Eine fantastische Skisaison lässt derzeit die Bergbahnchefs und Hoteliers in den bayerischen Skigebieten mit der Sonne um die Wette strahlen. Blauer Himmel, Sonnenschein und ein g’führiger Schnee. Was will man mehr? Vielleicht die Skifahrer heimholen, die immer noch über die Grenze nach Tirol fahren? Die Touristische Runde München diskutierte mit zehn Experten über die Gründe des weißblauen Skifahrer-Exports.
Aufgebracht hatte das Thema der Rekordjäger und Skigebietstester Oliver Kern, der schon als Siebenjähriger „Skiliftfan“ war und heute mit Weltrekorden (ein Tag Skifahren auf zwei Kontinenten, 52 Lifte an einem Tag u.a.), seiner internationalen Skidatenbank und der website skiresort.de dem Wintersport verbunden ist. „Ich will die bayerischen Skigebiete nicht schlecht reden“, machte Kern gleich zu Anfang klar. Vom Besseren lernen sei die Devise und besser seien die Österreicher auf alle Fälle: Sie hätten mehr Schneesicherheit durch flächendeckende Beschneiung, größere Skigebiete, mehr Skikartenverbünde, modernere Skianlagen, mehr Wellness-Angebote, eine längere Saison. Und – am wichtigsten – Jahr für Jahr werde kräftig investiert. Allein 2008 würden im Nachbarland 50 neue Anlagen gebaut, in Bayern seien es gerade mal drei. Die „ganz netten Skigebiete“ rund um München liegen laut Kern in einem Dornröschenschlaf. Nur Spitzing, Garmisch und das Fellhorn seien mit ihren Investitionen auf der Höhe der Zeit.
Im Grunde bestätigte Michael Berner vom Deutschen Skiverband Kerns Kritik. Bei einer Umfrage unter den 320 000 DSV-Mitgliedern, was ihnen am wichtigsten im Skigebiet sei, hätten 85 Prozent das Liftangebot genannt, gab Berner zu bedenken. Mit 35 Prozent folgte die Gastronomie vor der Einkehrmöglichkeit auf der Piste (31) und dem Sparangebot (26). Events waren nur fünf Prozent der Befragten wichtig. Noch aufschlussreicher war die Frage, wo die Mitglieder Skiurlaub machen. Mit 57 Prozent liegt Österreich weit an der Spitze, gefolgt von Schweiz/Italien mit 16 Prozent. Weit abgeschlagen folgen Frankreich mit fünf und Deutschland mit drei Prozent.
Trotzdem gab sich Manfred Küpper von alpenplus, dem grenzüberschreitenden Zusammenschluss der Skigebiete Brauneck, Wallberg, Spitzingsee, Sudelfeld und Zahmer Kaiser, zuversichtlich. Nach heftigen Diskussionen im Vorfeld sei man auf einem guten Weg, erklärte er. Der „kompakte Marktauftritt“ habe sich bewährt und die interne Wettwerbsituation auch mit dem Tiroler Partner habe schon Investitionen nach sich gezogen. „Wir haben die Vorteile auf unserer Seite“, ist Küpper überzeugt. Die Skigebiete seien nah und mautfrei zu erreichen. Busse und Bahnen machten die Anreise bequem. „Da sind wir gut aufgestellt.“ Nachholbedarf gäbe es allenfalls im Hotelbereich, „da arbeiten wir dran“.
Auch der Allgäuer Bergbahnchef Augustin Kröll (Fellhorn, Nebelhorn, Kanzelwand, Walmendinger Horn) lobte die „genialen Schneebedingungen“ in vielen bayerischen Skigebieten, natürlich auch im Allgäu: „Wir haben perfekte Verhältnisse in Oberstdorf.“ Allerdings räumte er ein, dass Bayern einen Nachholbedarf habe, der sich über die Jahrzehnte aufgestaut habe, in denen Österreich, die Schweiz und Italien in Beschneiung investierten und sich damit die „Schneekompetenz“ sicherten. Zwar hätten viele Skigebiete in Bayern ihre Hausaufgaben gemacht, aber die Kunden wüssten es einfach nicht, stellte Kröll klar und forderte eine bessere Marketing-Strategie: „Auch in den Köpfen muss es schneien.“ Allein das Allgäu investiere sieben Millionen Euro nur für die Beschneiung. Dennoch wolle man keine Entwicklung auf Kosten der österreichischen Nachbarn, sondern mit diesen. Davon zeuge schon der größte Skipassverbund Deutschlands, Superschnee Allgäu-Tirol-Kleinwalsertal, der grenzüberschreitend 500 Pistenkilometer erschließe.
Fehlinformationen der Medien machte Peter Lorenz, Geschäftsführer der Alpenbahnen Spitzingsee, in erster Linie dafür verantwortlich, dass der bayerische Winter bei den Skifahrern nicht richtig ankomme. Im Vorjahr hatte die Süddeutsche Zeitung dem Münchner Hausberg „blühende Pisten“ bescheinigt und das nach der Installierung der hochmodernen Beschneiungsanlage. Lorenz räumte zeitliche Verzögerungen ein und verwies auf die gegenwärtigen „besten Schneeverhältnisse“. Die Beschneiung habe in diesem Jahr schon 90 Skitage möglich gemacht. Ob die Investition in relativ niedrigen Lagen zu Zeiten des Klimawandels sinnvoll sei, wollte er nicht diskutieren. „Wir haben ganz andere Probleme. Uns geht es um die Sicherheit auf den Pisten“, wich Lorenz aus und gab als Ziel vor: „Wir wollen unsere Skifahrer glücklich machen und den Nachwuchs fördern.“
Darum geht es auch Peter Hennekes, Geschäftsführer des Deutschen Skilehrerverbandes. Er plädierte für Schulskilager und wandte sich vehement gegen die geplante Streichung des Skisports aus den akademischen Ausbildungsgängen der Sportpädagogik. In einer Zeit, in der alle über zu dicke Kinder, über Computer- und Fernsehmissbrauch und über Migrationsprobleme klagten, komme dem Schulskilager neue Bedeutung zu, unterstrich Hennekes und forderte klare politische Signale. Als zweite wichtige Gruppe nannte er die Älteren, die sich oft im modernen Angebot der Skiorte nicht wieder fänden. An sie richte sich die Kampagne „Neuer Schwung im Leben“. Und für sie böten die überschaubaren bayerischen Skigebiete durchaus Vorteile. Grundsätzlich sprach sich Hennekes für ein Ende der „Kirchturmpolitik“ in Bayern und mehr gemeinsame Aktionen auch mit Österreich aus.
Die Vernetzung der Anbieter ist auch ein Anliegen von Harry Gmeiner, Tourismus-Manager von Bayerisch-Zell. Das Sudelfeld, verriet er, plane langfristig Neuinvestitionen bis zu 25 Millionen Euro. Das sei nötig, um den Standard zu erreichen, den Hotelinvestoren forderten. Für Gmeiner sind die Bergbahnen deshalb „der Motor der Entwicklung“. Und sie hätten am meisten unter den politischen Rahmenbedingungen gelitten, die lange Zeit „nicht glücklich“ für die Skigebiete waren.
Das räumte auch Sybille Wiedenmann von Bayern Tourismus Marketing ein. „Natürlich müssen wir uns alle gewaltig anstrengen“, sagte sie. Gleichzeitig gab sie zu bedenken, dass Bayern sich „gegen die ausländische Konkurrenz durchgesetzt“ und im letzten schneearmen Winter Rekordzahlen geschrieben habe, indem man auch andere Programme wie WinterRelax oder Städtetouren vermarktet habe. „Wir müssen in der Gastronomie Gas geben“, forderte Wiedenmann, ohne den „Charme der kleinen Betriebe“ zu zerstören. Als gutes Beispiel nannte sie die Aktion „All inclusive learn to ski“ in Berchtesgaden, die der Region 1000 neue Gäste beschert habe.
Zwar konnte Martin Ebster, Tourismusdirektor in Sankt Anton am Arlberg, von der bequemen Position eines ebenso traditions- wie erfolgreichen Skiorts aus argumentieren. Aber auch er fühlt sich verpflichtet, jedes Jahr etwas Neues auf den Markt zu bringen: „Wir dürfen uns niemals ausruhen.“ Schließlich lasse sich immer etwas verbessern, bei den Bergbahnen ebenso wie bei der Gastronomie oder der Hotellerie. Geplant seien beispielsweise die Erneuerung der Rendlbahn (Baujahr 1974), die mit einer Verlagerung der Talstation in den Ort einhergehe sowie eine Erweiterung des Skigebiets in Richtung Kappl. Die Tatsache, dass man mit dem ICE nach Sankt Anton anreisen könne, ist für Ebster ein starkes Argument auch beim Wettlauf um Skifahrer aus Bayern. Dennoch rief er zu gemeinsamem Handeln auf: „Begeistert die Leute für den Skisport, dann werden wir alle besser leben.“ Ebster ist sicher, dass Veranstaltungen wie das Intersport SpringFestival mit Profi Wettbewerben, Fun und Party-Stimmung solche Begeisterung wecken können.
„Tirols Ski-Dimension“ nennt sich Serfaus-Fiss-Ladis und Marketing-Geschäftsführer Josef Schirgi ist stolz darauf, dass in der Region die junge Generation am Werk ist, „es gibt fast nichts Altes“. Alle Leistungsträger müssten zusammenhalten und kreativ bleiben, forderte Schirgi. Es gelte, ganze Großfamilien zufrieden zu stellen. Die Großeltern mit Winterwanderwegen, die Kinder mit der Schnee-Alm, die Eltern mit einem perfekten Service. „Wenn das Produkt stimmt“, meinte der Marketing-Mann, für den perfekte Pisten, moderne Aufstiegsanlagen und eine gute Hotellerie „Basics“ sind, „kann man sich auch etwas trauen. Dann ist der Gast auch bereit, dafür zu zahlen.“
Einig waren sich alle Referenten, dass es für die Zukunft wichtig ist, bei den Kindern wieder die Lust am Schnee zu wecken. Augustin Kröll führte dazu das Projekt „Schulen im Schnee“ ins Feld, bei dem der Spaß im Vordergrund stehe und bei dem Kinder aus Migrantenfamilien oft zum ersten Mal mit Schnee in Berührung kämen. Damit solche Erlebnisse möglich seien, müsse man auch weiterhin in Beschneiung investieren, hieß es einhellig in der Runde. Nur Sybille Wiedenmann forderte dazu auf, sich „auf alle Winterverhältnisse“ einzustellen: „Wir müssen den Gast bei jedem Wetter erfreuen.“ Es könne auch nicht das Ziel Bayerns sein, Hoteltürme in die Berge zu stellen oder die Gipfel höher zu machen, mahnte die Marketing-Frau zu einer realistischen Sicht der Dinge.