Harry Potter bewegt

Harry Potter und der Halbblutprinz (Band 6)
(Buch)
Autor: Joanne K. Rowling
Verlag: Carlsen
Erschienen am: 2005-10
Seiten: 600
ISBN: 3551566666

Nur noch eine Nacht schlafen. Dann ist es soweit. Harry Potter VI. kommt in der deutschen Übersetzung in die Buchläden. Wie in den fünf vorhergehenden Bänden auch wird ihm Sabine Wilharm sein unverwechselbares Gesicht geben. Wir sprachen mit der öffentlichkeitsscheuen Künstlerin, deren Figuren in Deutschland untrennbar mit dem Erfolg der Potter-Bücher verbunden sind.

Frage: Haben Sie beim ersten Buch geahnt, was da auf Sie zukommen könnte?
Wilharm: Nein, der Riesenerfolg hat mich völlig überrascht. Das konnte
kein Mensch wirklich erwarten.
Frage: Im Lauf der Bücher hat sich Harry vom kleinen, schüchternen Jungen zum selbstbewussten Teenager entwickelt. Sind Sie mit der Figur mit gewachsen?
Wilharm (lacht): Mitgealtert bin ich schon, ich habe gerade die 50 überschritten. Aber naturgemäß ist es eine Herausforderung, jemanden im Bildaltern zu lassen und dazu noch in einem Buch, auf das so viele schauen. Ob es mir gelungen ist, müssen die Leser entscheiden.
Frage: Wie nähern Sie sich denn dem gereiften Harry?
Wilharm: Ich bilde ihn dem nach, was der Text in mir hinterlässt. Da
hilft mir die Autorin sehr. Natürlich kommt meine Subjektivität stark ins Film, sonst es wäre es bloßes Fabrikationszeichnen. Tatsächlich aber findet die Umsetzung auf zwei Ebenen statt: Auf der einen Seite nutze ich mein Wissen über die Gesetzmäßigkeiten beim Altern. Als Zeichnerin habe ich gelernt, wodurch sich Kindergesichter von Erwachsenengesichtern unterscheiden und wie sie sich beim Älterwerden verändern. Dieses Wissen setze ich instinktiv ein. Auf der zweiten Ebene lasse ich mich ganz vom Text leiten. Ganz wie beim normalen Leser vervollständigt sich das Bild der Person nach und nach. Und mit diesem Bild im Kopf beginne ich zu zeichnen. Dabei versuche ich, die Skizze mit dem, was der Text mir sagt, in Einklang zu bringen.
Frage: Und wie hilft Ihnen die Autorin bei Ihrer Arbeit?
Wilharm: Joanne Rowling zeigt Harrys Reife durch Inhalt und Sprache. Sie macht so ganz selbstverständlich klar, was mit Harry passiert. Schon kleine Details und Beschreibungen zeigen mir, wer Harry wirklich ist. Die sprachliche Feinzeichnung hilft mir ungemein.
Frage: Für manche Kritiker ist der sechste Band zu düster…
Wilharm: Ich finde es spannend, wie die Autorin ihren Helden entwickelt. Ich genieße auch, was sie dem Leser zumutet und mag die Tendenz zu einer gewissen Härte. Auch das Politische in den Büchern schätze ich ebenso wie die Gesellschaftskritik. Und was das Düstere angeht, Joanne Rowling muss das wohl so machen. Ich bin froh, dass sie keine Kompromisse eingeht.
Frage: Ist „Harry Potter und der Halbblut-Prinz” überhaupt noch ein Kinderbuch?
Wilharm: Das weiß ich nicht. Da müssten wir uns erst mal fragen: Was ist ein Kinderbuch und dann käme die Frage: Was ist ein Kind? Kinder sind ganz unterschiedlich und sie haben auch eine ganz unterschiedliche Wahrnehmung. Prinzipiell aber finde ich es gut, dass die Bücher erst ab einem bestimmten Alter empfohlen sind.
Frage: Die Filme haben ja nun eine ganz andere Optik gebracht. Fühlen Sie sich davon bedrängt?
Wilharm: Das ist ja nun schon der sechste Band. Nein, ich fühle mich von der Filmfigur nicht bedrängt. Im Film agiert ja ein realer Mensch und reale Menschen können neben gezeichneten gut existieren. Offensichtlich geht es auch bei Harry gut nebeneinander. Kinder können mit allem leben. Sie schalten schnell um. Die anderen gezeichneten Harrys weltweit ignoriere ich weitgehend.
Frage: Mit der Vielfalt der Harry Potters soll es ja nun bald ein Ende haben. Es heißt, Warner Bros. hat die Merchandising Rechte gekauft und will dafür sorgen, dass Harry Potter in jedem Land gleich aussieht. Haben Sie Angst um Ihren Harry ?
Wilharm: Ich finde es ganz schön, dass meine Figur fast ausschließlich den Büchern vorbehalten ist. Als Leserin gefällt mir das besser als eine Totalvermarktung auf Kappen, Bettwäsche, Shirts oder Tassen. Dadurch verselbständigt sich eine Figur auf eigenartige Weise. Mein Harry bleibt dagegen dem Text vorbehalten.
Frage: Sie sind also glücklich mit Harrys Erwachsenwerden?
Wilharm: Glücklich bin ich über andere Dinge. Aber ja, ich lese die Bücher gerne. Harry Potter bewegt viele Menschen und ich bin gerne dabei.

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