Hermann Bareiss und der Morlokhof

Mitten im Wald bleibt der hoch gewachsene Hotelier mit dem sorgsam gelockten Haarschopf stehen, blickt versonnen auf den Weg und sagt: „Genau hier habe ich als Kind ein Ei fallen lassen, das mir eine Bäuerin für die Mutter mitgegeben hat. Ein Ei!“ Hermann Bareiss, seit Jahrzehnten hoch gelobter Gastgeber in der luxuriösen Ferienoase Bareiss in Bayersbronn Mitteltal, erinnert sich, dass er todunglücklich war – damals. „Ein Ei, das war etwas Kostbares für uns.“

Die Zeiten sind längst vorbei. Der Hotelier weiß, was er seiner anspruchsvollen Klientel schuldig ist: Luxus ist angesagt, im Hotel Bareiss nennt sich das Verwöhnpension – und Eier sind dabei eine Selbstverständlichkeit. Für das noble Restaurant Bareiss hat Claus Peter Lumpp mit viel Raffinesse und edlen Zutaten grade den dritten Michelin-Stern erkocht und dafür gesorgt, dass im Baiersbronner Gastronomiehimmel jetzt sieben Sterne strahlen. Und trotzdem denkt Hermann Bareiss mit einem Anflug von Nostalgie zurück an jene Zeit, als er noch um ein Ei weinte. Eine Zeit, in der die Welt noch überschaubar war. Vielleicht hat sich der Hotelier deshalb in den Morlokhof verliebt. Weil er da die Vergangenheit wieder zum Leben erwecken konnte.
2003 jedenfalls kaufte Hermann Bareiss „nahezu in einer Nacht- und Nebelaktion“ den Hof, der schon seit Jahren leer stand und dem Verfall preisgegeben war. Jetzt, nach über drei Jahren aufwändiger Restaurierungsarbeiten, ist der Morlokhof fertig und der Hotelier ist stolz auf sich und seine Architektin Sabine Rothfuß. „Wir haben keinen Fehler gemacht“, sagt Bareiss und schwärmt von den „schönen Strapazen“ der Sanierung.  Sabine Rothfuß freut sich mit ihm. Darüber, dass moderne Nutzung und Tradition in Einklang gebracht werden konnten. Darüber, dass der Bauherr dem alten Gemäuer mit Respekt begegnet ist und seine weiter gehenden Umbaupläne zurückgesteckt hat. Darüber, dass der Hof wenigstens einen Teil seiner Geheimnisse preisgegeben hat, als unter den alten Balken eine Schachtel zum Vorschein kam, voll mit Rezepten, Bann- und Segenssprüchen, Amuletten und Schutzbriefen. Insgesamt 132 Dokumente aus der Zeit der Morlokhof-Bauern, die als Wunderheiler weit über das Murgtal hinaus bekannt waren. „Weiße Magie“ sollen sie praktiziert haben, die Morloks, „kein Teufelszeug“, wie die Freudenstädter Heimatblätter herausgefunden haben. Da konnte es schon passieren, dass der Heiler einem Patienten eine lebende Forelle auf den Bauch band und ihm versprach, wenn der Fisch ausgezappelt habe, sei auch das Bauchweh vorbei. „Glauba muäse dr, ihr Leit, glauba“ habe „der alte Morlok“, der letzte seiner Zunft, seinen Patienten immer wieder empfohlen.
Hermann Bareiss glaubt. Er glaubt daran, dass der  Morlokhof die Menschen berührt. „Den Hof zu erleben ist etwas ganz besonderes“, sagt der Hotelier und überzeuge auch auch Baden Württembergs Ministerpräsident Oettinger, der zur Eröffnung des neuen alten Morlokhofs nach  Baiersbronn gekommen war.
Künftig sollen Gäste des Hotels Bareiss  in diesem Refugium, in dem man in jeder Diele, jedem Balken, jedem Stuhl den Geist der alten Bewohner zu spüren glaubt, Einkehr halten. Die „authentische Herzlichkeit“ der Gastgeber soll sie, so wünscht es sich Bareiss, „die Übergeschwindigkeit ihres Alltags vergessen lassen“. Der Morlokhof, mit vielen Ausstellungsstücken Zeitzeuge einer längst vergangenen Epoche, soll ein kleines, feines Veranstaltungszentrum werden, eine kulturelle Begegnungsstätte mit Lesungen, Kleinkunst, Konzerten. Ein Platz auch für Familienfeiern und   Seminare für Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Industrie.
Und weil im Bareiss alles mit Genuss gemacht wird, gibt es auch ein eigenes Morlokhof-Menü. Der lauwarme Salat von der Morlokhof-Forelle mit Schwarzwurzeln und Mostvinaigrette oder das geschmorte Rehschäufele und rosa gebratener Rehrücken aus heimischer Jagd mit Blaukraut und Bubespitzle freilich lassen schon eher an die Kochkünste von Claus Peter Lumpp denken als an die kargen Zeiten der alten Morloks, die ihren Patienten oft nur für Gottes Lohn die Hand auflegten oder eine Tinktur mischten. Auch der kleine Hermann Bareiss hätte sich einen solchen Festschmaus wohl kaum träumen lassen…   
                   
Informationen: Hotel Bareiss im Schwarzwald, 72270 Baiersbronn-Mitteltal, Tel. 07442/4740, E-Mail: info@bareiss.com, www.bareiss.com                   

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