Die Kindheit – ein Alptraum: Pawel Sanajews „Begrabt mich hinter der Fußleiste“

Begrabt mich hinter der Fussleiste
(Buch)
Autor: Pawel Sanajew
Verlag: Kunstmann
Erschienen am: 2007-03
Seiten: 237
ISBN: 388897464X

Schon lange weiß man, dass die Kindheit längst nicht das Paradies ist, für das sie immer gehalten wird. Für manche ist sie viel eher die Hölle. Das gilt auch für Sascha Sawaljew, den siebenjährigen „Helden“ von Pawel Sanajews bestürzendem Kindheitsroman „Begrabt mich hinter der Fußleiste“. Ausgerechnet die Großmutter ist es, die Saschas Leben zu einem Alptraum macht. Sie traktiert ihren ständig Enkel mit homöopatischen Mittelchen und verhasster Schonkost und sorgt dafür, dass Sascha keinen Fuß auf den Boden kriegt, sondern in dem Bewusstsein aufwächst, eines Tages im Gefängnis zu krepieren oder vom gefürchteten Staphylococcus aureus aufgefressen zu werden.

Dabei wäre Sascha doch zu gerne ein Kind wie alle anderen, eins mit Mutter und Vater oder zumindest mit einer Mutter. Seine eigene Mutter hat ihn der verhassten  Großmutter anvertraut, um ihr eigenes Leben führen zu können. Doch trotz aller Verleumdungen der Großmutter ist diese Mutter der Fixstern in Saschas Leben. Er hofft von einem ihrer seltenen Besuche bis zum nächsten, auch wenn die Großmutter alles tut, um ihm auch diese Freude zu vermiesen. In den Augen des Kindes steht die alte Tyrannin  wie ein Bollwerk zwischen ihm und der Welt. Sie lässt ihn nicht teilhaben an  übermütigen Kinderspielen und macht ihn zu einem Bilderbuchopfer für sadistische Altersgenossen. Dabei will die Großmutter, selbst ein Opfer der Verhältnisse, den Buben doch nur ganz für sich allein haben, ihn lieben und verhätscheln. Ihm all das geben, was ihr im Leben verwehrt geblieben ist. Doch ihr Gemüt ist verhärtet, vor lauter Liebe spukt sie ständig Gift und Galle. Am Ende erkennt auch die unselbständige Mutter, dass sie handeln muss, um ihren Sohn den Klauen der allmächtigen Großmutter zu entreißen, ehe Sascha für immer verloren ist.
Pawel Sanajew lässt den Siebenjährigen diese Kindheit am Rande des Wahnsinns in all ihrer grotesken Tragik  mit der Unbefangenheit eines Kindes schildern und macht sie damit umso schockierender. Fast schon altersweise resümiert  Sascha das Ergebnis seiner Flucht aus der großmütterlichen Hölle: „Ich war dem Leben davongelaufen, aber es hatte sich nichts verändert, das Leben war immer noch da und wollte dem Glück seinen Platz nicht abtreten.“ Wie furchtbar traurig.
Info: Pawel Sanajew, Begrabt mich hinter der Fußleiste, Kunstmann, 237 S.,  17,90 Euro

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