochnow liest Frank Herberts "Dune- Der Wüstenplanet". 24 Jahre, nachdem er in David Lynchs Verfilmung des Science-Fiction-Klassikers dem Herzog Leo Atreides (s)ein Gesicht gab. Jetzt muss er auf ganz seine Stimme vertrauen und er hat erkannt: "Das Hörspiel ist ein Medium zwischen Buch und Film."