Der Lektor: Literarischer Tausendsassa

Bücher

Lektor kommt von Lesen und Lesen ist auch die Hauptarbeit der Lektoren. Lesen im Rekord. Denn über die Schreibtische der Lektoren gehen alle Bücher, die beim Verlag eingereicht werden – auch solche, die nie auch nur den Hauch einer Chance haben, jemals veröffentlicht zu werden.

Dagmar Fretter (48) könnte Bücher damit füllen, was Nachwuchs-Schriftsteller oder solche, die sich dafür halten, so alles bei Verlagen abladen. Die studierte Germanistin  war Lektorin bei Eichborn, der Frankfurter Verlagsanstalt, zuletzt bei Pendo und lektoriert inzwischen frei für verschiedene Verlage.  
Und lektorieren ist dann doch etwas ganz anderes als lesen. Deshalb kann auch nicht jeder Lektor sein, der gerne liest. „Ein sicheres Sprachgefühl muss man schon mitbringen“, sagt Dagmar Fretter eher bescheiden,- und viel gelesen haben. Denn der Lektor müsse wissen, „wie literarische Texte aufgebaut sind, wirken und funktionieren. Er muss spüren, was der Autor mit seinem Text will und sich bemühen, in darin zu befördern.“ Einfach ist das nicht, denn der Lektor muss ja immer im Hintergrund bleiben, er darf dem Buch nicht den eigenen Stil aufdrücken.
Um mit Autoren und Übersetzern erfolgreich zusammenarbeiten zu können, braucht der Lektor deshalb psychologisches Einfühlungsvermögen. Und er muss Buchmarkt und Konkurrenz kennen. Ein literarischer Tausendsassa also. Beim Sachbuch bedarf es zusätzlich noch der guten Nase für aktuelle Themen, Kenntnis der aktuellen Nachrichtenlage und des Marktes. „Hier ist die Beobachtung der Konkurrenz womöglich noch wichtiger als in der Belletristik“, glaubt Fretter. In kleineren Verlagen, die oft nur einen Lektor haben, muss er beides können: Roman und Sachbuch betreuen.
Bei der Auswahl ist Sachverstand gefragt, aber auch Entscheidungsfreudigkeit. Fünf bis zehn Manuskripte gehen pro Tag in einem größeren Verlag ein, unverlangt eingesandte und bestellte Texte. „Von den unverlangt eingesandten Manuskripten werden 99 Prozent zurück geschickt“, dämpft Dagmar Fretter die Hoffnung von Nachwuchsliteraten. Trotzdem würden immer wieder Entdeckungen gemacht. Projekte, die er für interessant hält, stellt der Lektor in der Lektorenkonferenz vor. Finden sie Gnade, wird eine Kalkulation erstellt. Erst wenn sich die rechnet, wird (im Fall eines deutschsprachigen Manuskripts) die Autorin oder der Autor kontaktiert. Ist alles klar und der Vertrag geschlossen, beginnt die eigentliche Arbeit des Lektors: Der Text wird in Zusammenarbeit mit dem Autor stimmig und rund gemacht. Dabei greift der Lektor durchaus auch in zentrale Merkmale ein wie Struktur, Handlungsabläufe, Figurenzeichnung.  Natürlich müssen auch sprachliche Fehler korrigiert und Fakten auf ihre Richtigkeit geprüft werden.
 „Bei versierten literarischen Autoren geht man sicher zurückhaltender vor als bei einem noch unerfahrenen Autor, der viel mehr Hilfestellung braucht“, erklärt Dagmar Fretter die Art der Eingriffe. Oft finde man im Gespräch gemeinsame Lösungen. Dass der Lektor „manchmal ganze Teile“ selbst schreibe, komme eher im populären Sachbuch vor. Als freie Lektorin genießt Dagmar Fretter es Dagmar Fretter, sich in aller Ruhe und ohne jeden Konferenzdruck in die Manuskripte versenken zu können. Allerdings muss sie dafür auch ständig ihr Netzwerk pflegen, mit Autoren, Übersetzern telefonieren und den Kontakt zu den Auftraggebern halten.
Trotz aller Mühe sind Lektoren immer wieder das Ziel von ungerechten Vorwürfen. Dagmar Fretter erinnert sich heute noch an eine Rezension mit der Überschrift „Lektor, warum hast du mich verlassen?“. Zur Recht habe der Rezensent die Schwächen des Textes kritisiert, sagt sie. Allerdings habe sich der Autor, vom Lektor darauf hingewiesen, habe sich uneinsichtig gezeigt. „Da stößt auch der Lektor an seine Grenzen“, sagt die Lektorin.
Trotzdem und auch, wenn sie mit ihrem Beruf keine Reichtümer verdienen kann, würde Dagmar Fretter nicht tauschen wollen. Dann könnte sie sich nämlich auch nicht mit dem Autor Gert Loschütz freuen,  der mit seinem Roman „Dunke Gesellschaft“ in die Shortlist für den Deutschen Buchpreis gewählt wurde. Für Lektorin Dagmar Fretter war es eine Zusammenarbeit im besten Sinn des Wortes.   
  

 

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