(Buch)
Autor: Joan Didion
Verlag: Claassen Verlag Erschienen am: 2006-09 Seiten: 288 ISBN: 3546004051 |
„Man setzt sich zum Abendessen, und das Leben, das man kennt, hört auf. In
einem Herzschlag.”
Aus, vorbei. Für Joan Didion bricht eine Welt zusammen. 40 Jahre war sie
mit ihrem Mann John Dunne verheiratet. 40 Jahre, in denen sie alles geteilt
hatten, die Mahlzeiten, das Bett und die Gedanken.
Und dann der Abend des 30. Dezember, kurz vor Silvester. Das Ehepaar war nicht in Feierstimmung, denn sein einziges Kind, Quintana, lag seit fünf Nächten in der
Intensivstation. Quintana, die Joan im Alter von sieben Monaten adoptiert
hatte. Quintana, die gerade geheiratet hatte. Quintana, die eigentlich die
Zukunft sein sollte.
Zu zweit lässt sich das Leid besser tragen. Geteiltes Leid ist halbes Leid,
sagt ein Sprichwort. Was aber tun, wenn der Partner, der das Leid
mitgetragen hat, stirbt? Was tun mit der Trauer?
Joan Didion versucht, auf ganz eigene Art, mit dem Tod des langjährigen
Gefährten fertig zu werden. Sie beginnt ihr „Jahr magischen Denkens”. Das
heißt, sie will den Toten nicht loslassen, will ihn zurück haben. Sie kann
sich von nichts trennen, was John gehört hat. Sie kann sich nicht einmal
vorstellen, seine Organe zu spenden. Die Witwe denkt zurück an das
gemeinsame Leben, an Freud‘ und Leid, sn unnötigen Streit und an Tage
voller Lebensfreude. Sie versinkt in einer anderen Zeit. Nur die Sorge um
die kranke Tochter hält sie in der Gegenwart.
Doch irgendwann weiß Joan Didion, dass sie sich den Tatsachen stellen muss:
John ist tot und kommt nie wieder. Ihr Leid ist unbeschreiblich, aber die
Schriftstellerin versucht, es in Worte zu fassen:
„Leid, so stellt sich heraus, ist ein Ort, den von uns niemand kennt,
solange wir nicht dort sind… Wir mögen damit rechnen, schockiert zu sein,
sollte der Tod plötzlich eintreten. Aber wir rechnen nicht damit, dass
dieser Schock uns auslöscht, Körper und Seele tilgt.”
Es sind diese sehr persönlichen Erfahrungen, präzise und schonungslos
beschrieben, die das Buch so wichtig machen. Denn irgendwann kommt jede(r)
in die Situation von Joan Didion. Irgendwann muss jede(r) mit dem Verlust
eines geliebten Menschen fertig werden. Dann tut es gut, zu wissen, was
passieren kann. Dann tut es gut, die Trauerarbeit mit jemandem zu teilen,
der Worte dafür hat.
Joan Didion: Das Jahr magischen Denkens, Claasen, 255 S., 35,90 Euro