Die Initiativen sind vielfältiger Art: Gerade erst hat Pata (Pacific Asian Tourism Association) eine Charta verabschiedet, in der sich die Mitglieder der Nachhaltigkeit und der sozialen Verantwortung verpflichten. Auch Kapstadt hat eine Nachhaltigkeits-Charta unterzeichnet und die Rainforest Alliance in Lateinamerika stellt fest, dass nachhaltiger Tourismus ein Wettbewerbsvorteil ist. „Die Zeit ist reif“, war auch das Fazit der Touristischen Runde zum Thema CSR (Corporate Social Responsibility), wobei die Referenten den ökologischen Aspekt hervorhoben, vor allem aber den sozialen Aspekt betonten.
Die Europäische Union definiert CRS als „Konzept, das den Unternehmen
als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und
Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die
Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren.“ Nicht mehr nur
ökonomische Aspekte sollen demnach für die Entwicklung eine Rolle
spielen, sondern gleichberechtigt auch ökologische und soziale Aspekte
und das vor allem im Kerngeschäft eines Unternehmens.
Rolf Pfeifer, im Forum anders Reisen für CSR verantwortlich, schreibt
denn auch den Firmen ins Stammbuch, dass Entscheidungen künftig auch
den Klimawandel und soziale Probleme mit einbeziehen müssten. Bisher
hätten die Unternehmen auch mit Blick auf den Shareholder-Value rein
profitorientiert und damit unsozial gehandelt. „Diese Denke geht nicht
mehr“. Bei den Unternehmen müsste eine Bewusstseinsänderung einsetzen,
fordert der studierte Ingenieur und weist auf das neue CSR-Siegel des
Forums hin, das speziell für die Reisebranche entwickelt wurde. Dazu
gibt es eine eigene Software und Fragebögen. Die Auswertung führt zu
einem Nachhaltigkeitsbericht. Hier, so der Initiator, fänden die
Unternehmen Standards, die ihnen bei der Beurteilung der eigenen
Maßnahmen helfen. Nachhaltigkeitsfaktoren würden messbar. Deshalb würde
Pfeifer die Zertifizierung am liebsten auf die ganze
Tourismus-Industrie übertragen.
Stattdessen gibt es immer neue Initiativen, die CSR auf ihre Fahne
geschrieben haben. Auf der ITB wurde auch Futouris (www.futouris.org)
aus der Taufe gehoben, eine Nachhaltigkeitsinitiative der
Touristik-Branche, bei sich TUI, Airtours, Gebeco, TLT, Thomas Cook und
Neckermann engagieren und die für neue Mitglieder offen steht. Andreas
Koch sieht das Ganze als Brückenschlag zwischen Touristik Unternehmen,
Mitarbeitern und Kunden auf der einen Seite und der Bevölkerung in den
Urlaubsländern auf der anderen Seite. Damit ginge die Initiative einen
großen Schritt in Richtung verantwortungsbewusstem Tourismus. Denn dass
die Tourismusindustrie als „einer der größten Wirtschaftsbranchen der
Welt“ eine enorme Verantwortung trägt, sei inzwischen bei den großen
Veranstaltern angekommen. Der Tourismus verbinde Menschen und leiste
– wenn er verantwortungsvoll durchgeführt wird – einen entscheidenden
Beitrag zur nachhaltigeren weltweiten Entwicklung, ist Koch überzeugt.
Futouris unterstütze etwa in Südafrika ein Projekt, bei dem arbeitslose
Frauen in einem zwölfmonatigen Trainingsprogramm eine staatlich
anerkannte landwirtschaftliche Ausbildung u.a. mit dem Fokus auf
ökologische Anbaumethoden erhalten. Der Abschluss erleichtere es den
Teilnehmerinnen, einen festen Job zu finden, sich in der Landwirtschaft
selbstständig zu machen oder höhere Qualifikationen zu erwerben
Für Claudia Brözel, bis Oktober Vorstand bei V.I.R. (Verband Internet
Reisevertrieb) steht die Verantwortung von Tourismus-Unternehmen und
Touristen außer Frage: „Wir verbrauchen etwas und versuchen auf der
anderen Seite etwas wieder herzustellen“, umschreibt sie die Initiative
von V.I.R., den Kunden bereits seit 2007 den Ausgleich von
Treibhausgasen, die durch ihre Flüge entstehen, über atmosfair
anzubieten. Das Angebot habe Bewusstsein geschaffen, ist sie überzeugt,
bei den Unternehmen und den Reisenden. Und die einfache Einbindung im
online-Bereich habe es den Kunden leicht gemacht, sich für einen
Klimaschutzbeitrag zu entscheiden.
Mindestens 90 Prozent der „Spenden“, so hat es sich atmosfair
vorgenommen, sollten in Klimaschutzprojekte in Drittweltländern
gesteckt werden. 2008 waren es 92 Prozent, berichtet Stefanie Sommer,
die direkt in die Projekte ins Ausland flossen. Zum Beispiel in
effiziente Brennholzkocher für Nigeria, die 80 Prozent des Holzes
einsparen, das normalerweise beim Kochen verbraucht wird oder in die
Verstromung von Biomasse in Indien. Solche Projekte, die nach dem von
Umweltorganisationen entwickelten Gold Standard zertifiziert werden,
brächten den Menschen vor Ort auch Einkommen. Sommer würde sich
wünschen, dass viele andere Unternehmen dem Beispiel eines
Reiseveranstalters folgen würden, der den Klimaschutzbeitrag schon im
Preis inkludiert hat. Er informiert seine Kunden darüber und „dann sind
auch 80 Prozent bereit, den Beitrag zahlen“. Eine solch aktive
Kommunikation hält die atmosfair-Frau für wichtig. „Die Bereitschaft
den Kompensationsbeitrag zu leisten, hängt sehr stark davon ab, wie er
eingebunden und vermittelt wird“
Als Geschäftsführer von ameropa hat Martin Katz weniger Probleme mit
Flügen und Emissionen. Wichtig ist für ihn aber eine „gute
Unternehmenskultur“, wichtig sind Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit.
Werte, die, da ist sich Katz ganz sicher, mittlerweile auch vom Kunden
geschätzt, ja gefordert werden. Die Krise habe den Wertewandel
beschleunigt, glaubt er. „Es geht nicht mehr nur darum, möglichst viel
Geld zu machen. Andere Werte gewinnen an Bedeutung.“ Bei ameropa sei
man deshalb dabei, sich an CSR „langsam heranzutasten“, Motto: erst
tun, dann reden. So habe man vor fünf Jahren die alpine pearls
entwickelt, umweltfreundliche Ziele in den Alpen. Das „Fahrtziel Natur“
binde Naturparke in die ameropa-Programme ein und „das zarte Pflänzchen
Natürlich Reisen“ mit gerade mal acht Seiten spreche umweltbewusste und
naturverbundene Kunden an. „Leuchtturmprojekte“ sind das für Katz, der
trotz aller Zuversicht überzeugt ist: „Den großen Urknall werden wir in
der Reisebranche wohl nicht erleben.“
Auch Andreas Müseler, Umweltbeauftragter der Touristiksparte der Rewe
Group, betont den sozialen Aspekt von CRS und weist auf den Code zum
Schutz von Kindern hin. Tourismus sei eine Wachstumsbranche vor allem
in Regionen der Welt, die bisher noch wenig von der Weltwirtschaft
profitiert haben. Gerade dort könne nachhaltiger Tourismus Armut
lindern helfen und zu positiven gesellschaftlichen Entwicklungen
beitragen. Das helfe auch dem Veranstalter beim Verkauf seines
Produktes, denn die Kunden erwarteten intakte Natur aber auch ein
Sozialgefüge, „das ihnen nicht den Urlaub verleidet“. Müseler würde
sich wünschen, dass die Reiseunternehmen mehr Zukunft wagten. Wichtig
wäre es, sich mit Zielgebieten auseinander setzen, die noch vor der
touristischen Entwicklung stehen und diese zukunftsfähig zu machen.
Dass die Branche durchaus lernfähig ist, beweise die Tour Operators
Initiative for sustainable tourism development (TOI) seit zehn Jahren.
Das Netzwerk ermögliche gemeinsame Projekte und erleichtere Visionen.
Denn nur mit starken Partnern könne man auf dem Markt wirklich etwas
bewirken, ist Müseler überzeugt.
"Wir brauchen politische Initiativen auf der Weltebene“, fordert auch
Andreas Koch. Aus diesem Grund sei Futouris geboren, als
Branchen-Initiative, die einen Wertewandel initiieren wolle. Alle
Futouris Projekte – bisher 14, geplant sind 400 – würden gemeinsam mit
der lokalen Bevölkerung entwickelt. Künftig sollen auch Mitarbeiter und
Reisende stärker involviert werden. „Es kann nicht genug Initiativen
geben“, sekundiert Martin Katz, auch kleine Initiativen seien wichtig
für das große Ganze. Stefanie Sommer dagegen findet „zu viele
Initiativen für den Kunden eher verunsichernd“ und wünscht sich mehr
Transparenz. „Es ist gesellschaftlich viel passiert“, stellt Rolf
Pfeifer zufrieden fest. Immerhin habe CSR Eingang in die Industrie
gefunden. Auch die Unternehmen seien also in einem Wertewandel
begriffen, Umweltbewegung und Industrie rückten zusammen und
profitierten von den Synergien. Bei all den Initiativen wünscht sich
Claudia Brözel mehr Durchblick für die Kunden. Sie könnte sich eine
Plattform vorstellen, auf der sich die einzelnen Initiativen
präsentieren und über ihre Projekte informieren. Ähnlich wie bei einem
Hotelbewertungsportal sollten die User diese Informationen auch
kommentieren und ihre eigenen Erfahrungen einstellen können. „Wir
müssen die Dinge dem Kunden verständlich machen“, appelliert Brözel.
„Das steht hier noch bevor.“
„Wir können die Kunden auch über solche Initiativen erreichen – besser
als über platte Abverkaufen“, ist Martin Katz überzeugt. „Die Zeit ist
reif“, macht er den Veranstaltern Mut zu neuen Reiseinhalten. Rolf
Pfeifer fordert eine Bewusstseinsveränderung bei allen touristischen
Unternehmen. „Ich will, dass wir 100 Prozent zertifizieren.“ Dazu sei
allerdings auch Druck nötig, von der Politik, den Medien, den Kunden.
Denn: „Kein Unternehmen wird etwas tun, wenn es damit nicht etwas
erreicht.“
Dass sich tatsächlich viele Reiseveranstalter auf den schwierigen und
kostenintensiven Weg machen, bezweifelt Peter Zimmer von Futour. Allein
schon die respektvolle Bezahlung im Zielgebiet sei eine „harte Nummer“.
Und außer Studiosus habe sich bisher kein Unternehmen dem Öko audit zur
Bemessung des betrieblichen Umweltschutzes unterzogen. „Die TUI ist
schon seit 19 Jahren auf dem Weg und nach dem international höchsten
Umweltstandard ISO 14001 von unabhängigen Seite zertifiziert“, kontert
Andreas Koch. Man müsse die Dinge immer wieder neu definieren, dürfe
sich nicht entmutigen lassen. Das Ganze sei ein langer Prozess. Dass
TUI alle Dienstreisen kompensieren wird habe auch Vorbildfunktion und
sei ein weiterer konsequenter Schritt. Futouris bündle Verantwortung.
Man müsse aber auch die Kunden mitnehmen.
Dass man mit kleinen Verbesserungen in der Multiplikation viel
erreicht, davon ist Andreas Müseler überzeugt. Wie wirksam selbst
kleine Aktionen sind bewies das Runden-Tagungshotel Le Meridien mit der
Ausstellung zum Hilfsprogramm „Art is Life“, das Kinder und Jugendliche
zu kreativem Handeln im Kampf gegen AIDS ermuntert. "Art is life“ ist
Teil von „Check Out for Children“, einer Partnerschaft zwischen der
Muttergesellschaft von Le Méridien, Starwood Hotels & Resorts, und
Unicef. Im Rahmen dieser Partnerschaft wurden seit 1995 über 21
Millionen US-Dollar für Unicef gesammelt. Stefanie Sommer findet solche
Aktionen auch prima. Aber sie will noch mehr, echte Veränderungen. In
einer Welt, in der immer mehr gereist wird – auch Menschen in den
Entwicklungsländern hätten schließlich ein Recht auf Reisen – dürfe
nicht so weiter gemacht werden wie bisher. Es könne nicht sein, dass
die große Mehrheit unter einem Klimawandel leidet, den eine kleine
Minderheit verursacht. „Ein Fünftel der Bevölkerung hat das
Tourismusproblem verursacht. Jetzt will der Rest auch mitmachen“, hat
der britische Klimaexperte und Autor Mark Lynas die Herausforderung
umrissen.
Die Zeit, so scheint es, ist nicht nur reif für einen verantwortlichen Tourismus. Es ist höchste Zeit.