Das Monster erscheint sieben Minuten nach Mitternacht, immer dann, wenn der Alptraum mit dieser unsagbaren Szene zu Ende geht. Gerufen hat es Conor, weil er schwach ist und das Monster stark. Weil er Hilfe braucht und es niemand sagen kann außer dieser großen starken Eibe, die er von seinem Fenster aus sehen kann. Conor fühlt sich allein gelassen. Von seiner Mutter, die so krank ist, dass er sogar sein Frühstück allein machen muss. Von seinem Vater, der nach Amerika gezogen ist, zu seiner neuen Familie. Von der Großmutter, die so gar nicht wie eine Oma ist, sondern ihre eigenen Interessen hat.
In der Schule hat er schon lange keine Freunde mehr. Und Lily, die ihm
zur Seite springt, als Harry und seine Jünger ihn wieder einmal mobben,
hat er auch verprellt. Harry spürt Conors Not und er weiß, wie er dem
anderen weh tun kann. Nicht, indem er ihn schlägt, sondern indem er ihn
übersieht. Da endlich schlägt Conor zurück, so heftig, dass der anderes
ins Krankenhaus muss und ihm der Verweis von der Schule droht. Doch dann
passiert wieder nichts, weil seine Lehrerin Verständnis für Conor hat.
Genau das ist es aber, was er nicht will. Er will keine
Sonderbehandlung, will sein wie alle anderen auch, nicht mit
Samthandschuhen angefasst werden. Er will sein normales Leben zurück, so
wie es war, bevor seine Mutter krank wurde. Dass das nicht möglich ist,
davon will Conor nichts wissen.
Um der Wahrheit ins Auge zu schauen, auch dazu braucht er das Monster.
Und auch, um endlich einmal aus sich heraus zu gehen, sich den eigenen,
viel zu lange unterdrückten Aggressionen zu stellen. „Du darfst so
wütend sein, wie du willst,“ sagt ihm auch seine Mutter.. „Und wenn du
irgendetwas kaputt machen musst, dann mach es um Gottes willen kaputt,
und zwar richtig.“
Sie ahnt ja gar nicht, wie recht sie hat, denkt Conor. Wie wütend er
wirklich ist. Und dass sie im Mittelpunkt dieser Wut steht. Sie, die ihn
allnächtlich in einem Alptraum heimsucht. Sie, die er so sehr liebt,
dass es wehtut und die jetzt schon vermisst, die er aber endlich
loslassen muss, um wieder Luft zum Leben zu haben.
Patrick Ness hat das Buch, das die todkranke Siobhan Dowd angefangen
hat, zu Ende geschrieben – sensibel und ganz in ihrem Sinn. Es ist ein
Buch über Krankheit und Tod geworden, über die Liebe und das Loslassen –
über die Dinge des Lebens. Ein trauriges Buch, und ein tröstliches
Buch, wunderbar illustriert von Jim Kay.
Info: Patrick Ness/Siobhan Dowd: Sieben Minuten nach Mitternacht, cbj, 213 Seiten, 16,99 Euro
Oktober 15, 2012
So einig waren sich Jugend- und Kritikerjury selten: Beide haben den deutschen Jugendliteraturpreis dem Autor Patrick Ness für sein Buch „Sieben Minuten nach Mitternacht“ zuerkannt. Ness hatte auf der Grundlage von Ideen und Skizzen der fr