Dubai und Oman: Superlative und Märchen

Die Welt schrumpft. 300  Inselchen sind es, die vor der Küste von Dubai die Form der Welt nachbilden und die den Herrscher des Wüstenemirats zum Weltenschöpfer machen.  Das gefällt dem visionären  Sheik Mohammed bin Rashid al Maktoum, der vor keinem Superlative  zurückschreckt. „Hier entsteht Geschichte“ heißt es etwa  großspurig am Burj Dubai, der auf alle Fälle der höchste Turm der Welt werden soll, höher als  Taipeh 101, immerhin schon stolze 508 Meter hoch. Rund 350 Meter haben die Bauarbeiter, die rund um die Uhr arbeiten, den Burj Dubai schon in die Höhe geschraubt. Damit überragt er die bisher höchsten Wolkenkratzer Dubais, die Emirates Towers. Ich staune Bauklötze beim Anblick all der Kräne, die in den blauen Himmel über Dubai ragen.

Kräne, wohin ich schaue. Kein Wunder, 22 Prozent aller Kräne auf der Welt sollen hier stehen. Dubai baut seine Zukunft – und seine Geschichte gleich mit. In Bastakiya entsteht auf den Ruinen eines alten Ortes ein Museumsdörfchen  und das  Luxushotel Medinat Jumeirah ist einem arabischen Dorf nachempfunden samt Windtürmen und einer ganz unarabischen Lagune. Aber das Motto des Emirats ist „reach further“ – „greife noch weiter“.  Und  das tut Dubai  auch. Hier stehen die größte Skihalle der Welt, die größte Shopping Mall und der größte Wildwasserpark außerhalb Nordamerikas. Mit dem dritten Terminal soll der Flughafen von Dubai eine Kapazität von 70 Millionen Passagieren jährlich haben (der neue Flughafen von Bangkok schafft gerade mal 45 Millionen). Und draußen in der Wüste entsteht für fünf Milliarden Dollar DubaiLand, das größte Unterhaltungszentrum der Welt mit sechs Themenwelten. Die Skihalle dort wird dreimal so groß  wie die bisherige und wieder einmal die größte der Welt sein. Bis 2009 soll es auch eine Metro in Dubai geben. So eine Schnellbahn ist bitter nötig, derzeit fährt das Land siebenspurig in den Stau. Ich finde das ziemlich nervtötend trotz der glasfunkelnden Wolkenkratzer, die an der Schnellstraße Spalier stehen.
 Adnan  stört das nicht. Der 28-jährige Inder arbeitet als Senior Marketing Officer bei „The World“ und ist glücklich damit. „Wir bauen hier Geschichte“, sagt er bei einer Bootsfahrt rund um die Welt stolz, „ihr in Deutschland habt sie geerbt.“ Adnan, in Kalifornien aufgewachsen, liebt die „aufregende Atmosphäre in Dubai“, die Aufbruchsstimmung, den Griff nach den Sternen. „Dubai wird eine Mega-Destination“, begeistert er sich, „Wir müssen noch viel mehr Hotels bauen für die Millionen von Touristen, die bald unterwegs sein werden.“ 2010 sollen es 15 Millionen sein, derzeit ist Deutschland der am schnellsten wachsende Quellmarkt für die arabischen Emirate. Die Deutschen können sich nicht satt sehen an der Baustelle Dubai. Adnan kann das verstehen. „The World“ ist für ihn ein Projekt wie die Pyramiden – „es wird uns alle überleben“. Mag sein, aber all diese Superlative machen mich eher schwindlig als glücklich. Und abgesehen davon, die Pharaonen sind auch nicht gerade als Menschenfreunde in die Geschichte eingegangen.
Sultan Qabus ibn Said wird das schon eher. Der Herrscher des Oman hat sein Land behutsam der Moderne geöffnet. „Der Oman hat all das, was Dubai nicht hat“, hatte mir ein wohlmeinender Kollege mit auf den Weg gegeben. Auf den ersten Blick sehe ich, was er gemeint hat. Der Oman ist noch ein Stück Orient mit dem Flair aus Tausendundeiner Nacht. Trotz der vielen Neubauten, die Muskat zu einer Metropole der Neuzeit machen. Raschid, der indische Taxifahrer, lobt den 67-jährigen Sultan in höchsten Tönen. „Das ist der beste Herrscher, den man sich nur vorstellen kann“, erklärt der 38-jährige Inder kategorisch. Warum? Raschid weist auf die ausufernde Stadt mit den vielen Häusern: „Der Sultan baut nicht nur für sich (immerhin verfügt er über neun Paläste), er hat auch viel für sein Land getan.“ Und dann rasselt er Vergleichszahlen herunter wie ein braver Schüler: 1970 gab’s drei Schulen und ein Krankenhaus, heute sind es 1217 Schulen und 58 große Krankenhäuser, dazu noch vier Universitäten. Unter dem in der königlichen Militärakademie Sandhurst ausgebildeten Herrscher Qabus ist das Land mit seinen 2,9 Millionen Einwohnern in der Gegenwart angekommen.
Und trotzdem gibt es noch Dörfer, die aus der Zeit gefallen scheinen, in den grünen Bergen des Hajargebirges etwa. Dort wo noch tief verschleierte Frauen auf den Terrassenfeldern arbeiten, während die Männer mit den kantigen Gesichtern im Souk die Zeit verplaudern. Dort, wo lehmbraune, verfallende Dörfer inmitten von sattgrünen Palmenhainen noch an die unruhigen Zeiten der Vor-Qabus-Ära erinnern, kann Raschid sich darauf verlassen, dass seine Geschichten von Dschinns auf fruchtbaren Boden fallen. Während er sein Auto die Straße hoch lenkt, die sich hinter dem malerischen Nizwa in halsbrecherischen Kurven die Berge hoch windet, erzählt er, wie er einmal des Nachts bei Nizwa einen Anhalter mitgenommen habe. Als er in Muskat angekommen sei, habe der sich in Luft aufgelöst, versichert er ganz ernsthaft. Seither fahre er nie mehr in der Dunkelheit diese Route.
Doch wir sind länger unterwegs als wir gedacht haben. Zu schön ist der Ausblick vom Jebel Akdhar, dem grünen Berg, auf die fruchtbaren Täler, auf kleine Moscheen und blühende Gärten. Ich kann mich nicht satt sehen an der kleinen blauen Moschee von Al Ayn und nicht satt riechen an den Tausenden von duftenden Rosen, ich muss die Ziegen fotografieren, die sich extra in Pose stellen und die weiten Täler, hinter denen sich die blauen Berge stapeln, viel schöner noch als in jedem Film. Als wir in Birkat el Muez sind, umgeben von einem Hain aus Dattelpalmen, geht die Sonne schon unter und auf der Fahrt zurück nach Muskat holt uns die Dämmerung ein. Es sind dunkle Gestalten auf der Straße. Menschen wahrscheinlich, keine Dschinns.
Aber auch Walid, der junge Omani, der mich am nächsten Tag in ein Wadi fährt, weiß von Geistern. Am Rand der Straße zeigt er mir ein Haus, in dem niemand leben könne, seit ein Mann seine Familie ausgelöscht und sich selbst umgebracht habe. „Da spukt’s“, flüstert Walid beklommen und schaut, dass wir weiterkommen. Auch das ist der Oman, eine faszinierende Mischung zwischen altem Aberglauben und moderner Technologie. Ein Land der Gegensätze immer noch. Auf dem Land verbergen die Frauen ihr Gesicht hinter dreieckigen Masken aus Leder oder Metall, in der Stadt arbeiten sie auch im Management.
Walid hat ein Wadi versprochen – mit Wasser. Doch noch fahren wir durch wüstes Land, in dem wie zufällig hingestreut luxuriöse Villen stehen – Vorboten der künftigen Besiedlung. Neue Häuser braucht das Land, denn die Bevölkerung, zu der auch Hunderttausende von Indern und Pakistani gehören, wächst. Walid muss weit fahren, um „seinen“ Wadi zu finden. Aber er ist nicht der einzige, der das schimmernd grüne Wasser als Ausflugsziel gewählt hat.
Ganze Familien machen hier Picknick, schwarz verschleierte Frauen neben solchen mit bunten Saris. Eine Gruppe Jungs tummelt sich laut krakeelend im Wasser, die Mutigsten springen vom Felsen und freuen sich, wenn sie die Zuschauer nass spritzen. Männer lenken ihre Geländewagen stolz durchs trockene Flussbett als wären es Kamele. Auf einem Grill rösten Kebabspieße. Ein junger Mann packt kurzerhand ein paar davon und bringt sie uns ans Auto. Gastfreundschaft braucht keine Worte. Das Fleisch ist gut gewürzt und saftig. Ein Mädchen lädt uns lachend zu einem Glas Saft ein. Als wir weiterfahren, winken uns alle zu. Natürlich habe ich gelesen, dass die Omani freundliche Menschen sind. Aber so viel echte Liebenswürdigkeit habe ich nach der geschäftsmäßigen Freundlichkeit in Dubai nicht erwartet.
Superlative gibt es im Oman natürlich auch. Die Grand Moschee, die der Sultan 2001 als „Geschenk für das Volk“ von einem internationalen Architektenteam bauen ließ, ist eine der größten der Welt. Weithin symbolisieren die fünf Minarette die fünf Grundregeln des Islam. Unter der 50 Meter hohen Kuppel mit den fantastischen Goldmosaiken versammeln sich nur die Männer zum Gebet – für die Frauen gibt es einen eigenen Gebetsraum. Nur mit einem Tuch um den Kopf, das auch die Haare verbirgt, darf ich die Hauptmoschee mit dem größten Teppich der Welt betreten. 600 iranische Künstlerinnen, verrät Walid, knüpften vier Jahre lang an den 1,7 Milliarden Knoten. Das 21 Tonnen schwere Stück musste in der Moschee aus 58 Einzelteilen zusammengesetzt werden. Ich staune und starre den funkelnden Lüster in der Kuppel an. 14 Meter ist der Kronleuchter hoch und acht Tonnen schwer, erfahre ich. 1122 Lampen leuchten hinter Swarowski-Kristall.
Mir schwirrt der Kopf bei all diesen Zahlen und ich freue mich auf mein Hotel- auch es ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Das Shangri-La Barr Al Jissah Resort & Spa liegt an einer sichelförmigen Bucht, vor der das türkisfarbene Meer nur sanfte Wellen schlägt. Sandfarbene Felsen, die im Abendlicht golden leuchten, stehen wie steinerne Wächter zu beiden Seiten der riesigen Anlage. „Al Husn“, die Burg, der exklusivste Teil der Anlage, thront auf dem Felsen, daneben „Al Bandar“, die Stadt, ein luxuriöses Businesshotel, und am anderen Ende „Al Waha“, die Oase, das Familienhotel. Hier, wo noch vor zehn Jahren die Meeresschildkröten in der Einsamkeit ihre Eier ablegten, sind die meist wohlhabenden Gäste unter sich (das Al Husn hat sogar einen Privatstrand gleich neben den spektakulären Felsen mit den Naturtoren). Teilen müssen sie sich den puderweichen Sandstrank nur mit den Meeresschildkröten.
Am Abend kann ich beobachten, wie eine Schildkröte aus dem Wasser an Land kommt. „Sie ist ungefähr 40 Jahre alt“, sagt Mohammed, der „Turtle Ranger“ leise. Eineinhalb Stunden wird sie brauchen, um ihre 100 Eier im heißen Sand abzulegen. Zeit, noch eine Kleinigkeit in einem der 16 Restaurants zu essen. Als ich zurückkomme, sehe ich als erstes so etwas wie einen Sandspringbrunnen. Die Schildkröte schaufelt Sand auf, um ihre Eier zu vergraben, ehe sie sich, völlig verausgabt, zurück ins Meer schleppt. Die Hotelgäste folgen ihr in sicherem Abstand und unterhalten sich flüsternd. Mohammed ermahnt einen Vater, der die Szene mit Blitzlicht fotografiert. „Die Tiere sind äußerst empfindlich“, sagt er streng. „Wir müssen das respektieren und Rücksicht nehmen.“ Wenn wir alle längst in den Betten liegen, wird der Schildkrötenwächter die Eier einzäunen, damit die kleinen Schildkröten ungestört schlüpfen können.
Nachts träume ich von einer Schildkröteninvasion in Dubais schöner neuer Welt. Da, wo nur die Superreichen sich einkaufen dürfen, würde wohl niemand auf die Ermahnungen eines Turtle-Rangers hören.
 

Ein Kommentare
  • Sarah
    Juli 29, 2011

    Wir sind vom Emirat Abu Dhabi, wo wir Urlaub machten, auch schon einmal in den Oman aufgebrochen, weil wir die „Hatta Pools“ besichtigen wollten. Leider sind wir mit dem Auto letztlich nur planlos durch Hatta gekurvt und haben unser Ziel nicht gefunden. Aber: Allein landschaftlich lohnt sich die Reise sowohl nach Abu Dhabi wie auch in den Oman!

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