Das Hotel wird zur Destination

Die einen werben mit Frühbucher-Angeboten wie es sonst Reiseveranstalter tun, die anderen mit Dreingaben für Schnäppchenjäger. Die Wirtschaftskrise hat auch die Hotellerie im Würgegriff. Vor allem die Luxushotels leiden, weil Geschäftsreisende ausbleiben und andere Märkte weggebrochen sind. Dabei haben die beispielsweise die österreichischen Hoteliers in den letzten Jahren viel investiert, um mit den weltweiten Urlaubszielen konkurrieren zu können. Zu Recht. In Zeiten, in denen die Menschen jeden Urlaubseuro dreimal umdrehen und in denen so mancher exotische Ziele wegen politischer Unsicherheit, Naturkatastrophen oder auch Flugangst meidet, wird das Hotel immer mehr zur Destination – vor allem, wenn es in einer schönen Landschaft liegt.

Erfolgreiche Häuser bieten ihren Gästen schon jetzt nicht nur komfortable Unterkunft und genussreiche Küche. Auch eine großzügige Wellnesslandschaft, in der man Regentage verträumen kann, gehört zum Erfolgsrezept ebenso wie das Erlebnis eines eigenen Weinkellers, ein Fitnessprogramm, Wanderwege zu eigenen Hütten oder Almen, ein Badeplatz am See und manches mehr. Bei einem durchschnittlichen Aufenthalt von drei bis vier Tagen hat der Hotelgast zwar schon Mühe, das volle Programm auszukosten. Aber er hat das Gefühl, „etwas fürs Geld“ zu bekommen.
Trotzdem brechen auch Österreich die Übernachtungen ein. Im März blieb in Wien jedes zweite Bett leer, im ersten Viertel dieses Jahres mussten die Vier- und Fünfsterne-Hotels landesweit ein Minus von 0,8 Prozent bei den Übernachtungen hinnehmen, mit 25,23 Millionen gingen die Übernachtungen der Deutschen in dieser Zeit um 1,9 Prozent zurück. Das sind alarmierende Zahlen, die den  österreichischen Hoteliers den Schweiß auf die Stirne treiben und so manchen ins Grübeln bringen, ob man denn der Krise auch gewachsen ist.
Neue Ideen müssen her, sagt Helmut Peter, Seniorchef im Weißen Rössl am Wolfgangsee, das seit fast 100 Jahren im Besitz seiner Familie ist. Für den „Rössl-Pfad“ aus der Krise hat sich der findige Hotelier so allerlei einfallen lassen. Nur eines ist tabu: „Am Preis wird nicht gerüttelt.“ „Mehrwert ohne Mehrpreis“ heißt deshalb die Devise. Als „Rösslzucker“ wird etwa ein Besuch der Kulturhauptstadt Linz angeboten, bei dem das Hotel Taxi- und Bahnkosten übernimmt. Oder „der blaue Montag“: Wer mindestens von Freitag bis Sonntag bucht, zahlt für den Montag danach nur die Hälfte – allerdings nicht in der Haupturlaubszeit.
Und dann geht es doch ans Eingemachte, den Preis. Die Mitarbeiter sind verpflichtet, dem Gast die preisgünstigste Möglichkeit für ihren Urlaub im Weißen Rössl aufzuzeigen. Also die Termine außerhalb der Hauptsaison, wenn es Pauschalen für Romantiker gibt, die unter der Woche 30 Euro weniger kosten oder eben den „Blauen Montag“. Mindestens so  wichtig wie das Preisargument, meint der ausgebuffte Hotel-Profi, sei die Authentizität und da könne das Weiße Rössl punkten: Die Mitarbeiter kommen aus der Region ebenso wie die meisten Lebensmittel. Die einheimischen Handwerker, die im Hotel arbeiten, essen zusammen mit den Gästen. So ist das Traditionshaus am Wolfgangsee alles andere als ein Urlaubergetto, sondern ein schönes Stück Österreich. Dazu trägt auch bei, dass die Hoteliersfamilie sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruht. Zehn Millionen Euro wurden in Neuerungen investiert: Der erste schwimmende Whirlpool der Welt gesellt sich im Wolfgangsee zum Seebad. Im neuen, dem neunten Haus, ist ein neuer Spa- und Beauty-Bereich angesiedelt, das Poststüberl und die vergrößerte Bibliothek. „Unsere Aufgabe in der Wirtschaftskrise ist es, die Leistung zu erhöhen“, postuliert Peter, der das Szepter an seine Tochter Gudrun Trutmann-Peter weiter gegeben hat.
Auch im Posthotel Achenkirch, dem Vorreiter aller Wellness-Hotels im Alpenraum, und seit 91 Jahren im Besitz der Familie Reiter, ist die junge Generation am Start. Karl Reiter jun., gerade mal 30, weiß genau, was er will. „Wir verfolgen eine konsequente Preispolitik“, sagt er und dass er das Drehen an der Preisschraube für die einfachste – und die am wenigsten wirksame – Strategie in Krisenzeiten halte. Wie im Weißen Rössl setzt man im Posthotel auf mehr Leistung zum gleichen Preis, und auf Neuerungen, die auch den Stammgast überraschen. Mehr als 14 Millionen Euro hat der Junior noch 2008 in den „Versunkenen Tempel“ investiert, einen von Videospielen inspirierten Wellness-Bereich, der die ausgedehnte Wohlfühl- und Bäderlandschaft des Hotels um eine fantasiereiche Variante ergänzt. Vor allem die Lohas, die jüngeren Leute, die einen Lebensstil pflegen, der Wert auf Gesundheit und Nachhaltigkeit (Lifestyle of health and sustainability) legt, sollen damit angesprochen werden.
Auch sonst erweist sich der junge Hotelier als Wanderer zwischen den Welten: Sein Wahlspruch „Think global, act local“ gilt für die Mitarbeiter, die „soweit wie möglich“ aus der Gegend kommen, für die landwirtschaftlichen Produkte, die zum Teil von den eigenen Bauernhöfen stammen und für die Wellness-Angebote, für die das Posthotel auf Philosophien und Praktiken aus dem Fernen Osten zurückgreift. Ein Shaolin-Mönch unterrichtet nicht nur in fernöstlicher Kampf- und Bewegungskunst, er massiert die Gäste auch nach allen Regeln der klassischen Tui Na, was für drücken und ziehen steht. „Wichtig ist mir das Prinzip des Vereinenden“, sagt Reiter, und meint damit die Verbindung von Westlichem und Östlichem,  von Tradition und Moderne. Wo immer möglich, hat sich der Hotelier vorgenommen, wolle man Rücksicht auf die Umwelt nehmen. Auch das sei zunehmend ein Argument für viele Hotelgäste, denen man schließlich „eine Auszeit aus der Krise“ bieten wolle. Und weil nur zufriedene Mitarbeiter wirklich Gastfreundschaft leben, wird die Mitarbeiter-Motivation in Achenkirch groß geschrieben. Da kann man dann schon mal der Rezeptionistin im Fitness-Raum begegnen, der Ärztin beim Schwimmen oder dem Masseur hoch zu Ross. Und für das neue große Mitarbeiterhaus nahe dem Golfplatz macht der Chef derzeit schon wieder einige Millionen Euro locker.
Ein eigenes Schulungskonzept für die Mitarbeiter hat das Hotel Hochschober auf der Turracher Höhe entwickelt, das in diesem Jahr 80-jähriges Bestehen feiert. „Alle Mitarbeiter“, wünscht sich die junge Chefin des Hauses, Karin Leeb, „sollen kompetente Ansprechpartner sein, Botschafter der Marke Hochschober“. Dafür müssen sie einiges lernen, chinesische Teezeremonie etwa oder wie es im türkischen Hamam zugeht. Denn das etwas abseits gelegene Hotel hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Welt auf die Turracher Höhe zu holen. Gleich neben dem See steht so nicht nur eine Sauna im rustikalen Alpenhausstil, sondern auch ein vierstöckiger  chinesischer Turm, wohl der einzige in den Alpen. Was von außen wie ein wilder Architekturmix wirkt, ist wohl durchdacht. „Wir wollen unseren Gästen fremde Kulturen authentisch vermitteln“, sagt Karin Leeb. Das gelte für den chinesischen Turm wie für das türkische Hamam, das „einzige orientalische Badehaus in den Alpen“.
Für die Ausgestaltung des China-Turms, vor allem die traditionellen Schnitzereien, reisten Handwerker aus der Volksrepublik an, eine Teezeremonienmeisterin aus Wien schulte die Mitarbeiter und die Hoteliers unternahmen Studienreisen nach China, von denen sie Kunstwerke mitbrachten, die jetzt auf dem unterirdischen Weg zum Turm zu sehen sind. Auch bei der Einrichtung des in den Felsen hinein gebauten Hamams holten sich Karin Leeb und ihr Mann Martin Klein kundige Hilfe aus dem Orient. „Der Bau war ein Abenteuer“, erinnert sich die junge Hotelchefin und daran, dass viele Hotelgäste erst mal ihre Schwellenangst überwinden mussten. Inzwischen gehöre die rituelle Waschung im Hamam zu den beliebtesten Anwendungen.
„Eine Oase zum Kraft tanken“ soll der Hochschober sein, vor allem in diesen Krisen-Zeiten, sagt Karin Leeb. Für das Hotel als Urlaubsziel spreche aber auch das Preis-Leistungsverhältnis. „Wir sind nicht billig“, macht sie klar, „aber viele Kleinigkeiten summieren sich zu einem großen Vorteil.“ Auch in Zukunft wolle man auf „den Luxus der Einfachheit“ bauen, auf Naturnähe, regionale Produkte – und auf die Verschmelzung von Nähe und exotischer Kultur.
Drei Traditionshotels, drei Rezepte, ein Gedanke: Mit billigen Preisen überzeugt man keine Kunden. Wichtiger als Schnäppchen ist der Mehrwert für die Gäste. Und: Aushängeschild eines erfolgreichen Hotels sind die Mitarbeiter. Ohne motivierte Mitarbeiter bleibt auch die tollste Wellness-Oase eine leere Hülle.

Es gibt bisher keine Kommentare.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert