Sie sind derselbe Jahrgang -1974 – und doch ganz unterschiedlich. Gaelle Guernalec-Levy und Guillaume Musso. Sie, blonde Mähne und Mannequin-Figur, hat soeben ihr erstes Buch herausgebracht, einen erotischen Roman. Er, dunkler Kurzhaarschnitt, Typ großer Putto, hat in den letzten fünf Jahren fünf Bücher veröffentlicht, allesamt romantische Bestseller, in denen viel Liebe vorkommt aber kaum Sex. Wir trafen beide im südfranzösischen Künstlerstädtchen Antibes.
„Die wahre Natur hat gesprochen“, begründet die Journalistin Gaelle Guernalec-Levy, verheiratet und Mutter zweier kleiner Söhne und einer pubertierenden Stieftochter, den erotischen Inhalt ihres Erstlings. „Eine Nacht im Frühling am Meer“ erzählt von Claire, die glücklich mit Pierre verheiratet ist, sich aber trotzdem nach ihrer ersten Liebe verzehrt und diese in immer konkreter werdenden erotischen Phantasien auslebt. „Ich wollte zwar einen Roman über Liebe und Verlangen schreiben, aber kein erotisches Buch. Das ist einfach so über mich gekommen“, sagt die Pariserin. Das Schreiben, erinnert sie sich, war pures Vergnügen und alles andere als Arbeit. „Vielleicht war es auch an der Zeit, wieder an die Tradition der erotischen Romane von Frauen anzuknüpfen“, für die etwa Anais Nin steht.
„Seit Emmanuelle hat es auch im französischen Kino kaum Erotik gegeben“, wundert sich die Autorin. „Wir Franzosen gelten ja als frivol und freizügig, aber das spiegelt sich kaum im Kino oder in der Literatur.“ Warum das so ist? Gaelle Guernalec-Levy, die mit energischen Schritten durch die alten Gassen von Antibes eilt, hält kurz inne und überlegt. „Das Problem ist die Abwesenheit des Verlangens“, schlägt sie dann vor, „weil man alles kann und darf, fehlt die Lust“. Man rede überall über Sex, aber „das heißt nicht, dass die Menschen hinter den verschlossenen Türen auch wirklich guten Sex haben.“ Die Jugendlichen von heute seien eher zu bedauern, glaubt sie, weil im Internet jede Art von Pornographie zugänglich sei und es keine Normen gäbe. Mit ihrem Roman wolle sie vor allem den Frauen zeigen, welche Möglichkeiten sie haben. „Frauen brauchen Räume zu Träumen wie die Luft zum Atmen. Sie sind doch oft von ihren Alltagspflichten wie erstickt. In diesem Sinn ist mein Buch eine Anleitung zum Träumen.“
Träumen sollen auch die Leser/innen von Guillaume Musso. Dafür schreibt der Sonnyboy aus Antibes seine romantischen Romane, die vom Verlieren und Wiederfinden der Liebe handeln und oft auch mit übernatürlichen Elementen spielen. Sie geben ihm Gelegenheit, über schwierige Themen wie Tod, Verlust und Trauer zu schreiben. „Ja, ich bin ein romantischer Mensch“, sagt Musso und lächelt melancholisch. Noch hat er das Rezept nicht gefunden, „was man tun kann, dass die Liebe nicht endet“. In seinem neuen Roman mit dem vielsagenden Titel „Weil ich dich liebe“ zerbricht eine glückliche Ehe am Schmerz über den unerklärlichen Verlust des Kindes. Erst die mysteriöse Wiederkehr der Tochter bringt das Paar einander wieder näher. Mit dem Schicksal von Nicole und Mark verknüpft Musso das des „Partyluders“ Alyson und der Streunerin Evi, die in Marks Freund, dem menschenscheuen Psychiater Connor, einen väterlichen Fürsprecher findet.
Natürlich gibt es viel Zärtlichkeit in dem komplexen Beziehungsgeflecht – aber keinen Sex. „Man wird ja geradezu überschüttet mit Sex-Szenen“, sagt Musso zur Begründung und fügt schnell hinzu, seine schriftstellerische Enthaltsamkeit bedeute nicht, dass Sex ihn nicht interessiere. Auch den Männern seiner Bücher geht es weniger um Sex als um Gefühle, während die Frauen eher taff sind. „Die Entwicklung geht in diese Richtung“, ist der ehemalige Lehrer überzeugt. Da hat er eigene Erfahrungen gemacht. Lange hat er an einer gescheiterten Liebesgeschichte gelitten und das Schreiben als eine Art Therapie empfunden. Mit seiner jetzigen Lebensgefährtin ist er „rundum glücklich“, weil er verstanden hat, „dass eine Beziehung kein Märchen ist“.
Märchenhaft sind freilich die Zufälle, die in seinen Büchern dazu führen, dass Liebende einander wieder finden. „Ich will, dass meine Leser ein paar glückliche Stunden mit meinen Büchern haben“, begründet Musso seine Art des Schreibens, die er mit dem Malen von monochromen Bildern vergleicht. „Die sehen auch ganz einfach aus und verlangen viel konzentrierte Arbeit.“ Nachdenklich schaut der Autor über die Bucht von Antibes. Dann sagt er: „Schreiben kann eine Qual sein – aber das möchte der Leser gar nicht wissen.“
Info: Gaelle Guernalec-Levy, Eine Nacht im Frühling am Meer, Aufbau, 148 S., 16,95 Euro
Guillaume Musso, Weil ich dich liebe, Aufbau, 320 S., 16,95 Euro