Gute Chancen für das Reiseland Deutschland – Gespräch mit DZT-Chefin Petra Hedorfer

Die weltweite Krise hat – früher als erwartet – auch den Tourismus erreicht. Hotels und Destinationen klagen über Einbrüche. Airlines reduzieren ihre Kapazitäten, Veranstalter verlängern ihre Frühbucher-Angebote. Trotzdem gibt sich Petra Hedorfer, Vorsitzende des Vorstands der Deutschen Zentrale für Tourismus,  in einem Gespräch vor der Tourismusbörse in Berlin optimistisch. Deutschland könnte von der Krise sogar noch profitieren.

 

Frage: Die Finanz- und Wirtschaftskrise macht vor Grenzen nicht halt. Auch in Dubai, Russland oder China sitzt das Geld nicht mehr so locker. Befürchten Sie einen Rückgang im Deutschland-Tourismus? Wie wollen Sie dagegen ansteuern?
Hedorfer: Sicher wird 2009 kein einfaches Jahr. Laut ITB World Travel Trends Report sinkt die Wirtschaftskraft des Tourismus nach Europa im Jahr 2009 um rund zwei Prozent. Um für Deutschland dennoch ein Wachstum zu erreichen, müssen wir also Marktanteile zu Gunsten Deutschlands verschieben – und dafür stehen die Chancen gar nicht so schlecht: In Zeiten der Krise steigt die Preissensibilität – und hier sehen wir eine große Chance für den Deutschland-Tourismus. Deutschland liegt mit den durchschnittlichen Tagesausgaben seiner Gäste von 73 Euro für Anreise, Unterkunft, Essen, Trinken und Ausflüge an exzellenter siebter Stelle im weltweiten Ranking gängiger Urlaubsländer und ist damit günstiger als Österreich, Frankreich, Spanien, Italien oder Großbritannien – bei anerkannt hoher Qualität des Angebotes. Dieses äußerst gute Preis-Leistungs-Verhältnis werden wir weltweit als zusätzliches Verkaufsargument noch intensiver kommunizieren.
Frage: Was tut die DZT, um Deutschland  international noch bekannter zu machen?
Hedorfer: Grundlage für die erfolgreiche Arbeit der DZT ist ihre weltweite Präsenz: Mit 29 Auslandsbüros ist sie in allen relevanten Märkten weltweit vertreten. Dies ermöglicht eine intensive Kooperation mit den Multiplikatoren vor Ort. Auf rund 250 Presse- und PR-Veranstaltungen jährlich informiert die DZT internationale Medien über die neuesten Trends und Entwicklungen im Deutschland-Tourismus. Sie organisiert weltweit über 700 Studienreisen für Vertreter der Reisebranche und Presse und schärft mit marktgerecht platzierten Themen das Image Deutschlands als Reiseland. Neben der Akquisition der Reisebranche auf weltweit über 30 führenden Leitmessen vermarktet die DZT das Reiseland Deutschland auf eigen organisierten Workshops und positioniert die neuesten Angebote und Programme aus allen Regionen und Städten in Deutschland.  Inhaltlich stellt die DZT dabei wechselnde Themenschwerpunkte in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten. Die Kampagnen reichen von Wellness über Winterurlaub, Heritage- und religiöse Reisen in den USA über die Bewerbung von Shopping- und Gesundheitsurlauben vorwiegend im russischen und arabischen Markt.
Frage: Bisher sind es vor allem Geschäftsreisende, die nach Deutschland kommen. Wie holt man auch die Touristen ab?
Hedorfer: Deutschland hat weltweit die Marktführerschaft im Geschäftstourismus inne. Dennoch sind rund 70 Prozent der Reisen nach Deutschland Freizeitreisen. Denn unser Land ist eben nicht nur ein beliebtes Geschäftsreiseziel. Als Urlaubsdestination punktet das Reiseland Deutschland besonders durch seine Vielseitigkeit – landschaftlich wie kulturell –, seine qualitätsvolle touristische Infrastruktur und eben sein äußerst gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Damit werben wir im Ausland – sehr erfolgreich: Der Deutschland-Tourismus erfreut sich seit vielen Jahren großer Beliebtheit und erlebt seit Anfang des Jahrtausends einen kontinuierlichen Aufschwung. Auch das in der zweiten Hälfte ja bereits recht schwierige Jahr 2008 konnten wir mit einem rund zweiprozentigen Gesamtplus bei den Übernachtungszahlen deutlich positiv abschließen.
Frage: Wohin zieht es die meisten ausländischen Touristen in Deutschland – in die Städte oder in die Natur?
Hedorfer: Ganz vorne auf der Beliebtheitsskala der ausländischen Deutschland-Reisenden stehen klar die Städte: an erster Stelle natürlich Berlin, das nach den aktuellen Zahlen von Januar bis November 2008 rund 6,5 Millionen Ausländerübernachtungen zählte – 6,8 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Dahinter folgen München mit 4,2 Millionen (plus zwei Prozent) und Hamburg mit 1,5 Millionen Ausländerübernachtungen (plus fünf Prozent).
Frage: Die Ansprüche von russischen oder chinesischen Touristen sind ganz andere als die von Italienern oder Norwegern? Was tun Sie, um deutsche Hoteliers, Städte, Ziele auf diese andere Klientel vorzubereiten?
Hedorfer: Aufgrund ihrer weltweiten Präsenz und der intensiven Kooperation mit der internationalen Reiseindustrie, den Medien sowie Endverbrauchern verfügt die DZT über ein ausgeprägtes marktspezifisches Know-how, das auf konsequenter Marktanalyse und Marktbewertung, aber auch auf persönlichen Kontakten vor Ort basiert. Sie bildet somit die Schnittstelle zwischen den Märkten und den deutschen Anbietern und informiert und berät diese über die jeweiligen Trends und Produktanforderungen in den Märkten weltweit. Als ein Beispiel möchte ich unseren Indien-Pool erwähnen, den wir im letzten Jahr zur intensiven Bearbeitung des wichtigen Marktes Indien mit deutschen Partnern gegründet haben. Gemeinsam werden wir in den nächsten drei bis fünf Jahren zusätzlich 1,5 Millionen Euro in den Markt investieren und dadurch professionelle und konzertierte Auftritte in ganz Indien durchführen. Auf der Basis unserer Marktkompetenz bereiten wir unsere Partner intensiv auf die spezifischen Anforderungen der indischen Gäste vor und ermöglichen damit eine erfolgreiche Angebotsaufbereitung und Marktbearbeitung Indiens durch unsere deutschen Partner.  Die wichtigsten Punkte finden touristische Leistungsträger zusammengefasst in den DZT-„Marktinformationen“, die kontinuierlich aktuelle Bewertungen der Auslandsmärkte mit ihren jeweiligen Charakteristika präsentieren. Sie werden von unseren Auslandsbüros erstellt und stehen unter www.deutschland-extranet.de jeweils in einer Kurz- und einer Langfassung zum Download bereit.
Frage: Wo setzen Sie Ihre Werbe-Schwerpunkte 2009?
Hedorfer: In diesem Jahr stellen wir verstärkt das sehr gute Preis-Leistungs-Verhältnis in Deutschland als Verkaufsargument in den Mittelpunkt unserer Marketingaktivitäten. Damit reagieren wir auf die im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise stark erhöhte Preissensibilität der Reisenden. Darüber hinaus steht in diesem Jahr Aktivurlaub im Fokus unserer Aktionen, den wir mit einem crossmedialen Marketingmix vor allem in den europäischen Märkten intensiv bewerben.  Zudem ist das 20-jährige Jubiläum des Mauerfalls ein wichtiges Thema, das wir mit großem Erfolg weltweit kommunizieren. Als eine Maßnahme haben wir bereits im letzten Jahr einen internationalen Fotowettbewerb um den HanseMerkur-Preis ausgerufen. Rund 30 Bildjournalisten aus der ganzen Welt fotografierten auf Einladung der DZT unser Land unter dem Thema „Deutschland – ein faszinierendes Reiseland von heute“. Beim GTM Germany Travel Mart™ (GTM) der DZT in Rostock werden am 11. Mai 2009 die drei besten Fotos prämiert. Die Arbeiten werden im Anschluss ab dem 17. Juni in den Räumen der HanseMerkur Reiseversicherung in Hamburg gezeigt und gehen dann auf eine Ausstellungstour durch verschiedene Länder. Dort lenken sie weiterhin die internationale Aufmerksamkeit auf das Reiseland Deutschland. Als weiteren Schwerpunkt stellen wir 2009 das 90-jährige Jubiläum des Bauhauses in Weimar in den Vordergrund unserer Kommunikationsmaßnahmen. Zu diesem Thema haben wir bereits eine Auftaktveranstaltung im amerikanischen Markt durchgeführt und das Jubiläum in Kooperation mit dem israelischen Tourismusministerium unter anderem im New Yorker Museum of Modern Arts MOMA prominent vorgestellt.
Frage:   Es sieht  also ganz so aus, als könnte die Wirtschaftskrise auch eine Chance für Deutschland bedeuten?
Hedorfer:  Ja, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist vor allem das sehr gute Preis-Leistungs-Verhältnis in Deutschland ein wichtiges Verkaufsargument. Zum anderen hat der ITB World Travel Trends Monitor kürzlich einen Trend hin zu kürzeren Reiseentfernungen und in der Folge zu Kurz- und Mittelstreckenflügen sowie den erdgebundenen Reisen prognostiziert. Auch hier liegt für Deutschland eine große Chance, da wir durch die Lage im Herzen Europas und unsere gute Infrastruktur sehr gut erreichbar sind. Davon kann Deutschland bei richtigem Marketing profitieren. Insgesamt gehen zurzeit rund drei Viertel der Ausländerübernachtungen in Deutschland auf europäische Gäste zurück.
Frage: Unter dem Stichwort "näher, kürzer, billiger" könnte es dieses Jahr mehr Deutsche denn je in heimatliche Gefilde ziehen. Was haben Sie ihnen zu bieten?
Hedorfer: Zentrale Plattform des überregionalen Inlandsmarketings der DZT ist das Internetportal www.kurz-nah-weg.de. Unter dem Motto „Tapetenwechsel“ sprechen wir hier Interessierte über sieben Themenwelten mit Bildern und Texten zu Urlaub in Deutschland emotional an und bieten Ihnen eine Datenbank mit konkreten Angeboten sowie umfangreiche Informationen zum Urlaubsland Deutschland. Potenzielle Reisende finden hier eine Fülle von Ideen und praktischen Tipps für den nächsten Kurzurlaub im eigenen Land.
Der Inlandstourismus ist ein wichtiges Standbein des Deutschland-Tourismus, rund 85 Prozent aller touristischen Übernachtungen in Deutschland werden aus dem Inland generiert – fast 300 Millionen von Januar bis November 2008, zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Deutschland ist mit Abstand das beliebteste Reiseland der Deutschen. Im eigenen Land suchen deutsche Urlauber vor allem Erholung, es zieht sie in die Landschaft, zur guten Luft und zum gesunden Klima. Und sie sind, wie unser Qualitätsmonitor Deutschland-Tourismus zeigt, sehr zufrieden mit dem Angebot und geben dem Reiseland Deutschland die „Schulnote“ 1,8 – eine Traumnote.

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