Die ganze Welt diskutiert über „Shades
of Grey“, die Unterwerfungslust-Trilogie von E:L.James, in dem der Mann
den aktiven sadistischen Part im sexuellen Rollenspiel übernimmt. Howard
Jacobsons neuen Roman „Liebesdienst“ mit dem Sado-Maso-Bestseller zu
vergleichen, ist schon etwas gewagt. Ist doch der Booker-Preisträger ein
literarisches Schwergewicht. Und doch haben beide Titel etwas
gemeinsam. Sie beschäftigen sich mit sexuellen Obsessionen, wobei
Jacobson einen männlichen Masochisten zum Ich-Erzähler macht.
Nichts Schöneres kann sich der Antiquar Felix Quinn vorstellen als das Gefühl der Eifersucht so richtig auszukosten, sich selbst zum Hahnrei zu machen. Nur, wenn ein anderer Mann seine schöne Frau Marisa begehrt, kann er sie so richtig lieben. Am liebsten stellt er sich vor, dass seine Frau durch viele (Liebhaber-) Hände geht so wie die Bücher, die er schätzt, durch viele Hände gegangen sind. Die „Vorliebe für alles, was häufig den Besitzer gewechselt hat“ macht ihn zum „Genießer des Gebrauchten“.
Diesem Genuss ordnet Felix auch das Gefühlsleben seiner Frau unter, das er gewissenlos manipuliert. Er inszeniert eine zufällige Begegnung des attraktiven Marius mit seiner Frau und zieht so lange die Fäden, bis die beiden ein Paar werden. Wenn Marisa ihm erzählt, was sie und Marius getrieben haben, kann Felix das bittersüße Gefühl der Eifersucht auskosten. Wenn die anderen den gehörnten Ehemann verachten, lebt er auf. Und er sieht sich bestätigt: In der Literatur, bei Joyce oder auch bei Shakespeare, bei Breton und Baudelaire entdeckt er Gleichgesinnte.
Um sich noch mehr zu demütigen, besucht Felix einen Sado-Maso-Club. Diesen Abstieg in die Hölle, der ihn in der eifersüchtigen Liebe zu Marisa bestärkt, beschreibt der Ich-Erzähler wie ein neutraler Beobachter in der dritten Person. Was hier passiert, wirkt in seiner drastischen Obszönität real, alles andere scheint sich im Kopf es Buchhändlers abzuspielen. Der von Eifersucht ebenso geplagte wie faszinierte Liebende verliert sich soweit im selbst gesponnenen Netz von Lügen und Intrigen, dass er die Wahrheit nicht mehr erkennen kann. Auch dann nicht, als Marisa schwer erkrankt. Felix will betrogen werden, nur daran gibt es bis zum Schluss keinen Zweifel.
Howard Jacobson erweist sich in diesem vor Ironie funkelnden Roman als kluger Erzähler, der den Leser auf einer literarischen Schnitzeljagd durch ein Labyrinth der Lüste führt.
Info:Howard Jacobson, Liebesdienst, DVA, 390 S., 22,99 Euro